30.6.2017 – Vor mehr als 2.300 Gemeindevertreter/innen richtete der neue Chef des Gemeindebundes, Bgm. Alfred Riedl, heute einige eindringliche Forderungen an die Bundespolitik und eine künftige neue Bundesregierung: „Zum einen sind wir natürlich besorgt darüber, dass kurz vor der Wahl allerlei Beschlüsse und Vorhaben auf den Weg gebracht werden, die viel Geld kosten und die öffentlichen Haushalte – darunter auch die Gemeinden – stark belasten werden“, so Riedl. „Zum anderen haben wir in den Kommunen Reformvorschläge, von denen wir erwarten, dass die nächste Bundesregierung sich darum kümmert.“
Die letzten Tage“, so Riedl, „erinnern mich an die Nacht des großen Füllhorns im Jahr 2008, als im Spiel der freien Kräfte im Parlament Dinge beschlossen wurden, die mehr als vier Milliarden Euro gekostet haben.“ Der Gemeindebund werde sehr genau darauf achten, dass es in den nächsten Monaten nicht zu Mehrbelastungen für die Gemeinden komme. „Wir haben im Finanzausgleich einiges erreicht, u.a. einen Struktursfonds für schwache Gemeinden. Wir können uns das nun nicht kaputt machen lassen dadurch, dass auf Bundesebene hemmungslos Geld ausgegeben wird, das Länder und Gemeinden aufzubringen haben.“
Scharfe Kritik übte der neue Gemeindebund-Chef an der überbordenden Bürokratie. „Wir sind tagtäglich mit neuen Vorschriften und Gesetzen konfrontiert“, so Riedl. „Unser Aufwand zur Bewältigung von komplexen bürokratischen Vorschriften steigt jeden Tag. Wir müssen Aufgaben- und Ausgabenverantwortung wieder in eine Hand bringen.“ Die Schulverwaltung sei dafür ein gutes bzw. schlechtes Beispiel. „Anstatt die Bürokratie zurückzudrängen und damit die Ursache zu bekämpfen sollen wir Gemeinden nun den Schulen zusätzliches Verwaltungspersonal zur Verfügung stellen, damit die Symptome bekämpft werden können.“
Österreich brauche, so Riedl, dringend eine Staatsreform, um den gordischen Knoten an Zuständigkeiten zu zerschlagen. „Es ist schade, dass im Österreich-Konvent, wo es über viele wichtige Dinge Konsens gab, am Ende nichts umgesetzt wurde, weil man an den letzten zehn Prozent gescheitert ist“, so Riedl. „Ich appelliere hier und heute an den Herrn Bundespräsidenten, an Minister Sebastian Kurz und an die gesamte Bundesregierung: Lassen Sie uns diese Reform endlich angehen, die Zeit ist reif!“
Ein wesentlicher Teil einer Reform, sagt Riedl, könnte auch die direkte Vertragsfähigkeit für die Gemeinden mit dem Bund und den Ländern sein. „Wir verlieren oft viel Zeit und Kraft, weil alles über 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gelöst werden muss, obwohl es eigentlich die Gemeinden betrifft. Es wäre gescheiter, wenn man hier direkte Verträge mit den Gemeinden, respektive den kommunalen Interessensvertretungen, schließt. Das funktioniert ja beim Finanzausgleich genauso.“
In weiterer Folge sprach Riedl einige konkrete Forderungen der Gemeinden an. Eine Wahlrechtsreform mit Verbesserung der Briefwahl und Auszählung aller Stimmen in der Gemeinden ist eine davon. „Was wir mit Sicherheit nicht brauchen, das ist ein zweiter bundesweiter Wahltag“, so Riedl. Auch den Masterplan für den ländlichen Raum fordert der Gemeindebund ein. „Früher hatten wir einen Grundkonsens darüber, dass es ein Mindestmaß an Infrastruktur für alle Menschen in diesem Land geben muss. Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Straßennetz und der Zugang zu Bildung. Darum hat man sich bemüht, um allen Menschen einigermaßen gleichwertige Lebensbedingungen bieten zu können. Dieses Bekenntnis brauchen wir jetzt umso mehr, wir können und dürfen nicht alles zusperren in den ländlichen Räumen, nur weil sich jeder die Rosinen in der Infrastruktur herauspicken will.“
Die Gemeinden, so Riedl, seien die Orte der kommunalen Nahversorgung. „Es geht hier um viele Formen der Grundversorgung“, so Riedl. „Wir können nicht überall einspringen, wo die Systeme versagen. Wir können dauerhaft nicht mitzahlen, wenn wir Hausärzte haben wollen, wir können auch nicht an den Bankomaten mitzahlen, weil wir sonst keine mehr bekommen. Wir sind auch nicht dafür da, um Greißler, Wirtshäuser oder Postpartner zu führen. Es ist ein eklatantes Systemversagen, dass wir überhaupt in dieses Dilemma kommen. Wir brauchen hier auch eine Solidarität der Wirtschaft mit dem ländlichen Raum. Es kann nicht sein, dass Unternehmen und Konzerne ihre Gewinne privatisieren und die Verluste sozialisieren wollen.“
Die Gemeinden“, so Riedl, „sind die mit Abstand bürgernächsten Einheiten. Wir wissen, wo die Menschen Sorgen und Anliegen haben, wir können auch vieles leisten. Aber wir können nicht für alles die Ausfallshaftung übernehmen. Und wir erwarten uns, dass die Bürgermeister/innen nicht nur in Sonntagsreden gelobt werden, sondern auch, dass man uns anhört und einbezieht, wenn es um neue bundespolitische Vorhaben geht.“
Ich danke Ihnen, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, sehr herzlich für Eure Arbeit. Ihr seid die, die jeden Tag dafür sorgen, dass kommunale Dienstleistungen und Angebote in unseren Gemeinden funktionieren. Ich weiß, dass das nicht immer leicht ist, aber die Menschen wissen das sehr zu schätzen“, so Riedl abschließend.