Trotz der kühlen Temperaturen Anfang März 2018 ging es in der Gemeinderatssitzung einer Tiroler Gemeinde heiß her. Die Übernahme einer bestimmten Wegfläche als Gemeindestraße war bereits mehrmals Gegenstand einer Gemeinderatssitzung und die bisherigen Beschlüsse dazu waren wegen Verfahrensfehlern aufgehoben worden.
Bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes kam es zu Diskussionen unter den Gemeinderatsmitgliedern, in deren Zusammenhang der Beklagte den Kläger als „Querulanten“ bezeichnete. Dieser, gestützt auf die Ehrenbeleidigungsbestimmung des § 1330 ABGB, begehrte durch seinen Anwalt den Widerruf der getätigten Aussage (Streitwert 8.720 Euro).
Warum scheiterte die Klage?
Während das Erstgericht die umstrittene Aussage als ein keinem Wahrheitsbeweis zugängliches Werturteil, auf dessen Widerruf kein Anspruch besteht, qualifiziert hat, sind das Berufungsgericht und in weiterer Folge der Oberste Gerichtshof (OGH) in seiner Entscheidung vom 25. Mai 2020 zu einer anderen Begründung gekommen – wenngleich das Ergebnis aus Sicht des Klägers nicht weniger unerfreulich war (sein Rekurs wurde abgewiesen und er musste die Kosten der Rekursbeantwortung durch die beklagte Partei übernehmen).
Gescheitert ist die Klage im Wesentlichen daran, dass der Gegenstand der Tagesordnung, im Zuge dessen der Wortwechsel stattfand, die Erlassung einer Verordnung und damit eine Angelegenheit der Hoheitsverwaltung war (es handelte sich um die Übernahme des Wegstückes als Gemeindestraße).
Kein zivilrechtlicher Anspruch, da hoheitliches Handeln eines Organs
Die dem Beklagten vorgeworfene Aussage stand laut Ansicht des OGH in einem engen inneren sowie äußeren Zusammenhang mit dessen Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderates. Die Debatte, in welcher der Beklagte den Kläger als „Querulant“ bezeichnet hatte, diente zweifellos der Vorbereitung der Beschlussfassung des Gemeinderats über die Erlassung dieser Verordnung und war daher dessen Hoheitsbereich zuzuordnen.
Dies wiederum führt zu einem rechtlichen Schauplatzwechsel – und zwar vom ABGB ins Amtshaftungsgesetz (AHG). Die dortige Bestimmung des § 9 Abs 5 AHG bestimmt nun, dass „der Geschädigte […] den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines im § 1 dieses Bundesgesetzes genannten Rechtsträgers in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen“ kann. Der Anspruch hätte daher im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden müssen.
Fazit: Wenn ein enger innerer sowie äußerer Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit des Gemeinderatsmitgliedes besteht, kommt das Amtshaftungsgesetz zur Anwendung. Nach dessen Grundprinzip haftet zunächst nach § 1 Abs. 1 AHG die jeweilige Gebietskörperschaft (im konkreten Fall die Gemeinde) – und nicht der einzelne Organwalter (auch wenn dieser unter bestimmten Voraussetzungen der Gebietskörperschaft gegenüber ersatzpflichtig werden kann – vgl. § 3 AHG).
In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis auf der Homepage des OGH zu verstehen, der zu der zitierten Entscheidung ergänzt, dass allfällige, durch die inkriminierte Äußerung verursachte Schäden durch den Kläger gegen die Gemeinde im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden könnten. Ob sich der Kläger mit diesem Hinweis auf eine gerichtliche Fortsetzung dieser ungewöhnlichen Geschichte einlässt oder nicht, ist der Redaktion (noch) nicht bekannt.