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Fleckerlteppich Mindestsicherung

10.4.2017 – Vorarlberg ist das derzeit letzte Bundesland, das Verschärfungen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung beschlossen hat. Wir geben Ihnen einen Überblick über die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern.

Nachdem die Vereinheitlichung der Höhe der bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2016 gescheitert ist, haben nun zahlreiche Bundesländer ihre eigenen Verschärfungen beschlossen, um die steigenden Ausgaben in diesem Bereich in den Griff zu bekommen. Auch die bestehende Bundesländervereinbarung über den Kostenersatz wurde von Niederösterreich, Salzburg und Kärnten gekündigt. Diese Vereinbarung sollte unterschiedliche Leistungshöhen ausgleichen, wenn ein Mindestsicherungsbezieher den Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegt. Laut bisheriger Vereinbarung muss demnach bei einer Übersiedlung das „alte“ Bundesland Leistungen der Sozialhilfe zahlen, sofern sich der Empfänger vor Gewährung der Unterstützung mindestens fünf Monate hier aufgehalten hat. Oberösterreichs neuer Landeshauptmann Thomas Stelzer hat angekündigt, dass auch sein Bundesland aus dieser Regelung aussteigen werde.
Ein Überblick über die derzeitige Soziallandschaft in den Bundesländern.

Burgenland: Deckelung, Wartefrist und Integrationsvereinbarung

Im östlichsten Bundesland gibt es seit Ende März 2017 eine Deckelung der Mindestsicherung für Haushalte bei 1.500 Euro. Die sogenannten „Aufstocker“ sind von dieser Deckelung ausgenommen. Aufstocker wird die Gruppe genannt, die zwar einer Erwerbsarbeit nachgeht, aber dabei unter der Mindestsicherungsgrenze verdient und den Restbetrag als Mindestsicherung erhält. Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte müssen eine Integrationsvereinbarung unterschreiben. Wer nicht unterschreibt oder wer sich nicht an die Ziele hält, muss mit Kürzungen um bis zu 50 Prozent rechnen. Gleichzeitig gibt es auch einen Integrationsbonus für all jene, die die Ziele wie Spracherwerb erreichen. Kürzungen ohne Ermahnung drohen aber allen burgenländischen Mindestsicherungsbeziehern, wenn etwa Auflagen des AMS nicht erfüllt werden.

Einzelpersonen erhalten 838 Euro Mindestsicherung. Gleichzeitig mit der Deckelung wurde auch ein vermehrter Umstieg auf Sachleistungen, wie etwa die Bezahlung der Miet- oder Energiekosten, beschlossen.

Eine wichtige Neuerung ist auch die Wartefrist für jene Personen, die sich in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben. Bis diese Personengruppe fünf Jahre in Österreich lebt, erhält sie lediglich 584 Euro. Diese setzen sich aus einem Ausgangssatz von 319,20 Euro, einem Integrationsbonus von 136,80 Euro und 128 Euro zur Deckung des Wohnbedarfs zusammen. Der Betrag für den Wohnbedarf wird aber als Sachleistung direkt an den Vermieter gehen. Die rot-blaue Landesregierung möchte sich damit rund 360.000 Euro pro Jahr einsparen.

Diese Maßnahme betrifft (Stand März 2017) 2.839 Mindestsicherungsbezieher/innen. Davon sind 614 Kinder bis 14 Jahren und 164 Jugendliche, die in Bedarfsgemeinschaften leben. 1.536 Menschen sind Vollbezieher, 268 Bezieher sind Asylberechtigte. 118 Haushalte im Burgenland würden derzeit über die Grenze von 1.500 Euro kommen. Abzüglich der Aufstocker bleiben elf Bedarfsgemeinschaften über.

Mindestsicherungsbezieher_2012-2015

(Quelle: Statistik Austria, Grafik: Kommunalnet)
Von 2014 bis 2015 stieg die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher um 10,9 Prozent. Die Zahlen für 2016 werden erst im September 2017 veröffentlicht.

Kärnten: Anpassungen geplant

Die Überlegungen der Kärntner Landesregierung zur Mindestsicherung stammen noch aus November 2016. Damals dachte Sozialreferentin Beate Prettner laut über eine reduzierte Variante für Asylberechtigte nach. Diese sollen nur mehr einen Sockelbetrag von 520 Euro bekommen. Die gut 300 Euro auf die reguläre Höhe der Mindestsicherung sollen als Integrationsbonus für den Besuch der Deutsch- und Wertekurse ausgezahlt werden. Prettner wollte damals Integrationsverweigerung sanktionierbar machen.

