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Finanzausgleich muss mehr Gerechtigkeit bringen

6.10.2016 – Das Ergebnis einer Blitz-Umfrage in Österreichs Gemeinden zeigte klar, dass der größte Investitionsbedarf bei der Infrastruktur besteht. Pessimistisch sind die Gemeinden, was die finanzielle Entwicklung angeht. Mödlhammer bekräftige vor den versammelten Journalisten beim Gemeindetag noch einmal seine Forderungen für einen gerechteren Finanzausgleich.

„In den kommenden Wochen gehen die Verhandlungen zum Finanzausgleich in die entscheidende Phase“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer unmittelbar vor Beginn des Österreichischen Gemeindetags in Klagenfurt, an dem rund 2.500 Gemeindevertreter/innen aus ganz Österreich teilnehmen. In einer einstimmig beschlossenen Resolution hat der Bundesvorstand des Gemeindebundes seine Position klar gelegt. „Unsere Geduld neigt sich ehrlicherweise schön langsam dem Ende zu, die Gemeinden erwarten sich eine faire und gerechte Abgeltung ihrer vielfältigen Aufgaben. Der Gemeindebund hat viele Vorschläge eingebracht und Reformen eingefordert, die bei einer Aufgabenreform beginnen und bei einem Abbau bürokratischer Hürden weitergehen. Uns ist bewusst, dass das komplexe Regelwerk in mehreren Schritten vereinfacht werden muss. Voraussetzung dafür wäre eine dringend notwendige Neuverteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Das ist in manchen Bereichen sicherlich sehr einfach machbar, diese Bereiche sollte man so rasch als möglich fixieren.“

Zum anderen, so Mödlhammer, müsse der neue Finanzausgleich sicherstellen, dass bestehende Vereinbarungen – wie etwa der Pflegefonds oder die Kofinanzierung der Kinderbetreuung – strukturell abgesichert werden. „Wir haben oft genug erlebt, dass der Bund Dinge mit Anschubfinanzierungen erzwungen hat, einige Jahre danach die gesamte Finanzierungsverantwortung den Gemeinden alleine umgehängt hat“, so Mödlhammer. „Das werden wir kein weiteres Mal zulassen. „Die Gemeinden sind nicht nur politisch, sondern auch organisatorisch das Rückgrat des Staates. Es hat ja einen Grund, warum wir das mit Abstand höchste Vertrauen bei den Menschen genießen.“ Fast alle Dinge, die im Alltag der Menschen eine Rolle spielen, werden in und von den Gemeinden organisiert und weitgehend auch finanziert. „Ob Kinderbetreuung, Schulerhaltung, Pflege, Straßenerhaltung, Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, Altenbetreuung, Musikschulen, usw.. All das leisten die Gemeinden zur größten Zufriedenheit der Menschen.“

Für den Finanzausgleich sieht Mödlhammer folgende Punkte als wesentlich an:

  1. Der Finanzausgleich muss sich verändern, er muss schrittweise einfacher und gerechter werden. Die Aufgaben, Verantwortungen und Pflichten der Gemeinden haben in den letzten Jahren verändert, dem muss ein neuer Finanzausgleich Rechnung tragen.
  2. Ein Teil dieser Gerechtigkeit muss auch die weitere Abflachung bzw. Abschaffung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels sein. Noch immer werden Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern strukturell bevorzugt. Die Gründe dafür (größere Schäden durch den Krieg) treffen schon lange nicht mehr zu. Gerechtigkeit besteht auch darin, dass Gemeinden mit Strukturproblemen und schwierigen geographischen Lagen nicht weiter benachteiligt werden dürfen, genauso wie man funktionierende Systeme nicht zerstören soll.
  3. Aufgabenorientierung dort, wo sie außer Streit steht und sofort umgesetzt werden kann. Der klaren Zuteilung von Aufgaben müssen klare Finanzierungsströme folgen. Eine Kompetenzreform ist dafür die wichtigste Voraussetzung.
  4. Zahlungsströme vereinfachen und entflechten. Hunderttausende Zahlungsströme kosten viel Geld und verstellen den Blick darauf, der die Umsetzungs- und wer die Finanzierungsverantwortung trägt (Beispiel: Nachmittagsbetreuung, Sprachförderung, etc.).
  5. Grundsteuerreform endlich umsetzen. Vor fast zwei Jahren hat der Gemeindebund ein einfaches und nachvollziehbares Modell für eine verfassungsgerechte Grundsteuer auf den Tisch gelegt (Altlengbacher Modell). Es gibt keine Gründe, dieses Modell nicht rasch zu verhandeln und umzusetzen.

