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Integrationsjahr soll Gemeinden nicht belasten

9.2.2017 – Auf die Gemeinden kommen mit dem Integrationspaket keine neuen Verpflichtungen zu. Die Hauptlast wird beim Integrationsjahr – so sehen es die Regierungspläne vor – bei den Zivildienstträgern und dem Arbeitsmarktservice liegen.

Die erste Maßnahme, die nach Bekanntgabe des neuen Regierungsprogramms tatsächlich in die Begutachtung ging, ist das große Integrationspaket. Integrationsgesetz, Ausländerbeschäftigungsgesetz und Arbeitsmarktintegrationsgesetz enthalten kaum direkte Änderungen für die Gemeinden. Die Gesetze dienen eher generellen Klarstellungen der Zuständigkeit und Maßnahmen zur besseren Integration in den Arbeitsmarkt.

Erste Definition: Was wir von Zugewanderten erwarten

Das „Bundesgesetz zur Integration von rechtmäßig in Österreich aufhältigen Personen ohne Staatsbürgerschaft“ (kurz: Integrationsgesetz) macht deutlich: Wer in Österreich dauerhaft bleiben will, wird gefordert und gefördert. Klargestellt wird aber auch, dass dies ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, für dessen Gelingen der aktive Beitrag jeder einzelnen Person in Österreich wichtig ist.

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© Dragan Tatic/BMEIA
An vielen Stellen bekommt man auch den Eindruck, dass das Gesetz die Zuständigkeiten regelt und das gemeinsame Bewusstsein für die große Bedeutung des Themas schärft. © Dragan Tatic/BMEIA

Verpflichtendes Integrationsjahr

Die bundesstaatlichen Integrationsmaßnahmen beginnen schon für manche im Asylwerberstatus. Asylwerber/innen, bei denen die Zuerkennung des internationalen Schutzes wahrscheinlich ist, sowie Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte können für das verpflichtende Integrationsjahr herangezogen werden. In einem Zeitraum von mindestens einem Jahr erhalten die beiden Zielgruppen modular aufgebaute arbeitsmarktpolitische Förderungsmaßnahmen, die im Regelfall mit einem Bewerbungstraining abschließen. Die Förderungsmaßnahmen umfassen ein

  • Kompetenzclearing,
  • Deutschkurse ab Niveau A2,
  • Abklärung und Unterstützung bei der Anerkennung von Qualifikationen und Zeugnissen,
  • Werte- und Orientierungskurse,
  • Berufsorientierungs- und Bewerbungstraining,
  • Arbeitsvorbereitungsmaßnahmen,
  • Arbeitstrainings, die von den Trägern des Zivildienstes bereitgestellt werden sollen, und
  • sonstige Qualifizierungsmaßnahmen.

Weisen Personen entsprechende Vorkenntnisse oder Erfahrungen auf, so werden die Maßnahmen im Sinne der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit adaptiert. Alle Maßnahmen werden im Integrationspass festgehalten. Für die Durchführung ist grundsätzlich das Arbeitsmarktservice (AMS) zuständig. Den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass Personen die bereits während des Asylverfahrens mit dem Integrationsjahr starten, dieses mit Erlangung eines Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter ohne Unterbrechung fortsetzen.

Der Gesetzgeber stellt auch klar, dass sich das Integrationsjahr von der freiwilligen gemeinnützigen Tätigkeit, die beispielsweise von Bund, Ländern und Gemeinden angeboten wird, unterscheidet: Die  gemeinnützige Tätigkeit, die ein Asylwerber bei Bund, Land und Gemeinden im Rahmen der Grundversorgung mit ihrem Einverständnis aufnimmt, kann auch in reinen Hilfstätigkeiten bestehen. Im Integrationsjahr hingegen steht der Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten durch ein Arbeitsmarkttraining im gemeinnützigen Bereich für eine nachfolgende Beschäftigung am regulären Arbeitsmarkt im Vordergrund. Die Kosten für diese Maßnahme werden auf 100 Millionen Euro pro Jahr begrenzt. Das Gesetz soll mit 1. September 2017 in Kraft treten.

Arbeitsmarktöffnung für Tätigkeiten in Privathaushalten

Per Verordnung durch den Bundesminister für Arbeit, Sozial und Konsumentenschutz dürfen Asylwerber, die seit mindestens drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen sind, künftig per Dienstleistungscheck auch für haushaltstypische Dienstleistungen in Privathaushalten beschäftigt werden. Weiterhin erlaubt ist auch die gemeinnützige Beschäftigung bei Bund, Ländern und Gemeinden. Eine nähere Definition oder Klarstellungen zu Versicherungsfragen der Gemeinden bei der gemeinnützigen Beschäftigung werden nicht getroffen.

