Glaubt man den Medien, so haben wir in Österreich ein rechtes Impfchaos. „Viel zu wenig & viel zu spät“ titelt in der „Kronen Zeitung“ Klaus Woltron. Wieder einmal hat die EU versagt, und das auf Kosten vieler Menschenleben. Die Bürokratie sei schuld. Die falschen Impfstoffe wurden bestellt, zu lange habe die Zulassung gedauert und zu wenig wurde offenbar gezahlt. Die Kritik ist in Deutschland wie in anderen Staaten genauso zu hören. Aber nicht nur die EU ist in der Ziehung. Auch in den einzelnen Staaten wird von Medien und der Opposition Kritik an den jeweiligen Bundesregierungen geäußert. In Deutschland beschwert man sich darüber, dass die Deutschen nicht mehr Impfstoff erhalten würden, wo doch der Impfstoff in Deutschland entwickelt worden sei und produziert werde. Auch die Bundesländer beschweren sich, dass es nicht rasch genug geht.
Das alles hört sich schon ein wenig eigenartig an. Blicken wir nur ein paar Monate zurück. Da wurde von vielen einer Schutzimpfung die Wirksamkeit abgesprochen. Normal würde die Entwicklung eines Impfstoffs doch mindestens zehn Jahre dauern. Wenn das jetzt so schnell gehen solle, könne doch mit dem Impfstoff etwas nicht stimmen. Man müsse genau prüfen und untersuchen, und eine vorschnelle Zulassung ginge auf Kosten der Sicherheit. Gerade der Impfstoff der Firma BioNTech, wie auch jener der Firma Moderna, beruht auf einer anderen Technologie (mRNA-Technologie), der besondere Skepsis entgegengebracht wird.
EU hat sich für gemeinsame Bestellung von Impfstoffen entschieden
Weil viele Pharmaunternehmen an der Entwicklung arbeiten und zum Zeitpunkt der Bestellung nicht klar war, wer zuerst eine Zulassung erhalten würde, hat die EU Bestellungen bei mehreren Unternehmen vorgenommen.
Die EU-Staaten haben sich auch für den Weg entschieden, gemeinsam für alle Staaten der EU zu bestellen und dann eine aliquote Verteilung der Impfdosen auf die Staaten vorzunehmen. Auch die Zulassung wurde einheitlich von der EU-Arzneimittel-Agentur (EMA) für alle EU-Staaten vorgenommen – auf Druck einzelner Staaten dann schneller als ursprünglich geplant.
Dass trotz Zulassung die Produktion nicht von heute auf morgen verhundertfacht werden kann, liegt ja auf der Hand. Das sind sehr komplizierte Vorgänge und neue Produktionsstätten können nicht binnen Wochen aus dem Boden gestampft werden. Es ist ein wenig komplexer als die Maskenproduktion, bei der viele Firmen schnell umsatteln konnten.
Man kann eigentlich von Glück reden, dass die EU so stark auf die Firma BioNTech gesetzt hat. Der Impfstoff der Firma AstraZeneca oder jener des französischen Unternehmens Sanofi warten noch auf ihre Zulassung. Und zu verlangen, dass der russische Impfstoff „Sputnik“ für Österreich angekauft wird, traut sich dann auch wieder keiner. Daher war es wohl der richtige Weg, die Impfstoffe für alle europäischen Länder gemeinsam zu bestellen und nach der Zulassung auf die Staaten zu verteilen.
Vorbild Israel?
Wenn nun vorgehalten wird, dass Israel schneller war, den Impfstoff vor der Zulassung zu einem höheren Preis eingekauft und schon mehr verimpft hat, kann man nur antworteten, dass Israel halt nicht bei der EU ist und im Übrigen die Pandemie auch nicht besser bekämpft hat als viele europäische Staaten.
Verschwiegen wird auch, dass in Israel die Impfdaten sämtlicher Geimpften zu Forschungszwecken an BioNTech geliefert werden. Was unsere Datenschützer dazu sagen würden, liegt auf der Hand.
Der Wettbewerb zwischen den Staaten ist hier nicht zweckmäßig. Wie Österreich da ausgesehen hätte, möchte ich mir nicht vorstellen. Wir erinnern uns doch noch an die Bilder, als Amerikaner auf chinesischen Flugfeldern mit Koffern voller Dollar ganze Flugzeuge beladen mit Schutzausrüstung und Masken umdirigiert haben.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hat die Beschaffung der CoV-Impfstoffe durch die Europäische Union daher zu Recht verteidigt und zusätzliche nationale Lieferabsprachen mit Herstellern kritisiert. Diese wird aber beständig durch die mediale Berichterstattung gefordert.
