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IMPULS: „Der Green Deal der EU“

Wilhelm MOLTERER
Verwaltungsrat GlobSec, ehemaliger Direktor Europäischer Fonds
für strategische Investitionen

Der ehemalige Vizekanzler der Republik Österreich Wilhelm Molterer ging in seinem Impuls auf die vielen Herausforderungen der europäischen Union ein. Wesentlich sei, dass der Klimawandel nicht das einzige Thema ist. Man müsse den Klimawandel in ein größeres Ganze einbetten. Die globale Ordnung verändert sich, wobei Molterer auf die BRICS-Staaten verweist. Die größere BRICS-Gruppe repräsentiert rund 36 Prozent des globalen BIP und 50 Prozent der Weltbevölkerung. Beim Blick in die Zukunft zeigt sich, dass im Jahr 2100 Nigeria mit 500 Millionen Einwohnern das drittgrößte Land der Welt sein wird. Auf Platz zwei und eins werden China und schließlich Indien zu liegen kommen.

Europa steht vor großen gesellschaftlichen Umbrüchen. Europa wird schrumpfen und die alternde Gesellschaft braucht Zuwanderung. Diese gilt es zu organisieren. Klar ist, Demokratie steht im Wettkampf mit autokratischen Systemen. Bei der Vielfalt an ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen ist die Konzentration nur auf ein Thema – auch wenn es die Bekämpfung des Klimawandel ist – nicht richtig. Beim „Green Deal“ spricht die Union von einem breiteren Konzept. Es geht nicht nur um den Klimawandel, sondern auch um die fundamentale Änderung der Industriestrategie des Kontinents und einen sozialen Ausgleich. Änderungen im Bereich der Energiepolitik fokussieren auf Diversifikation, was mehr Unabhängigkeit bringen kann. Aber Molterer hinterfragt, ob es wirklich mehr Unabhängigkeit bringt, wenn man ein autokratisches Lieferland gegen ein anderes autokratisches System tauscht, auch wenn es weiter weg ist.

In 10 Jahren bis 2030 sollen mit dem Green Deal drei Billionen Euro investiert werden. Öffentlicher Sektor und Wirtschaft müssen Hand in Hand zusammenarbeiten. Die Wirtschaft will nicht, dass die Politik Technologieentscheidungen trifft. Molterer kritisiert die absolute Entscheidung auf E-Mobilität. Man müsse technologieoffen, für alternative Treibstoffe und andere Antriebe sein. Die Wirtschaft will auch Regulierungen, die Ziele fördern und nicht behindern. Molterer kritisiert etwa die lange Verfahrensdauer bei der Errichtung von Windrädern als verantwortungslos. Gleichzeitig habe man versäumt, mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energie auch die Leitungen auszubauen. Im österreichischen Rechtssystem gibt es etwa einen Vorrang für Eisenbahninfrastruktur im öffentlichen Interesse.  Der Leitungsbau muss dringend auch dem öffentlichen Interesse unterstellt werden, um lange Verfahren zu reduzieren.

Für die Transformation braucht die öffentliche Hand kreative Finanzlösungen, wie sie das Geld einsetzt. Über Garantien und Risk-Sharing kann man mit jedem öffentlichen Euro mehr Hebel produzieren. Molterer berichtet von seinen Erfahrungen bei der Europäischen Investitionsbank, wo mit 30 Milliarden Euro Kapital über Garantien und Beteiligungen Investitionen von 520 Milliarden Euro ermöglicht wurden. Außerdem können auch vom privaten Sektor in Österreich verlangt werden, ihr Geld in Start Ups zu investieren. Zu viele Unternehmen und Stiftungen haben einen zu großen Fokus auf Immobilien, die risikoreicher sind. Europa braucht Wettbewerbsfähigkeit, Einsatz gegen den Klimawandel, Kohäsion für den sozialen Ausgleich und Kooperation.

©Erich Marschik