Für „Aufstocker“ soll es laut Prettner über „einen Toleranzzeitraum von vielleicht einem Jahr“ einen Toleranzbetrag von 150 Euro geben, den sie dazuverdienen dürfen, ohne dass die Mindestsicherung entsprechend gekürzt wird. Außerdem steht noch eine Reparatur an: Beziehern der erhöhten Familienbeihilfe – dies betrifft hauptsächlich beeinträchtigte Personen – wurde diese bisher voll von der Mindestsicherung abgezogen. Das soll geändert werden. Die Vorschläge werden derzeit noch zwischen den Koalitionspartnern diskutiert. Die Gesetzesänderungen die dafür nötig sind, sollen bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im Frühjahr 2018 umgesetzt werden.

NÖ: reduzierte Mindestsicherung für Flüchtlinge, Pflicht zu gemeinnützigen Tätigkeiten

In Niederösterreich gibt es seit 1. Jänner 2017 neue Regeln. Wer seinen Hauptwohnsitz bzw. rechtmäßigen Aufenthalt nicht zumindest fünf der letzten sechs Jahre in Österreich hatte, erhält maximal 572,50 Euro – genannt „BMS light“. Eingeführt wird auch eine Verpflichtung für Mindestsicherungsbezieher zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten, sofern nicht zeitgleich das Arbeitsmarktservice (AMS) Maßnahmen anordnet. Außerdem wird die Mindestsicherung mit 1.500 Euro pro Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft gedeckelt. Ausnahmen gibt es für Personen, die Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder die dauernd arbeitsunfähig sind. Mindestsicherungsbezieher, die wieder einen Job finden, erhalten zusätzlich einen Bonus.

OÖ: Deckelung für subsidiär Schutzberechtigte kein Verstoß gegen EU-Recht

Die Kürzung der Mindestsicherung für zeitlich befristete Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte ist in Oberösterreich schon seit 2016 in Kraft. Diese bekommen seitdem im Monat nur 405 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 Euro. Vorher erhielt diese Gruppe 921,30 Euro. Abgefedert wird das Paket durch zusätzliches Geld für Alleinerziehende und eine von vier auf zwölf Monate verlängerte Wohnmöglichkeit im Grundversorgungsquartier inklusive 40 Euro Taschengeld im Monat. Diese Vorgangsweise widerspricht nicht dem EU-Recht, bestätigte zuletzt der Landesverwaltungsgerichtshof. Der zudem beschlossene „Jobbonus“ kommt allen Gruppen von Mindestsicherungsbeziehern zugute.

Der Integrationsbonus wird zunächst ohne Bedingungen ausbezahlt. Um ihn zu behalten, muss man eine Integrationsvereinbarung unterzeichnen, einen Deutschkurs sowie eine Werteschulung absolvieren und arbeitswillig sein. Tut man das nicht oder verstößt man gegen die Integrationsvereinbarung – etwa, indem man Kinder nicht in die Schule schickt -, wird der Bonus gekürzt.

Darüber hinaus werden auch in Oberösterreich Überlegungen angestellt, die Mindestsicherung für Haushalte bei 1.500 Euro zu deckeln. Ausnahmen soll es für „Aufstocker“ geben.

Ausgaben_der_Mindestsicherung_2012-2015

(Quelle: Statistik Austria, Grafik: Kommunalnet)
In fast allen Bundesländern stiegen die Kosten für die Finanzierung der bedarfsorientierten Mindestsicherung stark an.

Keine Eile in Salzburg

In Salzburg hat man derzeit keine Eile mit weiteren Verschärfungen. Subsidiär Schutzberechtigte haben dort allerdings schon jetzt keinen Anspruch auf Mindestsicherung, Asylberechtigte schon. Zusätzlich werden auch jetzt schon 25 Prozent des Ausgangsbetrages von 844 Euro für das Wohnen abgezogen. Dieser kann erhöht werden, wenn die tatsächlichen Wohnkosten höher sind als dieser Grundbetrag, und zwar abhängig vom Bezirk und der Haushaltsgröße.