„Die Gemeinden haben in den letzten Jahren viele zusätzliche Aufgaben übernommen, ich denke da an den Ausbau der Kinderbetreuung, der schulischen Nachmittagsbetreuung oder der Pflege und stehen vor weiteren großen Herausforderungen, vor allem auch im Bereich der Integration von zehntausenden Flüchtlingen“, sagt Mödlhammer. „Die Kommunen erwarten daher, dass diese Aufgaben entsprechend abgegolten und sie von Bund und Ländern partnerschaftlich behandelt werden.“

Besonderer Bedarf bei Abwanderungsgemeinden und strukturschwachen Kommunen:

Auf die besondere Notwendigkeit einer raschen Reform Finanzausgleichs für Abwanderungsgemeinden und strukturschwache Gemeinden weist Bgm. Peter Stauber, Präsident des Kärntner Gemeindebundes hin. „Der geltende Finanzausgleich bevorzugt Gemeinden mit einem überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstum. Da Kärnten unterdurchschnittlich gewachsen ist und langfristig stark an Bevölkerung verlieren wird, gehen Kärntens Gemeinden in Summe jährlich Finanzmittel verloren. Aber auch viele Gemeinden anderer Bundesländer sind betroffen.“

Bei Abwanderung wirke der abgestufte Bevölkerungsschlüssel (aBS) auf eine besonders perfide Weise: „die Gemeinden verlieren Ertragsanteile nicht im Verhältnis 1:1 mit den Einwohnern, sondern vervielfacht mit dem jeweils geltenden Faktor des aBS, zumeist im Verhältnis 1:1,61. Im neuen Finanzausgleich braucht es daher dringend eine „Demografie-Bremse“, damit Bevölkerungsverluste nicht auf diese Weise durchschlagen können, denn die Infrastrukturkosten für die Gemeinden bleiben in der Regel trotz Abwanderung dieselben.“

Zusätzlich müssen in strukturschwachen Regionen vermehrt Investitionen gesetzt werden, wenn diese weiterhin eine Zukunft haben sollen, so Stauber. Nach der Definition des Finanzministeriums gilt ganz Kärnten außerhalb des Zentralraums als strukturschwach, aber auch weite Teile anderer Bundesländer sind betroffen. „Möchte man ein wirtschaftliches Auseinanderdriften unterschiedlicher Regionen wie zwischen Nord- und Süditalien vermeiden, so müssen durch einen auf Landesebene verteilten Strukturfonds gezielte Investitionen gerade in Regionen mit Aufholbedarf ermöglicht werden. Es geht hier nicht um Klientelpolitik und Lokalkolorit, sondern um die Kohärenz des Staates, Fairness zwischen Regionen und Gebietskörperschaften, ja um gleichwertige Lebensbedingungen für die Bürger und um die Vorsorge, dass alle Gemeinden ihre staatlichen Aufgaben weiterhin erfüllen können.“ 

Dass auch die Gemeinden angehalten sind, ihre Hausaufgaben zu machen und dort, wo dies sinnvoll ist, noch stärker als bisher auf interkommunale Kooperation setzen sollen (wie z.B. bei der Lohnverrechnung, bei der Nutzung von Sachverständigen, der Kinderbetreuung oder auch der Abgabeneinhebung), verstehe sich dabei von selbst, so Stauber. „Bereits jetzt drehen die meisten Gemeinden jeden Euro zweimal um, jedoch gibt es da und dort sicherlich noch Optimierungspotenziale.“

Gemeinden investieren in Kinderbetreuung und Infrastruktur

Im Vorfeld des Gemeindetages hat der Gemeindebund die Gemeinden zu einigen Themenfeldern außerhalb des Finanzausgleichs befragt. 479 Gemeinden haben daran teilgenommen, die Befragung ist auch in der Bundesländerverteilung repräsentativ. Teilgenommen haben Bürgermeister/innen, Mitarbeiter/innen oder Gemeinderät/innen.

„Die Ergebnisse sind zum Teil überraschend“, sagt Gemeindebund-Präsident Mödlhammer. „Sie zeigen aber auch sehr klar die Prioritäten und Einschätzungen der Gemeinden für die künftige Arbeit auf.“ Den Ausblick auf die finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung in den Gemeinden sehen die Gemeindevertreter eher nicht rosig. 47 Prozent glauben, dass sich die finanzielle Situation ihrer Gemeinde in den kommenden Jahren eher verschlechtern wird, weitere 43 Prozent gehen von gleich bleibenden Verhältnissen aus. An eine Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage glauben nur neun Prozent.

