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Karlopolis: Wie Karlstetten zur Metropole wurde

6.6.2016 – Die Marktgemeinde in Niederösterreich verwandelte sich im Rahmen eines Projektes der Künstler Gegenbauer und donhofer. zu einer Großstadt. Performances und Interaktionsmöglichkeiten luden ein Wochenende lang zum kritischen Nachdenken ein. Am Ende waren auch anfängliche Kritiker des Projektes überzeugt.

Willkommen in Karlopolis! Nur wenige Kilometer von St. Pölten entfernt entstand zwischen 26. und 29. Mai 2016 eine Millionenmetropole. Im Rahmen des Viertelfestivals Niederösterreich setzten die Aktionskünstler Christina Gegenbauer und donhofer. ihr Projekt „Karlopolis – Utopie einer Großstadt“ um. Verschiedenste Installationen und Interaktionsmöglichkeiten veranschaulichten Großstadtszenen im öffentlichen Raum von Karlstetten. Eine zentrale Frage, die sich Besucher und die 2.100 Einwohner des Ortes stellten konnten, lautete, in welcher Gesellschaft wir leben (werden). Denn in Zukunft könnten immer mehr Menschen in Städten wohnen, als am Land. Trotz anfänglicher Skepsis von Seiten einiger Bürger, erhielten die Künstler für ihr Projekt letzlich positives Feedback.

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(Bild: Ina Aydogan)
Bürgermeister Anton Fischer, Landtagsabgeordnete Bettina Rausch, Viertelfestival-Leiter Stephan Gartner, die Künstler Christina Gegenbauer und donhofer. sowie Bezirkshauptmann Josef Kronister waren vor Ort.

Förderungen durch Viertelfestival NÖ

Ziel des Kunstprojektes war es Impulse zu setzen und die Menschen über Phänomene wie Urbanisierung, Multikulturalität, Anonymität, Konsumgesellschaft und Verkehrsinfrastruktur nachdenken zu lassen. Die ersten Projektskizzen gab es bereits vor zwei Jahren, die Umsetzung erfolgte dann im Zuge des Viertelfestivals 2016. „Wir haben Förderungen vom Viertelfestival bekommen, aber hatten auch einige Sponsoren an Bord“, erklärt donhofer. Die Gemeinde Karlstetten, die das Projekt mit rund 2.000 Euro subventionierte, brachte die besten Voraussetzungen mit sich. Denn die Landwirtschaft von donhofer.s Familie im Ort wurde gleich als Werk- und Lagerstätte für die Vorbereitungen genutzt.

Die Idee für die Kunstaktion entwickelten Gegenbauer und donhofer. gemeinsam. „Wir haben uns schon lange für das Spannungsverhältnis Stadt und Land interessiert. Wir kennen beide das Land- und Stadtleben und da entstand bald die Frage, in welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, erklärt donhofer. Den Bürgern der Gesunden Gemeinde Karlstetten wurde das Projekt beim örtlichen Neujahrsempfang im Jänner 2016 vorgestellt. Bürgermeister Mag. Anton Fischer bekam zunächst reichlich Gegenwind: „Ich habe mir einiges anhören können. Es war eben kontrovers. Einige mochten es nicht, andere meinten, es wäre Abwechslung zu den üblichen Ortsfesten.“ In den folgenden Monaten entstand viel Mundpropaganda, denn keiner wusste, was wirklich auf den Ort zu kam.

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(Bild: Ina Aydogan)
Auf die Pfarrkirche des Ortes, die im Rahmen des Projektes als Dom bezeichnet wurde, ließen die Aktionskünstler verfremdete Markenlogos und -namen wie „Reibeisen“, „Blödmann“ oder „Quargel“ projizieren.

