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Lambertz: „Lokale Ebene muss sich stärker involvieren“

18.10.2017 – Erstmals hielt ein Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen eine Rede zur Lage der Union aus lokaler und regionaler Sicht. Dabei lag der Schwerpunkt auf Gemeinden und den Herausforderungen der kommenden Jahre.

Viel beachtet war die Rede zur Lage der Union von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker Mitte September 2017. Darin forderte er die Rücksichtnahme auf die kulturelle Vielfalt bei allen Diskussionen zur Zukunft Europas und die Rückbesinnung auf die wesentlichen Bereiche der Europäischen Union. Aber er forderte auch, Diskussionen für eine Erweiterung der EU und Euro-Staaten zu beginnen, die Schengen-Grenzen zu erweitern, die Arbeitsrechte für EU-Bürger anzugleichen und den Austausch von Informationen über Terroristen und ausländische Kämpfer zu automatisieren. (Den Link zur Zusammenfassung sowie die gesamte Rede finden Sie in nebenstehender Box)

Einen Monat später, am 10. Oktober 2017, hielt erstmals Karl-Heinz Lambertz, der derzeitige Präsident des Ausschusses der Regionen (AdR), eine Rede zur Lage der Union aus lokaler und regionaler Sicht bei einer Plenartagung des AdR in Brüssel. Mit dabei war auch Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rats. Im Gegensatz zur umfangreichen Rede von Kommissionspräsident Juncker beschränkte sich Lambertz auf einige, für die Zielgruppe wichtige Kernthemen.

Öffentliche Investitionen stärker ankurbeln

Die europaweite Abnahme der öffentlichen Investitionen um 15 Prozent ruft bei Lambertz Besorgnis hervor. „Diese Abnahme ist vor allem den Stabilitätskriterien geschuldet. Ein Minus von 15 Prozent ist aber dauerhaft nicht tragbar. Die Öffentliche Hand muss wieder investieren können“, fordert Lambertz. Auch wenn diese Aufforderung nur ein Nebenschauplatz der Rede war, wurde die Problematik doch direkt dem anwesenden Ratspräsident und somit auch den Vertretern der nationalen Regierungen näher gebracht.

In Bezug auf die Flüchtlingskrise lobte Lambertz die Leistungen vieler Gemeinden und Regionen, bemängelte aber gleichzeitig, dass der EU-Umverteilungsmechanismus zur Entlastung von Italien und Griechenland nur 20 Prozent der zugesagten Plätze mobilisieren konnte.

Bürgerdialoge und Rathausdebatten

Laut Lambertz, der 365 Mandatsträger der lokalen und regionalen Ebene aus allen Mitgliedstaaten der EU vertritt, kann das Vertrauen der Bürger nur durch eine bessere Einbeziehung der lokalen und regionalen Ebene zurückgewonnen werden. „Das Engagement der lokalen und regionalen Mandatsträger wird durch das Vertrauen belohnt, das ihnen die Bürgerinnen und Bürger schenken und das stärker ist als jenes, das Europa und die Mitgliedstaaten genießen. Darauf bin ich sehr stolz, denn es bedeutet, dass unsere Städte und Regionen Vertrauen erwecken in einer Union, die bisweilen in Zweifel gezogen wird“, so der Präsident des AdR. Seit März 2016 haben bereits mehr als 140 öffentliche Debatten mit AdR-Mitgliedern in 95 Regionen stattgefunden.

Kohäsionspolitik muss stark bleiben

Der Präsident des AdR stellt zwei Forderungen an den Europäischen Rat: Einerseits die Gewährleistung einer starken Kohäsionspolitik, bei der alle Regionen einbezogen werden, und zweitens die weiterführende Bereitstellung von Mitteln, die mindestens einem Drittel des EU-Haushalts entsprechen, wie es momentan der Fall ist.

„Die Europäerinnen und Europäer brauchen ein robustes Sozialmodell, das alle schützt. Lassen Sie uns niemals vergessen, dass Europa auf dem Versprechen sozialen Fortschritts gegründet ist“, so Lambertz. An die Rede schloss sich eine Debatte mit Donald Tusk an. Tusk teilte ebenso diesen Standpunkt und stellte fest, dass Europas Selbstvertrauen und Wohlstand von der Lebenskraft der Städte, Regionen und Kommunen abhängt.

Gemeinden und Regionen müssen mehr Einfluss nehmen

Der AdR bereitet sich derzeit intensiv auf eine lokale und regionale Vision für die Zukunft der Europäischen Union vor. Es gibt eine europaweite Umfrage mit einer Reihe von Fragen über die Zukunft Europas. So sollen die Standpunkte der Bürger und lokalen Mandatare zusammengetragen werden. Den Link zur Umfrage finden Sie in der Box links. Lambertz konstatiert: „So wie die europäische Ebene die lokale und regionale Ebene beeinflusst, so muss jetzt die lokale und regionale Ebene in vollem Umfang auf die europäische Ebene Einfluss nehmen können.“

Lokale Vision der Zukunft Europas im ersten Halbjahr 2018

Auf dieser Grundlage wird der AdR im ersten Halbjahr 2018 seine Vision der Zukunft Europas aus der lokalen und regionalen Perspektive festlegen. Im ersten Quartal 2019 wird der Ausschuss ein Gipfeltreffen der lokalen und regionalen Entscheidungsträger durchführen.

Ab nun wird der Präsident des AdR jedes Jahr im Oktober auf der Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen seine Rede „Zur Lage der Regionen in der EU“ halten. Damit soll ein Überblick über den aktuellen Stand von Städten und Regionen in der EU gegeben und ein Ausblick auf die wichtigsten Projekte in der Zukunft gelegt werden. Anschließend findet weiterhin eine Debatte im Plenum mit den Mitgliedern des AdR und hochrangigen Vertretern der EU statt.

Was ist der AdR?

Der Europäische Ausschuss der Regionen setzt sich aus 365 Mandatsträgern der lokalen und regionalen Ebene aus allen Mitgliedsstaaten der EU zusammen. Seine Aufgabe ist es, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften Europas im EU-Institutionengefüge zu vertreten. Deshalb ist es wichtig, die Bürger miteinzubeziehen, um deren Wünsche zu berücksichtigen.

Als Vertreter des Österreichischen Gemeindebundes im AdR fungieren Breitenwangs Bürgermeister Hanspeter Wagner und NR Hannes Weninger aus Gießhübl. Kuchls Vizebürgermeisterin Carmen Kiefer ist Ersatzmitglied.

„Ich bin überzeugt, dass, wenn wir uns den Erwartungen der Bürger stellen, die Angst vor Europa der Begeisterung für Europa weichen wird“, so Lambertz. © European Union/Laurie Dieffembacq