1.12.2016 – Schwere Mängel stellte der OÖ Landesrechnungshof bei der Prüfung der Gemeinde St. Wolfgang fest: Bei fast 1.000 Bauverfahren wurden Mängel festgestellt. Der Gemeinde ist dadurch großer Schaden entstanden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Bürgermeister und zwei Mitarbeiter.
Böses Erwachen im malerischen St. Wolfgang: Nachdem im März 2016 erste Mängel in der Bauverwaltung publik wurden, stellte nun der oberösterreichische Landesrechnungshof bei einer Prüfung fest, dass die Mängel schlimmer sind als erwartet. Der neue Bürgermeister Franz Eisl hat sich gemeinsam mit seiner Amtsleiterin seither um die Aufarbeitung der Akten bemüht. Eine von der Marktgemeinde erstellte Mängelliste bildet 974 Akten aus den letzten 20 Jahren ab, in denen das eine oder andere schief gelaufen ist. „Unsere Detailprüfung hat gezeigt, dass es mehr mangelhafte Akten gibt, als in der Mängelliste aufscheinen“, so das ernüchternde Urteil von LRH-Direktor Dr. Friedrich Pammer.
Außerdem hat der LRH festgestellt, dass in zahlreichen Fällen die Baubewilligungen fehlen, obwohl die Gebäude längst errichtet sind und genutzt werden. Meist fehlt die Baufertigstellungsanzeige. „Hier hätte die Gemeinde die Nutzung untersagen oder die Vorlage einer Baufertigstellungsanzeige einfordern müssen“, stellt Pammer fest.
Selbst Rathaus ist „Schwarzbau“
Selbst bei eigenen Bauvorhaben wurden die Gesetze nicht eingehalten. So ergab die Prüfung, dass von 2007 bis 2009 die gemeindeeigene Kommanditgesellschaft knapp fünf Millionen Euro in den Umbau des Amtshauses inkl. Ortsplatzgestaltung sowie die Volksschulsanierung mit Horterweiterung investiert hat, es aber für beide Vorhaben keine Baubewilligung gibt. Der Umbau des Amtshauses erfolgte zudem ohne aufsichtsbehördliche Finanzierungsgenehmigung. „Dies widerspricht nicht nur den gesetzlichen Bestimmungen, dazu kommt, dass ein großer Teil an Landeszuschüssen und Bedarfszuweisungsmitteln aufgrund jahrelang nicht erstellter Abrechnungsunterlagen erst Mitte 2015 eingelangt ist“, stellt Pammer fest.
Finanzieller Schaden entstanden
Bei zeitlich korrekter Abwicklung der Bauprojekte hätte sich St. Wolfgang mindestens 100.000 Euro an Zinsen sparen können. Eine Detailprüfung bei 57 Bauakten hat ergeben, dass aufgrund der fehlenden Baufertigstellungsanzeige auch keine Gebührenvorschreibungen getätigt wurden. Alleine aus den vom LRH im Detail geprüften Akten entstand der Gemeinde ein Schaden von 33.600 Euro aus Anschlussgebühren für Wasser, Kanal und Verkehrsflächen. Manche dieser Forderungen sind bereits verjährt. Eine genaue Schätzung des Gesamtschadens lässt sich daraus nicht ableiten, erklärt Pammer: „Aus unserer Stichprobe lässt sich keine Hochrechnung anstellen, der Gesamtschaden wird aber um ein Vielfaches höher sein.“ Dass für Grundstücke, die seit 2006 umgewidmet wurden, bis zur Prüfung keine Vorschreibung von Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträgen vorgenommen wurde, wird vom LRH besonders kritisch gesehen. „Dadurch entstand ein beträchtlicher finanzieller Schaden – 137.300 Euro bis Ende 2015“, so Pammer.
Versagen vieler Ebenen
Obwohl der LRH dem Sachbearbeiter zeitliche und fachliche Überforderung attestiert, haben viele Ebenen dazu beigetragen, dass sich diese Masse an Mängeln in den Akten zusammensammeln konnten. Primäre Nichtreaktion ortet Pammer auch bei Bürgermeister und Amtsleiter. Auch der Kontrollausschuss habe die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich seiner Prüfungspflichten jahrelang missachtet. Zwischen 2013 und 2015 hätten 15 Prüfungsausschusssitzungen stattfinden müssen, abgehalten wurden laut LRH nur drei. Hinsichtlich der Rolle des Landes machte der LRH darauf aufmerksam, dass sein Prüfauftrag nur die Gemeinde, nicht aber das Land Oberösterreich betraf.
Haushalt konsolidieren und Altlasten abbauen
Der neue Bürgermeister hat in dem Prüfbericht eine lange Liste an Aufgaben erhalten. Mit externer Hilfe wird derzeit schon intensiv an der Aufarbeitung der Altfälle gearbeitet. Obwohl der ordentliche Haushalt der bekannten Tourismusgemeinde ausgeglichen ist, wird der hohe Finanzbedarf im außerordentlichen Haushalt als problematisch angesehen. Gleichzeitig muss die Gemeindeverwaltung in einem langfristigen Prozess modernisiert werden.
Bundesländergrenzen verschieben?
Interessant ist auch die letzte Anregung im Prüfbericht des LRH: Da St. Wolfgang aus infrastruktureller Sicht die Ortschaft Ried fast zur Gänze (unter anderem Feuerwehr, Kinderbetreuung, Schulen) versorgt, regt der LRH an, beide Orte miteinander zu fusionieren. Der einzige Haken an der Sache: Ried gehört zur Marktgemeinde St. Gilgen, das bekanntlich zu Salzburg gehört, liegt aber geografisch unmittelbar neben dem Ortszentrum von St. Wolfgang und ist auf dem Straßenweg 19 km vom Ortszentrum St. Gilgen entfernt.
Daher empfiehlt der LRH: St. Wolfgang sollte versuchen, dass die umfangreichen Leistungen der Marktgemeinde für die Ortschaft Ried auch finanziell abgegolten werden. Aus geografischer, verwaltungsökonomischer und auch aus gesellschaftlicher Sicht wäre überhaupt, wenn die betroffene Bevölkerung dem positiv gegenübersteht, ein Zusammenschluss von Ried mit St. Wolfgang anzustreben. Da dies die Veränderung von Grenzen der Bundesländer erfordern würde, wären umfangreiche legistische Maßnahmen erforderlich.