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Familienfreundlichkeit: Zertifizierung bei Gemeinden funktioniert

Wie familienfreundlich ist Österreich? Im Vergleich zu anderen Nationen sind wir gut dabei, dennoch gibt es noch viel zu tun, wie ein aktueller Forschungsbericht des Österreichichen Instituts für Familienforschung aufzeigt. Unterschiedliche Problemlagen gibt es vor allem zwischen Stadt und Land. Während im städtischen Bereich viele Lebensräume durch den starken Verkehr, fehlende Spielflächen oder verschmutzte Grünflächen nicht als kinderfreundlich empfunden werden, wird am Land oft die fehlende Anpassung der Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtung bemängelt.

Viel Geld, wenige Sachleistungen

Der internationale Vergleich zeigt deutlich: Die Franzosen, die im Vergleich den größten Anteil des BIP – nämlich über 3,5 Prozent des BIP – für Familien ausgeben, stecken nur rund halb soviel wie Österreich in Geldleistungen. Den größten Anteil machen Sachleistungen aus, auch steuerliche Begünstigungen haben hier einen größeren Stellenwert. Drittplatzierter Schweden hat gar keine steuerlichen Begünstigungen für Familien – die Hälfte der Ausgaben sind direkte Geldleistungen, die anderen Hälfte Sachleistungen. Ähnlich funktioniert die Familienförderung in Dänemark, das in letzter Zeit des öfteren als Österreichs Vorbild in Sachen Kinderförderung in den Medien war. Österreich, wo mehr als 2,5 Prozent des BIP für Familien aufgewendet werden, liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld nach Irland aber vor Tschechien. Schlusslicht ist Korea mit einem verschwindend geringen Anteil an Geldleistungen und nur sehr wenigen Sachleistungen.

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Quelle: Forschungsbericht Nr. 13
Österreich befindet sich im Mittelfeld bei den Ausgaben für Familien. In puncto Sachleistungen könnten wir durchaus noch aufholen.

Unternehmen haben starken Aufholbedarf

Die Politik ist hier in vielen Bereichen gefordert. Dennoch – und das betonten die Autoren Sabine Buchebner-Ferstl, Markus Kaindl, Rudolf Schipfer und Mariam Tazi-Preve explizit – ist die Gesellschaft als Ganzes gefordert. Vor allem die Vereinbarung mit dem Beruf wird als Glücksfall erlebt und ist immer noch keine Selbstverständlichkeit. Für Frauen bedeutet die Karenz immer noch oft das Karriereaus und die Rückkehr zu traditionellen Mustern. Auch Männern wird Familie nicht einfach gemacht: Die Karenzzeit kann auch für sie einen Karriereknick bedeuten, zusätzlich wird ihr als nicht rollenkonform empfundenes Verhalten oft ins Lächerliche gezogen. So musste sich ein Mann in Väterkarenz die Frage gefallen lassen, ob ihm „denn schon Brüste wachsen“. Die gravierendsten Nachteile werden jedoch im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung erlebt.

Wahlfreiheit hat großen Stellenwert

Dass die Ansichten, was familienfreundlich ist, durchaus divergieren, zeigt die Frage der Kinderbetreuung in den ersten Lebensjahren. Besteht für die einen Familienfreundlichkeit primär aus dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Erwerb zu ermöglichen, bedeutet Familienfreundlichkeit für andere, dass sich Frauen mehrere Jahre ohne finanzielle Not den Kindern widmen können.

Umso wichtiger ist deshalb die regionale Weiterentwicklung des Angebots auf Bezirks- und Gemeindeebene. So gibt es auch starke Unterschiede zwischen urbanen und ruralen Gebieten: Während für die einen die Nähe zur Natur fernab vom Straßenverkehr das Nonplusultra der Kinderfreundlichkeit darstellt, sind es für andere in erster Linie vielfältige Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten im Stadtzentrum. Gerade in puncto Kinderbetreuung haben die ländlicher gelegenen Gemeinden jedoch noch aufzuholen: Oft wurden beispielsweise fehlende Ganztagsbetreuungseinrichtungen oder zu kurze Öffnungszeiten von Kindergarten und Co bemängelt, außerdem sei es schwierig, Krippenplätze unterm Jahr außerhalb des regulären Kindergartenbeginns zu bekommen.

Bei mehr Kindern lohnt es sich für den karenzierten Elternteil aufgrund der hohen Kinderbetreuungskosten oft gar nicht mehr, einem Teilzeitjob nachzugehen.

Spielplätze am Land überflüssig?

Spielplätze werden eher als Eingrenzung des für Kinder vorgesehenen Bereichs gesehen. Während dies in Städten aufgrund der eher kinderfeindlichen Umgebung (starker Verkehr, schmutzige Grünflächen, usw.) nötig ist, werden diese von den Autoren im ländlichen Bereich nicht unbedingt als notwendig erachtet, da dort die Lebensumgebung insgesamt kinderfreundlicher ist. Familienermäßigungskarten, wie sie beispielsweise in Oberösterreich angeboten werden, tragen auch im ländlichen Bereich dazu bei, erschwingliche Freizeit- und Ausflugsmöglichkeiten zu schaffen.

Dass sich die Beschäftigung mit Familienfreundlichkeit für Gemeinden durchaus auszahlen kann, bestätigen auch die Wissenschaftler/innen: Die demografische Entwicklung und vor allem auch die Abwanderung der jungen ungebundenen Bevölkerung aus den ländlichen Regionen in die Städte, sowie die Stadtflucht der jungen Familien in die umliegenden Regionen haben dazu geführt, dass Gemeinden Familienfreundlichkeit als (Lock-)Mittel im Wettbewerb um junge Familien entdeckt haben. Familienfreundlichkeit ist damit zu einem zentralen Faktor kommunaler Politik geworden.

Zertifikate für Gemeinden „nachahmenswert“

Während Zertifikate, die Unternehmen in diesem Bereich erwerben können, in der Praxis aufgrund der fehlenden durchgängigen Umsetzung, oft als Farce empfunden werden, werden Initiativen wie das Audit familienfreundlichegemeinde oder ähnliche Initiativen in den einzelnen Bundesländern von den Befragten als nachahmenswert deklariert. Auch aus Sicht der Autoren wird dies bestätigt. Da es keinen direkten Weg zu Familienfreundlichkeit gibt, braucht es einen breit angelegten und kontinuierlichen Prozess – in Kommunen UND Unternehmen.

Keine repräsentative Studie

Der Forschungsbericht besteht aus einem großen Teil, der die statistischen, rechtlichen und politischen Aspekte behandelt, der zweite große Bereich ist die Analyse von insgesamt 131 Erfahrungsberichten zum Thema „Kinder- und Familienfreundlichkeit in Österreich, die im Zeitraum von Ende Februar bis Ende Juli 2012 eingegangen sind. Dabei handelt es sich um keine repräsentative Studie. Aufgrund der Datenerhebungsmethode – dem Einholen von Erfahrungsberichten – geht unweigerlich eine negative Verzerrung einher, da negative Erlebnisse oft mit starken Emotionen verknüpft sind, welche ein erhöhtes Bedürfnis hervorrufen, die entsprechenden Erfahrungen zu kommunizieren.

So wie Grimmenstein befinden sich viele Gemeinden auf dem Weg zum Zertifikat „familienfreundlichegemeinde“. Ein Weg, der sich für Kommunen auszahlt, wie nun der Forschungsbericht bestätigt.