Impfung für Bürgermeister? Wie man es macht, ist es falsch.
Darüber hinaus ist die Skepsis vieler Bürger gegen das Impfen noch sehr groß. Von den Verschwörungstheoretikern einmal abgesehen, ist die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, überschaubar. Schön langsam sickert zwar ins Bewusstsein, dass nur durch die Impfung die Pandemie bekämpft werden kann und dadurch die Chance besteht, in ein halbwegs normales Leben zurückzukehren, aber noch immer gibt es prominente Gegner. Aufklärung und Vorbilder sind notwendig.
Die einen sagen, die Regierungsmitglieder sollen sich zuerst selbst impfen lassen und nicht die Bürgerinnen und Bürger als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Würden sie es tun, würde man ihnen vorwerfen, sie schauen nur auf sich und nicht auf die Bürger, wie die Diskussion um bei Impfungen vorgezogene Bürgermeister zeigt. Wie man es macht, wäre es falsch.
Dem einen geht es zu langsam, dem anderen zu schnell. In der „Kleinen Zeitung“ vom 13. Jänner wurde berichtet, dass zwar die Impfbereitschaft gestiegen sei, sich aber in den Heimen nur zwei Drittel der Bewohner und ein Drittel der Mitarbeiter impfen lassen wollen. Auch hier wollen viele zuwarten und sich nicht als „Versuchskaninchen“ missbrauchen lassen.
Seitens des Bundes wurden schon vor längerer Zeit eine klare Impfstrategie und ein Impfplan beschlossen. Die Reihenfolge, wer zuerst geimpft wird, wurde festgelegt, genauso wie die Bestellung des Impfstoffs und dessen Verteilung. Zur Koordination mit den Ländern wurden Landeskoordinatoren bestellt, die die länderweise Festlegung und Organisation der Impfung sicherstellen sollten.
Erwartungshaltungen waren falsch
Ursache für den holprigen Start waren und sind falsche Erwartungshaltungen, die von vielen geschürt werden. Die Zulassung des Impfstoffs erfolgte bereits Ende Dezember, aber die quotenweise Verteilung auf die einzelnen Staaten hat gedauert. Nun bekommen wir 12.285 Fläschchen mit ca. 61.000 Impfdosen pro Woche, die von den Bundesländern entsprechend ihrem Schlüssel abgerufen und verimpft werden.
Die Praxis hat gezeigt, dass in den Fläschchen mehr Impfstoff enthalten ist, sodass sich die Impfdosen um 20 Prozent erhöhen. Mit mehr Impfstoff ist erst in den folgenden Monaten zu rechnen, Lieferengpässe sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Diese Umstände kann man nicht ändern. Daher dauert es einfach, bis alle Impfwilligen zu ihrer Impfung kommen. Nicht zu vergessen dabei: Wir brauchen im Abstand von drei bis fünf Wochen eine zweite Impfung – und das muss eingeplant werden.
Impf-Wettbewerb zwischen den Ländern ist nicht zielführend
Dass die Länder nun die Organisation und Verantwortung übernommen haben, ändert an der bisherigen Situation relativ wenig. Die Festlegung wann, wer (entsprechend dem Impfplan) und wo geimpft wird, wäre schon bisher ihre Aufgabe gewesen. Mehr Impfstoff entsteht dadurch nicht.
Auch ein medial geschürter Wettbewerb zwischen den Ländern ist nicht zielführend. Dies führt nur zu unqualifizierter Kritik („Bund mal neun Länder ist gleich Chaos“ titelt der „Standard“). Und auch die Opposition reiht sich in den Reigen der Kritiker ein. Die einen sehen ein „Impfchaos“ und fordern mehr Tempo. Die anderen fragen, warum es in Dänemark schneller geht. Andere sprechen sich hier lieber gleich generell gegen das Impfen aus.
Das alles trägt natürlich zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. Skepsis und mitunter Verzweiflung machen sich breit. Dass das alles nicht dazu beiträgt, die Impfbereitschaft zu erhöhen und Verständnis dafür zu wecken, warum wer zuerst geimpft wird, liegt auf der Hand. Wenn man das als Chaos bezeichnet, kann man sich leicht ausmalen, wer daran die Schuld trägt.