Steiermark: Sanktionen bei Missbrauch

In der Steiermark hofft man noch auf eine bundesweite Vorgabe. Im September wurde jedoch bereits beschlossen, dass bei Missbrauch rasch Sanktionen verhängt werden können: Wenn etwa eine Arbeit nicht angenommen wird oder ein Bezieher beim AMS nicht erscheint, wird in einem ersten Schritt die Leistung um 25 Prozent gekürzt. Weitere Reduktionen sind möglich. Der Grundbetrag beträgt 2017 844 Euro. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine „Integrationshilfe“ in der Höhe von 633 Euro, die Differenz zur Mindestsicherung wird in Form von Sachleistungen gewährt. Der Erhalt der Integrationshilfe ist an Bedingungen wie den Besuch von Deutsch- und Wertekursen geknüpft.

Tirol: Noch keine Änderungen beschlossen

In Tirol wird die Mindestsicherung nicht gedeckelt, aber es wird einen eigenen, verminderten Tarif für Personen in Wohngemeinschaften geben. Außerdem soll Wohnen als Sachleistung inklusive Zuweisungsrecht der Behörde und bezirksweiser Deckelung der Wohnkosten gestaltet werden. Die vierteljährlichen Sonderzahlungen für Minderjährige, Mindestrentner/innen, Alleinerzieher/innen und Menschen mit Behinderung werden beibehalten. Das Anreizsystem zur (Wieder-)Aufnahme einer Arbeit soll ausgebaut werden, die Mindestsicherungssätze für Kinder werden mit den Zuschlägen für Mehrkindfamilien bei der Familienbeihilfe abgeglichen. Zusätzlich soll es Einschränkungen bei der Anspruchsberechtigung bei Auslandsaufenthalten und für nicht erwerbsfähige EU-Bürger/innen und Staatsangehöriger anderer Vertragsstaaten des EWR-Abkommens geben. Neu ist, dass der Tiroler Integrationskompass als Bestandteil der Mindestsicherung verankert wird.

Die Novelle zum Tiroler Mindestsicherungsgesetz soll zügig ausgearbeitet und in Begutachtung geschickt werden und dem Mai-Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Inkrafttreten soll das neue Mindestsicherungsgesetz mit 1. Juli 2017.

Vorarlberg setzt bei Wohnkosten an

Im Gegensatz zu den östlichen Bundesländern verzichtet man in Vorarlberg auf eine generelle Deckelung der Mindestsicherung. Für Wohngemeinschaften gilt schon seit 1. Jänner 2017 ein neuer Mindestsicherungssatz. Personen, die in einer WG leben, erhalten anstatt zuvor 630 Euro nur noch eine Geldleistung von 473 Euro. Die Kosten für das Zimmer übernimmt das Land als Sachleistung.

Die Übernahme der Wohnkosten wird künftig (das Gesetz tritt per 1. Juli in Kraft) je nach Haushaltskonstellation begrenzt. Darüber hinausgehende Wohnkosten müssen aus dem Lebensunterhalt finanziert werden. Eine alleinstehende Person erhält in Zukunft für die Finanzierung des Wohnbedarfs nur noch einen Höchstsatz von 503 Euro brutto inklusive allgemeine Betriebs- und Heizkosten (anstatt wie bisher 529 Euro). Zudem werden die Mindestsicherungsrichtsätze für Kinder gestaffelt und der Vorarlberger Familienzuschuss in das Einkommen einberechnet. Auch die Koppelung des Mindestsicherungsbezuges an die Vorarlberger Integrationsvereinbarung wurde im Gesetz verankert. Die Einsparungen sollen bis zu drei Millionen Euro pro Jahr ausmachen.

Wien überlegt noch

Angesichts der Verschärfungen in Niederösterreich wird ähnlich wie im Burgenland über eine Wartefrist für Mindestsicherungsbezieher, die die letzten fünf Jahre nicht durchgehend in Österreich gelebt haben, diskutiert. Damit soll verhindert werden, dass Personen aus Bundesländern mit niedrigeren Leistungen in die Hauptstadt abwandern. Zuletzt mussten die Mittel in Wien mit 130 Millionen Euro mehr als deutlich nachdotiert werden. 2016 gab es in Wien um 10.500 mehr Mindestsicherungsbezieher als noch 2015.

Strengere Regeln für Mindestsicherungsbezieher haben schon fast alle Bundesländer beschlossen. Dabei wird die österreichweite Übersicht immer schwieriger. ©Ideenkoch/Fotolia.com