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Gemeindepolizei: Zukunfts- oder Auslaufmodell?

2.5.2016 – Mit der Nachricht, dass Zell am See darüber nachdenkt, eine Gemeindesicherheitswache ins Leben zu rufen, entbrannte eine österreichweite Diskussion. Das gesunkene Sicherheitsgefühl der Bürger äußert sich nicht nur in Waffenkäufen, sondern auch im gesteigerten Interesse der Gemeinden an der Einführung einer eigenen Sicherheitswache.

Wenn Gerhard Blaschko seine Runde durch Gmünd macht, dann tut er dies in letzter Zeit mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn mit ihm geht wahrscheinlich eine lange Geschichte zu Ende: Er ist der letzte Stadtpolizist im ganzen Waldviertel. Früher versahen auch in den Nachbarstädten Heidenreichstein, Weitra, Zwettl, Waidhofen Gemeindesicherheitswachen ihren Dienst. In den 70er Jahren gab es allein in Niederösterreich 116 Dienststellen. Diese wurden aber durch eine Krise der Finanzierung der Krankenanstalten und zuletzt auch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise Stück für Stück eingespart.

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©Stadtgemeinde Gmünd/Harald Winkler
Gmünds Bürgermeisterin Helga Rosenmayer und Stadtpolizist Gerhard Blaschko.

Gmünd: 5.400 Einwohner, der letzte Stadtpolizist im Waldviertel

In Wien zum Bundespolizisten ausgebildet, trat Gerhard Blaschko 1995 in den Dienst in der Bezirkshauptstadt Gmünd an. Als Stadtpolizist hat er zahlreiche Vorgänger, denn den Beschluss, einen Sicherheitswachmann anzustellen, fällte der Gemeinderat schon 1887. Bereits 1901 wurde durch die rasche Ausdehnung des Stadtgebiets und den Wunsch, auch Nachtdienst zu versehen, ein zweiter Wachmann angestellt. Ihre Hauptaufgabe war damals die Überwachung der polizeilichen Verordnungen. Die Stadtwache vergrößerte sich 1945 auf 48 Mann – 25 Hilfs- und 23 Stadtpolizisten. Nachdem wieder ein Gendarmerieposten in die Stadt kam, wurden viele Polizisten in den Bundesdienst übernommen, womit es 1947 nur mehr sieben Stadtpolizisten gab. Ihre Hauptaufgabe bestand hauptsächlich in ortspolizeilichen Angelegenheiten.

Innerhalb dieses fast 130 Jahre langen Bestehens verkleinerte sich die Stadtpolizei wieder auf einen Mann und eine für 20 Stunden angestellte Parkraumüberwacherin. Obwohl das Aufgabenfeld von der Überwachung des ruhenden Verkehrs über die Ausstellung von straßenpolizeilichen Bescheiden und Verordnungen, die Bewilligung von Baustellen oder dauerhafte Verkehrsbeschränkungen, Veranstaltungen bis hin zu Strafregisterauszügen, dem Marktwesen oder dem Zivil- und Katastrophenschutz geht, konnte Gerhard Blaschko als einziger Gemeindepolizist viele der anderen polizeilichen Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis nicht wahrnehmen.

„Gerhard Blaschko ist, obwohl er unser einziger Stadtpolizist ist, eine Respektsperson. Durch sein ausgleichendes Wesen und seine gute Ausbildung konnte er viele Streitsituationen schlichten“, erinnert sich Gmünds Bürgermeisterin Helga Rosenmayer.

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©Amstetten
Die Amstettner Stadtpolizei mit Vizebürgermeister Mag. Michael Wiesner und Bürgermeisterin Ursula Puchebner. Der zweite von rechts ist Stadtwachekommandant Johann Hellinger.

