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Volksbegehren: Wen kümmern die Gemeinden?

Es ist unbestritten: Volksbegehren gehören neben Volksabstimmungen, Volksbefragungen und natürlich Wahlen zu den wichtigsten Instrumenten der direkten Demokratie und bieten den zum Nationalrat Wahlberechtigten die Möglichkeiten der unmittelbaren Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung. Dass das Jahr 2022 ein „Rekordjahr der Volksbegehren“ wird, zeichnet sich deutlich ab – heuer gibt es bereits doppelt so viele als im vergangenen Jahr. Tatsächlich massiv gestiegen ist die Zahl aber bereits seit 2018.

Großer Aufwand bei der physischen Abwicklung

Die verfassungsrechtliche Grundlage für Volksbegehren findet sich in Art 41 Abs. 2 B-VG. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren für das Volksbegehren wurden durch das Volksbegehrengesetz 2018 getroffen, dort ist auch die elektronische Unterstützung eines Volksbegehrens durch die Stimmberechtigten mittels qualifizierter elektronischer Signatur vorgesehen (§ 5 Abs. 1 Zif. 1 Volksbegehrengesetz 2018). Diese Möglichkeit, sowie weitere Erleichterungen für die Einleitung und die Eintragung (Zulässigkeit der Eintragung auch außerhalb der eigenen Hauptwohnsitzgemeinde), haben – neben dem Thema COVID – zu dem aktuellen Boom maßgeblich beitragen.

Die Schattenseite dieser Entwicklung ist der massiv gestiegene personelle Aufwand in den Gemeinden. Angesichts der seit 2018 bestehenden zusätzlichen technischen Möglichkeiten der Unterstützung, ist die Frage einer Verwaltungsentlastung auf Gemeindeebene in diesem Bereich aktueller denn je.

Oft sitzen vor allem in Gemeinden kleiner oder mittlerer Größe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stundenlang in den Eintragungslokalen, ohne einen einzigen Stimmberechtigten zu Gesicht zu bekommen. Immerhin sind die Eintragungslokale an Werktagen zumindest von 8.00 bis 16.00 Uhr, an zwei Werktagen zusätzlich bis 20.00 Uhr und an Samstagen zumindest von 8.00 bis 12.00 Uhr offenzuhalten. Das Verhältnis zwischen den erforderlichen Über- und Mehrstunden und dem tatsächlichen Interesse der Nutzung dieser Abend- und Samstagsstunden durch die Bevölkerung ist wenig stimmig. Dass in Gemeinden mit weniger als 2.500 Einwohnern an den Samstagen die Eintragungszeit auf zwei aufeinanderfolgende Stunden verkürzt werden kann, ist nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

Hohe Personalbelastung in den Gemeinden

Die dünne Personaldecke in vielen Gemeinden – durch COVID-19 mit all seinen Folgewirkungen zusätzlich belastet – hat nicht nur einmal dazu geführt, dass die Eintragungslokale nur mit Mühe und Not personell besetzt werden konnten. Fälle in denen mangels verfügbarer Mitarbeiterinnen sogar Bürgermeisterinnen und Bürgermeister am Abend und am Wochenende alleine am Gemeindeamt die Stellung hielten, gibt es in fast jedem Bundesland.

Angleichung der Eintragungszeiten an Amtsstunden wünschenswert

Eine Harmonisierung der Eintragungszeiten von Volksbegehren mit den Amtsstunden der Gemeinden bzw. die Streichung der Abends- und Samstagsauflage wäre eine deutliche Entlastung der Gemeindeverwaltungen. Die ergänzend seit 2018 geschaffenen, elektronischen Unterstützungsmöglichkeiten sichern zu dem eine unbürokratische, verwaltungsentlastende „24/7 Möglichkeit“ einer demokratischen Mitbestimmung.

Aber offenkundig gilt auch im Zeitalter der digitalen Möglichkeiten: Wen kümmern die Gemeinden?

Martin Huber

Zum Autor: Dr. Martin Huber ist Gemeinderechts-Experte und Geschäftsführer des Salzburger Gemeindeverbandes.

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