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Wenn Transparenzregeln benachteiligen

11.5.2016 – Kommunale Interessensverbände gelten auf europäischer Ebene als Lobbyisten – die Bundesländer nicht. Eine Konsultation der Kommission gibt allen Gemeinden die einmalige Chance auf diese Benachteiligung aufmerksam zu machen.

Umso vielschichtiger die Prozesse, umso wichtiger ist eine entsprechende Transparenz. Das wissen die europäischen Institutionen nicht erst seit den Forderungen rund um das Freihandelsabkommen TTIP. Seit einem Jahr müssen sich Lobbyisten registrieren, wenn sie Mitglieder der Europäischen Kommission treffen wollen. Das ist gut und macht für den interessierten Bürger deutlich, wer aller auf den Gesetzgebungsprozess einwirkt. Ein Geburtsfehler dieser Datenbank ist aber, dass Regionen damals von der Registrierungspflicht ausgenommen wurden, kommunale Verbände nicht. Dabei sind es gerade die Gemeinden, die letztendlich die viele Richtlinien und Verordnungen umsetzen müssen.

Gemeindebund hat sich nicht als Lobbyist deklariert

Der Österreichische Gemeindebund, der als gesetzlicher Vertreter der Gemeinden sogar in der österreichischen Verfassung verankert ist und im Ausschuss der Regionen Mitglieder als Vertreter der Gemeinden entsendet, hat sich bisher nicht in die Transparenzdatenbank der Kommission eingetragen. Die Leiterin der Brüsseler Zweigstelle des Gemeindebundes, Mag. Daniela Fraiß, erklärt, warum: „Die Teilnahme am Register wäre eine implizite Einverständniserklärung, dass Regionen bedeutsamer sind als Gemeinden, dass Regionalpolitiker ein demokratischeres Mandat ausüben als Kommunalpolitiker.“

Wilde Mischung

9.136 Organisationen haben sich bereits ins Register eingetragen. Die meisten – 4.641 – zählen zur Kategorie der In-House-Lobbyisten, Gewerbe, Wirtschafts- und Berufsverbände, gleich dahinter folgt die Gruppe der Nichtregierungsorganisationen mit 2.313 Einträgen. Zum Vergleich haben sich derzeit „nur“ 428 Organisationen, die lokale, regionale und kommunale Behörden und andere öffentliche oder gemischte Einrichtungen vertreten in das Register eingetragen. Hier findet sich beispielsweise der Deutsche Fußballbund genauso wie die „BioFuel Region“, das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) oder die „Villes des France“ (Städte Frankreichs).

Konsultation: Mitmachen und etwas zum Positiven verändern

Die Kommission hat es bisher verabsäumt, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Gemeinden haben nun im Zuge einer öffentlichen Konsultation, in der die Kommission Standpunkte zur Zweckmäßigkeit und möglichen Weiterentwicklung des aktuellen Transparenzregisters ausloten möchte, die einmalige Gelegenheit mit Nachdruck auf eine Veränderung in diesem Bereich hinzuweisen. Die Konsultation kann sogar auf Deutsch beantwortet werden. Eine Ausfüllhilfe finden Sie links unter Downloads, den Link zur Konsultation unter „Links“. Dass diese Konsultationen durchaus Gewicht im Gesetzgebungsprozess haben, haben wir bei jener zum Thema „Wasser“ gesehen. Gemeinden haben bis Ende Mai die Möglichkeit, sich an dem Konsultationsverfahren zu beteiligen.

Allianz mit Deutschem Städte- und Gemeindebund

Auch die deutschen Städte und Gemeinden fühlen sich durch diese Regeln benachteiligt. Beim gemeinsamen Europatag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Österreichischen Gemeindebundes beschlossen die Vertreter beider Länder, dass sie zwar grundsätzlich das Ziel nach Transparenz unterstützen, aber sowohl Regionen als auch Kommunen Teil des Staatsaufbaus sind und innerstaatlichen Gefüge zentrale Aufgaben erfüllen, weshalb sie hier rechtlich gleichgestellt sein müssen. Eine Unterscheidung zwischen Regionen und Gemeinden widerspreche außerdem dem Vertrag von Lissabon. Die Vertretung durch kommunale Interessenverbände sei außerdem unabdingbar, da einzelne Kommunen kaum in der Lage seien, ihre legitimen Interessen gegenüber der Europäischen Union zu vertreten. (Lesen Sie die gesamte Stuttgarter Deklaration links unter „Downloads“ / Diese Deklaration können Sie auch bei der Konsultation anfügen.)

Politisches Signal des EU-Parlaments in Arbeit

Auch das Europäische Parlament nutzt die Zeit der Konsultation, um ein politisches Signal zur Verbesserung des Transparenzregisters in Richtung Kommission zu schicken. Das europäische Parlament unterliegt den Regeln des aktuellen Transparenzregisters. Dort trifft es aber nur die Beamten, da sich viele Parlamentarier mit dem Verweis auf das freie Mandat nicht unterwerfen wollen.

Zahlreiche Abgeordnete, darunter EVP-Fraktionschef Manfred Weber oder ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas, setzten sich im zuständigen Ausschuss für konstitutionelle Fragen, für eine Ausnahme staatlicher Einrichtungen ein und selbst Berichterstatter Sven Giegold (Fraktion der Grünen) verweist auf den Unterschied zwischen öffentlichen Interessenvertretern und privaten Lobbyisten. Die Abstimmung findet Ende Mai, spätestens Ende Juni statt.

Weninger: „Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten“

Dass das Brüsseler-System transparenter werden muss steht außer Frage. Stellt die Kommission im  EU-Transparenzregister jedoch Kommunalpolitiker und Gemeindevertreter im Gegensatz zu Regionen und Religionsgemeinschaften mit professionellen Lobby- und Industrieverbänden auf eine Stufe, wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. „Demokratisch gewählte Kommunalpolitikern und Verbänden muss das uneingeschränkte Recht der Interessensvertretung eingeräumt werden“, fordert NR Hannes Weninger, Mitglied des Gemeindebundes im Ausschuss der Regionen. Ein Kompromiss könnte die Unterscheidung zwischen gewählten politischen Interessensvertretungen und Verbänden mit wirtschaftlichen Interessen darstellen. „Dafür müssen wir in den nächsten Wochen Überzeugungsarbeit leisten und politische Verbündete in den Mitgliedsstaaten finden.“