Einen neuen Weg beschreiten

Nach fast 21 Jahren Dienst in Gmünd geht Blaschko bald in Altersteilzeit. Aus der Nachbesetzung wurde ein Politikum, womit die Stadtregierung – allen voran Bürgermeisterin Helga Rosenmayer – nun einen neuen Weg beschreiten möchte. „Es gab auch Bürger, die gefragt haben, wozu Gmünd bei zwei Bundespolizeiposten auch noch einen eigenen Stadtpolizisten braucht. Deswegen möchten wir nun die Altersteilzeit von Herrn Blaschko nutzen, um auszuprobieren, wie es ohne eigenen Gemeindepolizisten wäre“, erklärt die Bürgermeisterin. Die Agenden werden auf andere Abteilungen aufgeteilt. Einzig den nachmittäglichen Außendienst – die Präsenz des Stadtpolizisten – wird es nicht mehr geben. Stadtrat Martin Preis: „Es ist nicht die Frage, ob die Aufgaben weiterhin gut erfüllt werden, es stellt sich eher die Frage, ob sich das subjektive Sicherheitsgefühl ändert, weil Gerhard Blaschko ist doch in Gmünd sehr präsent.“

Gerhard Blaschko sieht die Entscheidung mit gemischten Gefühlen: „Ich war doch über 20 Jahre der Stadtpolizist in Gmünd. Die Leute kennen mich und hatten Respekt. Durch meine Runden kam ich auch in Gegenden, wo normal keiner meiner Kollegen von der Bundespolizei hinkommt. Der Kontakt zur Bevölkerung war bei mir sicher enger.“

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(Quelle: Vorsitzender der Gemeindesicherheitswachen/Grafik: Kommunal)
Welche Gemeinden haben Sicherheitswachen? 2. Spalte: Einwohnerzahlen, 3. Spalte: Uniformierte, 4. Spalte: Vertragsbedienstete, 5. Spalte: Straßenaufsichtsorgane, 6. Spalte: Veränderung zur letzten Erhebung 2011

Amstetten: 23.000 Einwohner, Schlagkräftige Truppe

Ganz anders die Lage in Amstetten. „Wir haben unsere Stadtpolizei nie in Frage gestellt. Wir haben aber, als die Finanzkrise 2008 begonnen hat, sehr wohl überlegt, ob es nicht auch bei der Polizei finanzielle Einsparungsmöglichkeiten gibt. Wir stehen aber zu unseren sechs Polizisten, egal ob in der Krise oder nun, wo die Opposition im Gemeinderat sogar die Aufstockung des Personals fordert. Wichtig ist, dass man in diesem Bereich nicht aus Populismus heraus handelt. Unsere Gemeindepolizisten sind schon sehr nah am Bürger“, betont Amstettens Vizebürgermeister Mag. Michael Wiesner.

Amstettens Stadtpolizei existiert seit 1873. „Damals gab es bei der Gemeindepolizei 17 oder 18 Leute und bei der Gendarmerie nur fünf. Das änderte sich, als der Staat die Exekutivgewalt übernahm. Wir sind heute sechs Gemeindesicherheitswachen und haben zwei Sekretärinnen“, erklärt Stadtwachekommandant Johann Hellinger mit einem gewissen Stolz in der Stimme. Auch in Amstetten waren alle Stadtpolizisten früher bei der Bundespolizei. „Um dieselben Befugnisse wie die Bundespolizei zu erhalten, muss man nach dem Sicherheitspolizeigesetz geprüft und ermächtigt werden“, führt Hellinger aus. Die Stadtpolizisten haben zwei Wirkungskreise. Der erste ist der übertragende Wirkungskreis. In diesem sind sie im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und in der Strafprozessordnung (StPO) verankert. Hier ist die Sicherheitsbehörde die Bezirksverwaltungsbehörde und sie unterstehen der Landespolizeidirektion. Im zweiten, dem eigenen Wirkungskreis, unterstehen die Gemeindepolizisten natürlich auch dem Bürgermeister und sie erfüllen eine Behördenfunktion.