Klare Aussagen gibt es auf die Frage, in welche Bereiche die Gemeinden in den kommenden Jahren am meisten investieren wollen und müssen. „Die Errichtung und Instandhaltung der Infrastruktur steht mit großem Abstand an erster Stelle“, sagt Mödlhammer. 83 Prozent der Gemeinden werden in den kommenden Jahren dafür mehr Geld als bisher ausgeben müssen. „Das hat sicher auch damit zu tun, dass viele Investitionsvorhaben während der Finanzkrise aufgeschoben werden mussten. Die Notwendigkeit dieser Investitionen ist aber natürlich weiterhin da.“

Zweiter großer Investitionsschwerpunkt in den Kommunen ist der Ausbau von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen. „Mit der schulischen Nachmittagsbetreuung, aber auch dem Ausbau der Kleinkindbetreuung sind wir in den kommenden Jahren sehr, sehr stark beansprucht“, so Mödlhammer. 76 Prozent der Gemeinden sehen hier einen großen Investitionsbedarf. Kopf an Kopf liegen die Investitionsbereiche „Gesundheit, Pflege und Soziales“ (49 Prozent) und „Umwelt und Energie“ (47 Prozent). „Hier muss man anmerken, dass unter der Kostenstelle „Soziales“ auch die Gemeindekosten für die Mindestsicherung fallen. Es ist vielfach nicht bekannt, dass die Kommunen im Durchschnitt die Hälfte der Mindestsicherung finanzieren“, so Mödlhammer.

Die größte Sorge bereitet den Gemeinden die schlechte Wirtschaftsentwicklung. 45 Prozent sehen das mit großer Besorgnis. „Auch die Arbeitslosigkeit ist in den Überlegungen der Bürgermeister/innen natürlich ein großes Thema“, so Mödlhammer. „Diese Bereiche gehen natürlich Hand in Hand und jeder hat Sorge, dass die Arbeitslosigkeit auch in der eigenen Gemeinde steigen könnte. Zu schaffen macht den Ortschefs offensichtlich auch die mögliche Überalterung ihrer Gemeinde. „Die demographische Entwicklung zeigt ja auch, dass viele Gemeinden mit Abwanderung und einer daraus resultierenden Überalterung der Bevölkerung umgehen müssen. Das zieht spürbare Konsequenzen nach sich, da geht es auch um Verkehrswege, um öffentlichen Nahverkehr, um Einkaufsmöglichkeiten, Pflege, Betreuung, etc.. Das sind alles Dinge, die bei einer überalternden Gemeinde deutlich an Wichtigkeit gewinnen.“

Kritische bewerten Österreichs Kommunalpolitiker/innen die Arbeit der Bundesregierung. 67 Prozent sind wenig oder gar nicht zufrieden mit der Politik auf Bundesebene. „Das ist ein gravierendes Warnsignal“, sagt Mödlhammer. „Es ist keine Neuigkeit, dass die Kommunalpolitik sehr kritisch gegenüber höheren Ebenen ist, in dieser Deutlichkeit kenne ich das bislang aber nicht.“ Im Durchschnitt wurden nur 2,11 von 5 möglichen Sternen für die bundespolitische Arbeit vergeben.

Ein wenig anders sieht die Sache bei der Bewertung der jeweiligen Landesregierungen aus. „Es mag in Wien modern und üblich sein, die Arbeit der Bundesländer zu verhöhnen oder schlecht zu reden“, so Mödlhammer. „In den Gemeinden sieht man das anders. Dort sind nur 33 Prozent unzufrieden, der Rest findet, dass in den Ländern ganz ordentlich gearbeitet wird.

Zufrieden sind die Ortschef/innen mit der Anerkennung, die sie in der eigenen Gemeinde erfahren. 63 Prozent haben angegeben, dass die Leistungen der Gemeinde von der Bevölkerung in überwiegendem Ausmaß gewürdigt werden. „Dieser Wert war vor neun Jahren – als wir zuletzt hier in Klagenfurt einen Gemeindetag hatten – ähnlich hoch“, erinnert sich Mödlhammer. Die Arbeitsbelastung, die Verantwortung und die Schwierigkeit der kommunalen Arbeit seien in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen. 78 Prozent geben an, dass ihre Arbeit sehr viel schwerer geworden sei.

„Insgesamt gibt uns diese Blitz-Befragung einen guten Überblick darüber, in welche Richtung die Gemeinden in den kommenden Jahren arbeiten werden“, so Mödlhammer. „Und sie zeigt auch, dass in den Kommunen Pragmatismus und Hausverstand die wichtigsten Eigenschaften sind. Unsere Gemeindevertreter/innen arbeiten die Themen, die anstehen, unaufgeregt und lösungsorientiert ab. Das würden wir uns in höherem Ausmaß auch von der Bundespolitik wünschen.“

Der 63. Österreichische Gemeindetag beginnt heute, Donnerstag, in Klagenfurt und endet morgen zu Mittag. Rund 2.500 Gemeindevertreter/innen aus ganz Österreich nehmen am größten kommunalpolitischen Event des Jahres teil. Zu Gast sind u.a. Finanzminister Hans-Jörg Schelling, Innenminister Wolfgang Sobotka, Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser.

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©Jacqueline Godany/Gemeindebund

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©Jacqueline Godany/Gemeindebund