Verpflichtende Deutsch- und Wertkurse

Um Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ab dem vollendeten 15. Lebensjahr den Start in Österreich zu erleichtern, müssen Kurse besucht werden, in denen das Sprachniveau A2 erreicht werden soll und die wichtigsten Werte für ein friedliches Zusammenleben vermittelt werden sollen. Bei den Kursen wurde das Ziel der Regierung, die Zuständigkeiten aus Sicht der Betroffenen klar zu regeln, schonmal nicht erreicht: Während für die Deutschkurse für das Sprachniveau A1 in der Abwicklung der Österreichische Integrationsfonds verantwortlich ist, muss sich das AMS um den aufbauenden A2-Kurs kümmern. Ähnlich ist es bei den Werte- und Orientierungskursen: Auch hier teilen sich die Maßnahmen beide Institutionen auf. Ziel ist, die vom ÖIF geförderten Kurse von 19.000 (2016) bis 2021 auf ca. 108.000 Kursplätze aufzustocken.

Wer an den Deutsch- und Wertekursen nicht teilnimmt, muss mit Sanktionen rechnen. Die Sanktionen werden aber nicht bundesweit einheitlich sein, sondern im Ermessen der Bundesländer im Rahmen der Mindestsicherung erfolgen.

Sprachkurslücke zwischen Deutschkursen und Integrationsjahr

Unlogisch ist auch, dass die Deutschkurse erst bei Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten beginnen, sie aber im Integrationsjahr (das auch schon Asylwerber mit guten Bleibeaussichten beginnen können) nur Deutschkurse ab Niveau A2 angeboten bekommen. Das heißt, haben Asylwerber, die Niveau A1 brauchen, nicht schon vorher Deutsch- und Alphabetisierungskurse besucht, können sie nachher nur mehr mit Niveau A2 beginnen. Geschlossen soll diese Lücke durch eine recht schwammige Formulierung im Asylgesetz (§68) werden, die „Maßnahmen der Integrationshilfe“ auch zum Verfahren zugelassenen Asylwerbern gewährt, bei denen die Zuerkennung des internationalen Schutzes unter Berücksichtigung vorliegender Erfahrungswerte sehr wahrscheinlich ist.

Integrationsvereinbarung in zwei Modulen

Einen weiteren Wirkungskreis hat die Integrationsvereinbarung: Sie gilt für alle rechtmäßig niedergelassenen Drittstaatsangehörigen. In dieser Gruppe wird zwischen jenen unterschieden, die erstmalig einen befristeten Aufenthaltstitel erhalten (Modul 1) und jenen, die vor Beantragung eines dauerhaften Aufenthaltstitels stehen (Modul 2). Im Rahmen dieser Vereinbarung sind Drittstaatsangehörige verpflichtet, Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien zu erwerben. Der Bund gewährt unter bestimmten Voraussetzungen einen Kostenersatz für Kurse. Wer gegen die Integrationsvereinbarung verstößt oder bei der Prüfung schummelt, muss mit teils empfindlichen Verwaltungsstrafen (500 bis 2.500 Euro) rechnen.

Integrationsförderung: Einrichtungen der Gemeinden geeignet

Rechtmäßig niedergelassenen Drittstaatsangehörigen kann – unbeschadet der anderen Bestimmungen des Integrationsgesetzes – Integrationsförderung gewährt werden. Der ÖIF soll in Orientierungsgesprächen mit dem Drittstaatsangehörigen spezielle Integrationserfordernisse identifizieren und konkrete Schritte zur Integrationsverbesserung empfehlen. Darunter fallen etwa Sprachkurse, Kurse zur Aus- und Weiterbildung, Veranstaltungen zur Einführung in die österreichische Kultur und Geschichte, gemeinsame Veranstaltungen mit österreichischen Staatsbürgern zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses und sonstige Leistungen des ÖIF. Dazu soll sollen möglichst private, humanitäre und kirchliche Einrichtungen sowie Einrichtungen der freien Wohlfahrt oder der Gemeinden herangezogen werden. Durch die weitere Definition dieser Zielgruppe sollen auch jene Personen erreicht werden, die nicht durch eine der anderen Maßnahmen erfasst werden. Ein klares Bekenntnis, niemandem, der sich integrieren möchte, diese Chance zu verweigern.

Integrationsmonitoring und Expertenbeirat

Damit die Wirksamkeit der Maßnahmen überwacht und gegebenenfalls angepasst wird, soll ein jährlicher Integrationsbericht auf Basis des Integrationsmonitorings erstellt werden. Der Integrationsbeirat soll den umfassenden Wissens-, Informations- und Meinungsaustausch zu Integrationsfragen von allgemeiner Bedeutung fördern und zur kompetenzübergreifende Vernetzung beitragen. Auch der Österreichische Gemeindebund ist berechtigt in diesen Beirat eine/n Experten/in zu entsenden.

Die Kosten für die Maßnahmen im Integrationsgesetz werden für 2017 mit mehr als 45,6 Millionen Euro beziffert. Für 2018 wird mit einer leichten Kostensteigerung gerechnet, in den Jahren danach dafür mit einer deutlichen Senkung auf 22 Millionen Euro bis 2021. Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.

Verbot der Verhüllung des Gesichts in der Öffentlichkeit

Eines der am meisten diskutierten Punkte ist sicher das Verhüllungsverbot. Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, sodass sie nicht mehr erkennbar sind, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu bestrafen. Ausgenommen ist die Verhüllung aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen. Für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens ist die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Landespolizeidirektion (je nachdem wer Sicherheitsbehörde erster Instanz ist) zuständig. Das Verschleierungsverbot soll mit 1. Juli 2017 in Kraft treten.