Alles da, nur kein Ufo-Landeplatz

Zu den kunstvoll kreierten Installationen des Projektes gehörte zum Beispiel eine U-Bahnstation – eine umfunktionierte Busstation, bei der lebensgroße Puppen mit unkenntlich gemachten Gesichtern und diversen Hautfarben an Anonymität und ethnische Vielfalt erinnern sollten. Es gab auch eine 140 Meter lange Graffiti-Wand zum Besprühen, internationale Küche statt Wiener Schnitzel und eine Telefonzelle, in der mittels Soundinstallation die Geräuschkulisse einer Großstadt wiedergegeben wurde. Auch Bettler, ein Speakers-Corner im Park und auf den „Dom“ projizierte Markennamen, die selbstverständlich verfremdet wurden und „Konsum als Religion“ thematisierten, waren Teil von Karlopolis. Das religiöse Gebäude ist übrigens die Pfarre von Karlstetten, die im Zuge des Projektes zur Domkirche erhoben wurde. Unterdessen fanden die Besucher im „ehemaligen“ Gemeindeamt das Freudenhaus „Amore“ vor, in der auch eine Drogenberatungsstelle eingerichtet war.

Auf dem Sportplatz lag eine 150 Quadratmeter große Luftaufnahme vom „einstigen“ Karlstetten auf. Daneben gab es Modelle von kleinen Häusern bis zu Wolkenkratzern, mit denen die Menschen ihre Traumstadt errichteten. „Vor Ort gab es auch Experten, die die Besucher über Raumplanung berieten. So begann jeder nachzudenken – was fehlt in der Stadt, was hätten wir noch gerne“, sagt donhofer. Neben Kaufhäusern und Banken wollten Besucher vor allem Unterhaltungseinrichtungen in der Zukunftsstadt, aber auch die Wünsche nach einem Ufo-Landeplatz, einem Hotel-Mama und einem Disko-Kino waren vorhanden.

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(Bild: Ina Aydogan)
Vor dem Hintergrund der Kirche warten Puppen mit anonymen Gesichtern auf die „U-Bahn“ von Karlopolis.

Gemeinde behält sich Open-Air Kino

Die entscheidenden Impulse für die Entwicklung kleinerer Gemeinden kommen laut donhofer. von den Bürgern selbst. „In der Gesellschaft steckt viel Potential, die Menschen machen eine Stadt letztlich aus. Vor allem, wenn man denkt, was in den letzten Tagen alles möglich war“, meint donhofer. Viele Vereine, etwa die freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und die Neue Mittelschule, beteiligten sich am Projekt. Bei der Eröffnungsrede bedankten sich die Künstler bei allen, auch den Gegnern des Projektes. „Das Projekt hat stark polarisiert. Doch beide Seiten haben zum Erfolg beigetragen“, sagt donhofer.

Nach den vier Tagen gab es allerdings nur positives Feedback von Besuchern und Bürgern. Die Gemeinde möchte einiges beibehalten, etwa ein jährlich veranstaltetes Open-Air-Kino oder die speziell kreierten Großstadt-Burger des Gasthofes „Sveti“. Nur die tägliche Rush-Hour, die von Kindern und ihren Bobbycars auf der Straße veranstaltet wurde, wird keiner vermissen. „Diese Verkehrsbehinderung war wohl der größte Eingriff in den sonst geregelten Alltag“, meint Fischer. „Es war ein Wagnis mit unbekannten Ausgang. Aber viele kamen im Nachhinein zu mir und freuten sich, dass ich nicht nachgegeben habe“, sagt der Bürgermeister.

In den letzten Jahren gab es zwar einen stetigen Zuwachs an Bürgern in Karlstetten, doch vorerst bleibt die Großstadt „Karlopolis“ eine Erinnerung. Auf die Frage, ob donhofer. lieber in einer Großstadt oder am Land wohnt, meint der Künstler schmunzelnd: „Ich bin gerne auf der Welt.“

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(Bild: Ina Aydogan)
Die am Boden ausgebreitete Luftaufnahme Karlstettens bot Platz, um sich eine Traumstadt zu erbauen. MIt seiner Kollegin Gegenbauer liefert sich donhofer. als Godzilla einen Kampf zwischen Hochhäusern.

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(Bild: Ina Aydogan)
Mit ihren Bobbycars produzierten die Kinder einen echten Verkehrsstau am Nachmittag – und zwar täglich.
Natürlich erhielt Karlopolis für das viertägige Kunstprojekt auch ein eigenes Ortsschild. (Bild: Ina Aydogan)