In Amstetten übernehmen die Stadtpolizisten eine ganze Fülle an Aufgaben: Veranstaltungswesen, Straßenpolizei (Benützung der Straße zu verkehrsfremden Zwecken, §90 und 82), die ständigen Verkehrszeichen (dazu gehören auch die Fußgängerzonen, Halteverbote usw.), die Kontrolle der Gemeindestraßen (30er-Zonen, Spiel- und Wohnstraßen, Kurzparkzonen, Fußgängerzonen und Halteverbote), Umwelt- und Lärmschutz, Dokumentenverluste und vieles mehr. Darüber hinaus arbeiten die Stadtpolizisten sehr eng mit den beiden Polizeiinspektionen im Gemeindegebiet zusammen, wie Hellinger betont: „Wir sind an den Polizeifunk angeschlossen. Wenn dort Not am Mann ist, helfen wir immer gerne mit. Auch bei Veranstaltungen arbeiten wir eng zusammen.“

Die Stadtpolizisten bauen den engen Bezug zur Bevölkerung aber schon in der Schule auf. „Verkehrserziehung gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben. Unsere Vorträge stoßen auch auf breites Interesse bei den Jugendlichen“, so Hellinger, der selbst Vorträge zu den Themen Jugendschutz, Suchtprävention, Veranstaltungswesen hält. Dass die Gemeindepolizisten auch mehrmals in der Woche Nachtdienst versehen, ist noch ein zusätzlicher Bonus. Die Parkraumüberwachung ist nicht Aufgabe der Stadtpolizei. Sie wird von vier weiteren Kräften, die beim Österreichischen Wachdienst angestellt sind, erledigt. In fachlicher Hinsicht sind sie aber der Stadtpolizei unterstellt und müssen Anweisungen der Stadtpolizisten entgegennehmen.

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(Quelle: Vorsitzender der Gemeindesicherheitswachen/Grafik: Kommunal)
Lech ist die kleinste Gemeinde mit eigenem Wachkörper, Dornbirn die größte.

Mehr Befugnisse als private Securities

Warum braucht man eine eigene Wache, wenn es doch mit privaten Securities viel kostengünstiger geht? „Da haben wir den Vorteil, dass wir ausgebildete Polizisten sind. Es nützt mir nichts, wenn jemand ohne Befugnisse zu einer Party fährt und sagt „Bitte stellt den Lärm ab“. Die lachen einen aus und dann kann man wieder fahren. So fahre ich als Polizist hin und habe ein breites Spektrum beim Einschreiten, welches vom Organmandat bis zur vorübergehenden Festnahme reicht“, weiß Hellinger.

Der Stadtwachekommandant hat auch zu privaten Bürgerwehren eine eindeutige Meinung: „Davon halte ich nichts. Erstens haben sie die Ausbildung nicht und zweitens müssen sie bei Vorkommnissen ja sowieso die Polizei holen. Vom Einschreiten oder einer Bewaffnung der Bürgerwehren halte ich gar nichts. Der Polizist ist ausgebildet, hat Trainings absolviert, muss seine Fähigkeiten regelmäßig unter Beweis stellen. Wir kennen die Rechte beim Einschreiten.“ Die gegenseitige Nachbarschaftshilfe und die Meldung von Vorkommnissen sind als Unterstützung für die Polizei aber trotzdem enorm wichtig, betont Hellinger.

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(Quelle: Vorsitzender der Gemeindesicherheitswachen/Grafik: Kommunal)
Tirol hat im Österreich-Vergleich die meisten Gemeindesicherheitswachen. Salzburg hat mit einer Wache die wenigsten.

Seit 2011: Zwölf Gemeindesicherheitsdienststellen weniger

Von einem „Trend“ zur Gemeindepolizei kann man trotz des derzeit in der Öffentlichkeit erzeugten Bilds nicht sprechen, denn seit 2011 wurden zwölf Gemeindewachstuben geschlossen. 2016 gibt es noch 37 Gemeindewachkörper in ganz Österreich mit insgesamt 313 Mitarbeitern. Tirol hat mit elf Stadtpolizeidienststellen die meisten noch vor Vorarlberg (10). Die Schließung der Bundespolizeidienststellen in den letzten Jahren und die Flüchtlingskrise haben aber sicherlich dazu beigetragen, dass das subjektive Sicherheitsgefühl in manchen Gemeinden abgenommen hat.

