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KSG-Forum 2: Modellregionen bis Marktöffnung: Neue Chancen für krisenfeste Infrastruktur

Sichern wir die Daseinsvorsorge der nächsten Generationen! Unter diesem Motto wurde beim Forum 2 der Kommunalen Sommergespräche 2020 angeregt über krisensichere Investitionen und zukunftsweisende Infrastruktur debattiert. Die Corona-Krise hat zu raschem Handeln geführt, aber auch den Weg für die Zukunft gewiesen.

Einer, der von vielen Soforthilfen für die kommunale Wirtschaft in der Corona-Krise berichten kann, ist Andreas Kirisits von ecoplus, Niederösterreichs Wirtschaftsagentur. So hat das Land etwa die Nahversorgung in Gemeinden gestützt: „Händler, die während des Lockdowns das Geschäft zusperren mussten, haben nicht die Kraft internationaler Konzerne wie Amazon,“ gibt Kirisits zu bedenken. Für sie bot die Landesregierung eine Online-Plattform, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben. Gleichzeitig wurden Leerstände genutzt, um regionale Produkte zu vertreiben. Eine Pandemie ist aber bei weitem nicht die einzige Krise, für die sich Gemeinden rüsten müssen.

Johannes Pressl, Bürgermeister von Ardagger im Mostviertel (NÖ) und Vizepräsident des Niederösterreichischen Gemeindebunds, bereitet etwa die zunehmende Trockenheit im Sommer Sorge. Viele Gemeinden müssen laufend in ihre Wasserversorg investieren. Wer an Infrastruktur von morgen denkt, darf nicht vergessen, bestehende Systeme zu erneuern. Gleichzeitig muss man neuen Entwicklungen gegenüber offen sein. Die Gemeinde Ardagger verlegt daher seit sieben Jahren leere Rohre. „Die Zukunft war nicht greifbar, wir haben einfach verlegt“, erinnert sich Pressl.

Seit zwei Jahren nimmt die Zahl der Glasfaseranschlüsse in der Gemeinde auch dank Förderprojekten rasch zu. „Jetzt sind wir uns sicher, es wird sich rechnen. Manchmal muss man eben ins kalte Wasser springen“, rät der Bürgermeister seinen Kollegen. Gemeinden hätten die Verantwortung vorzusorgen, wo es noch nicht politisch en vogue sei, sagt Pressl.

Modellregionen zeigen es vor

Für Kurt Leeb, Geschäftsführer der eww Anlagentechnik GmbH, besteht Krisensicherheit aus zwei Aspekten: Erstens, Infrastruktur sollte unabhängig sein. Und zweitens muss alles stabil und reibungslos laufen. Im Energiebereich ist Österreich auf gutem Wege, aber noch nicht am Ziel. Leeb ist aber sicher: „Wir schaffen das.“ Obwohl etwa bei Solarstrom die sechsfache Leistung in weniger als einem Jahrzehnt dazu kommen soll, stehen die Chancen gut. Denn die Rahmenbedingungen seien dank Förderungen und technologischen Fortschritts so gut, dass der Markt eine Lösung finden wird, ist Leeb sicher.

Allerdings arbeiten einzelne Energiebranchen derzeit nach dem Motto:“Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Das greife zu kurz, sagt Leeb. Bei Themen wie Netzausbau müssen alle an einem Strang ziehen.

Digitalisierung der Energiewirtschaft

Dass in der Energiewirtschaft demnächst alle an einem Strang ziehen, führt André Felker, CEO von backbone.one, noch einen Schritt weiter: Sogar Stromverbraucher werden künftig als Händler und viele sogar als Produzenten am Markt auftreten. Sein Unternehmen will für die kommende Disruption des Energiemarkts die passende Software liefern.

Im kommenden Jahr gelten EU-Regeln, die den Energiemarkt für alle öffnen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Ein konkretes Beispiel: Die für krisensichere Netze so wichtigen Stromspeicher könnten bald schon in jeder beliebigen Garage stehen. Ein E-Auto bringt seinen Besitzer nicht nur ökologischer ans Ziel, sondern kann Strom aus dem Netz zwischenspeichern und auch wieder zurückführen, wenn keine Fahrt ansteht. „Die Corona-Zeit hat den Wunsch der Menschen verstärkt, nicht abhängig sein zu wollen“, betont Felker. Unabhängigkeit bei der Energieversorgung komme diesem Drang in einem wichtigen Lebensbereich, der Daseinsvororge der nächsten Generationen, entgegen. Wie bei allen Innovationen, werden manche Regionen den Weg ebnen.

Sommersonne für den Winter gespeichert

Jeder vierte Österreicher wohnt bereits in einer von 96 Klima-Modellregionen, 841 Gemeinden sind daran beteiligt, berichtet Ingmar Höbarth, Leiter des Klima- und Energiefonds. Diese Kommunen versuchen verstärkt, Ressourcen einzusparen und einen lokalen Beitrag zur Energiewende zu liefern. Der Klimafonds bietet ihnen die passenden finanziellen Förderungen und steht als Ansprechpartner zur Verfügung.

Dass die Energiewende auch neue Risiken für die bestehende Infrastruktur birgt, wurde im Verlauf der Kommunalen Sommergespräche mehrmals thematisiert. Während Strom aus Wasser, Sonne und Wind zwar unabhängiger von Öl- und Gasimporten macht, sind bestehende Netze mitunter stärker strapaziert, je mehr Ökostrom angeschlossen wird. Die Antwort ist aber nicht darauf beschränkt, immer mehr Leitungen durch das Land zu ziehen.

Die Stunde der Stromspeicher hat geschlagen, ist Höbarth sicher: „Seit einem Jahr ist die Technologie reif genug damit wir Fördermittel zur Verfügung stellen.“ In der Nähe von Graz entsteht womöglich Europas größter thermischer Solarenergiespeicher, der die Wärme aus dem Sommer über das ganze Winterhalbjahr abgeben kann. Zusätzlich zu normalen Speichern führte der Klimafonds Sonderförderung für krisensichere Infrastruktur ein. „Wir waren sehr überrascht, im Vorjahr gab es einen Run auf dieses Programm“, sagt Höbarth. Sei es für die Feuerwehr, das Krankenhaus oder die Wasserversorgung, viele Gemeinden schützen sich damit vor einem Blackout – das Programm läuft noch.

Nachhaltig finanzieren

Der Staat muss finanziell einiges schultern, wenn es um sichere Daseinsvorsorge geht. Dabei stieg der öffentliche Schuldenberg, den die nächsten Generationen abtragen müssen, in der Corona-Krise besonders stark an. Private Anleger könnten daher in die Bresche springen. Aber ist krisensichere Infrastruktur überhaupt attraktiv für Investoren?

Ja, sagt Leopold Reymaier, zuständig für den österreichischen Markt bei der Kommunalkredit. Im Unterschied zu früher sei Geld für Infrastrukturausbau im Markt vorhanden. Projekte müssen Investoren ansprechen. Erst ab einer gewissen Größe wird es für Private interessant. Wirtschaftlichkeit ist ebenfalls eine logische Voraussetzung, um Anleger ins Boot zu holen. Außerdem müssen Projekte möglichst transparent ausgeschrieben werden, dann lassen sich sogar internationale Investoren motivieren, Österreich krisenfester zu machen.

Leopold Stefan

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