Die neue Salzburger Gemeindeordnung soll ab 1. Jänner 2020 das strafrechtliche Risiko für Kommunalpolitik entschärfen.
Mit 1. Jänner 2020 ist die neue Salzburger Gemeindeordnung (S. GdO 2019) in Kraft getreten. Durch die Novelle sind nicht nur zahlreiche Klarstellungen und Vereinfachungen erfolgt, sondern auch eine Neufassung der Bestimmung über die Verwaltung des Gemeindevermögens (§ 64 S. GdO 2019). Ausgangspunkt waren die Judikatur der Höchstgerichte zum Tatbestand der Untreue (§ 153 StGB) bzw. die mediale Berichterstattung über die hohe strafrechtliche Verantwortung von kommunalpolitischen Mandatarinnen und Mandataren.
Tatbestand der Untreue
Untreue im strafrechtlichen Sinn tritt dann ein, wenn jemand seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt. Ein Missbrauch der Befugnis liegt dann vor, wenn jemand in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögenschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Der Tatbestand der Untreue kann im kommunalen Bereich in der sog. Privatwirtschaftsverwaltung eintreten, Befugnisträger im strafrechtlichen Sinn können die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter sowie Bedienstete, soweit ihnen eine Verfügungsbefugnis über Gemeindevermögen eingeräumt wurde, sein. Bisher bestand für Gemeindeorgane, die bspw. wirtschaftliche Vorteile aus ideellen Gründen ablehnten, ein großes Risiko der strafgerichtlichen Verfolgung, da der OGH bei der Beurteilung des Tatbestandes ausschließlich vermögensrechtliche Argumente gelten lässt und auch bei Gebietskörperschaften keine darüber hinausreichenden (zB am Bürgerwillen orientierten) Gesichtspunkte anerkennt.
Schenkungen müssen nicht zwingend angenommen werden
Dieser Judikatur wurde nun durch eine Neufassung des § 64 S. GdO 2019 begegnet. Den Gemeinden wird die Möglichkeit eingeräumt, Schenkungen oder ähnliche Zuwendungen abzulehnen, ohne sich dem Vorwurf des Befugnismissbrauchs gemäß § 153 StGB auszusetzen. Das allgemeine Sachlichkeitsgebot in der Privatwirtschaftsverwaltung und die in Art 119a Abs 2 B-VG verankerten Gebote der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind damit nicht aufgehoben, die Ablehnung einer begünstigenden Zuwendung bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung, die in außergewöhnlich gelagerten Einzelfällen ein Überwiegen ideeller Werte über vermögensrechtliche Gesichtspunkte aus allgemein nachvollziehbaren Gründen nahelegt. Persönliche Wertungen oder Befindlichkeiten einzelner Gemeindeorgane, subjektive Vorlieben oder Abneigungen und sonstige, nicht am Gemeinwohl orientierte Maßstäbe können hingegen die Ablehnung einer Schenkung nicht rechtfertigen.
Verfügung über Gemeindevermögen
Von noch größerer Bedeutung für die politische Praxis ist die Ergänzung, dass Gemeindeorgane bei Verfügungen über Gemeindevermögen (zB beim Verkauf oder bei der Verpachtung von Liegenschaften) die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auch dann wahren, wenn im Einzelfall nicht die höchstmögliche Gegenleistung erzielt wird, sondern zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen ein geringerer Preis akzeptiert wird. Solche öffentlichen Interessen können etwa im Zusammenhang mit der Errichtung von Infrastruktureinrichtungen (zB Arztpraxen, Apotheken, Nahversorger) oder mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im Gemeindegebiet gesehen werden und es erforderlich machen, dass von der Gemeinde nicht nur ideelle, sondern auch materielle Unterstützung zu leisten ist. Die Anfügung im § 64 Abs 5 S. GdO bringt die deutliche Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, solche Verfügungen über Gemeindevermögen zu ermöglichen, ohne die Gemeindeorgane der Gefahr eines strafbaren Verhaltens auszusetzen.
Gleichzeitig wurde der Satz gestrichen, demzufolge aus dem ertragsfähigen Gemeindevermögen ohne Beeinträchtigung des Stammes der größtmögliche Ertrag zu erzielen ist, weil dies bei Verpachtungen angesichts der Berücksichtigung der angesprochenen öffentlichen Interessen nicht immer der Fall sein muss. In den Erläuterungen zum neuen Gesetzestext wird mit umfangreichen Literaturverweisen klargestellt, dass mit der neuen Rechtslage kein Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Effizienzkriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bewirkt wird, da diese Prinzipien hinsichtlich der Gebarung durch Gebietskörperschaften nicht nur auf Gewinnmaximierung, sondern auf die Berücksichtigung aller von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen abzielen.
Strafrechtliches Risiko wird gesenkt
Der Salzburger Landesgesetzgeber hat mit dieser – auch für andere Bundesländer beispielgebende – Bestimmung bewusst Neuland mit dem Ziel betreten, den politischen Handlungsfreiraum in der Kommunalpolitik zu erweitern und das strafrechtliche Risiko der Organwalter bei vermögenswirksamen Entscheidungen wesentlich zu senken – dies immer vorausgesetzt, dass sich die Entscheidungen der Gemeindeorgane am öffentlichen Interesse bzw. Gemeinwohl orientieren. Ob sich die neue Bestimmung bewährt oder nicht, wird die Judikatur der kommenden Jahre zeigen; jedenfalls ist der Gesetzgeber in Salzburg in der für die gesamte österreichische Kommunalpolitik so wichtigen Frage der verbesserten rechtlichen Absicherung von Mandatarinnen und Mandataren vom Reden in’s Tun gekommen und dies ist definitiv zu begrüßen.