Kleinst-Dienststellen mit zum Teil nur einem Gemeindepolizisten werden juristisch als „schlichte Gemeindewachen“ bezeichnet. Ihnen kommen die Ermächtigungen der Bundesverfassung üblicherweise nicht zu. Diese haben beispielsweise keine polizeiliche Struktur für die gegenseitige Vertretung. Nachtdienst oder die Kontrolle der 30er-Zonen, ebenso wie viele andere Aufgaben, können mit nur einem Gemeindepolizist nicht wahrgenommen werden.

Investition in das Sicherheitsgefühl

„Als Gemeinde muss man sich überlegen, ob man sich diese Investition in das Sicherheitsgefühl leisten möchte. Ich glaube, für eine Gemeinde unter 10.000 Einwohnern wird eine eigene Gemeindesicherheitswache von der finanziellen Grundausstattung schon schwierig. Amstetten budgetiert für die Gemeindesicherheitswache 500.000 Euro jährlich. Für Städte über 10.000 Einwohner, geschweige denn über 20.000 Einwohner ist es nur mehr eine Grundsatzentscheidung. Dann muss man sich nur mehr entscheiden, was man von den Befugnissen möchte und wie viele Leute man dafür braucht. Eine eigene Gemeindesicherheitswache ist auch sinnvoll für Gemeinden, die viele Veranstaltungen haben, denn eine Polizei kann immer effektiver eingesetzt werden, als private Sicherheitsdienste“, erzählt Wiesner aus Erfahrung. Man kann eine Gemeindepolizei nur mit einem geprüften Kommandanten gründen, da auch eine Gemeindepolizei ein bewaffneter Wachkörper mit militärischer Formation ist. Aus Einschätzung Hellingers macht ein Wachkörper unter drei Mann wenig Sinn.

„Einen großen Vorteil hat die Gemeindepolizei: Du bist fest in der Gemeinde verankert, durch die Schulbesuche lernst du wieder die Kinder deiner Schulfreunde kennen und so weiter. Du kennst jede Eigenheit, jeden Winkel, jeden Gehsteig. Auch wenn ich privat auf eine Veranstaltung gehe, dann bin ich immer der Stadtpolizist. Und das ist gut so.“

Gesetzliche Grundlagen für Gemeindesicherheitswachen

Die Grundlagen für die Arbeit der kommunalen Polizei finden sich im Bundes-Verfassungsgesetz. Die Entscheidung über die Aufstellung eines Gemeindewachkörpers trifft die jeweilige Gemeinde. Die Errichtung eines Gemeindewachkörpers ist dem Bundeskanzleramt durch Antrag der jeweiligen Gemeinde anzuzeigen. Die jeweilige Landespolizeidirektion nimmt dann die Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Dienststelle vor und erteilt die Zustimmung. In Städten, in denen eine Bundespolizeidirektion angesiedelt ist, dürfen keine kommunalen Polizeiorganisationen gebildet werden.

Durch Bundes- oder Landesgesetze können Angehörige eines Gemeindewachkörpers mit Zustimmung der Gemeinde als Hilfsorgane für eine andere Behörde zum Exekutivdienst ermächtigt werden. Auf Bundesebene sehen heute verschiedene Gesetze – z.B. das Sicherheitspolizeigesetz, die Straßenverkehrsordnung, das Kraftfahrzeuggesetz oder das Fremdenpolizeigesetz –  eine Möglichkeit der Mitwirkung von Gemeindewachkörpern vor. Voraussetzung sind jeweils ein Antrag der Gemeinde und die Ermächtigung durch die zuständige Behörde.

Was die Gemeindepolizisten äußerlich vom Bundespolizisten unterscheidet, ist das Gemeindewappen auf der Uniform. ©Amstetten