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Falsche Zahlen bringen die Reformdebatte nicht weiter

14.1.2015 – An Österreichs Gemeinden kann man einiges kritisieren. Sie mit falschen Zahlen anzugreifen dient weder der Sache noch der nötigen Reformdebatte. Eine Erwiderung von Helmut Mödlhammer.

In der Vorwoche hat Gudula Walterskirchen in der “Presse” die Verschuldung der Gemeinden kritisiert und ein Ende der Kirchturmpolitik gefordert (siehe Quergeschrieben in der Presse vom 5. Jänner). Das ist ihr gutes Recht. Wenn jedoch die Zahlengrundlage der Kritik so drastisch von der Faktenlage abweicht, dann ist Widerspruch notwendig.

Konkret wurde den Gemeinden vorgeworfen, dass sie pro Einwohner mit 4.630 Euro verschuldet sind. Das würde einen Gesamtschuldenstand von 31 Mrd. Euro bedeuten (ohne Wien, denn die Bundeshauptstadt wird als Bundesland bewertet). Tatsächlich betrugen die Finanzschulden der Kommunen 2013 11,4 Milliarden Euro (1700 Euro pro Kopf), bei einem Jahresbudget von 17 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der Schuldenstand des Bundes liegt derzeit bei rund 226 Milliarden Euro, bei einem Jahresbudget von rund 75 Milliarden Euro.

Selbst wenn man die Verbindlichkeiten der ausgegliederten kommunalen Gesellschaften einberechnet (rund 2,5 Mrd. Euro), kommt man bei weitem nicht auf die behaupteten Werte.

(Anm.: Inzwischen stellt sich heraus, dass Walterskirchen offenbar die Pro-Kopf-Verschuldung Wiens mit der Pro-Kopf-Verschuldung aller Gemeinden verwechselt hat).

Faktum ist, dass die Gemeinden seit drei Jahren Budgetüberschüsse erzielen und der reale Schuldenstand sinkt. Dies ist jederzeit im Gemeindefinanzbericht, der auf den Rechnungsabschlüssen aller Gemeinden beruht, für jedermann nachlesbar. Die großen Defizite und Schulden findet man übrigens in Städten wie Wien, Linz, Graz oder Wiener Neustadt. In der gesamtösterreichischen Betrachtung müssen die Defizite der Großen von den vielen kleinen Gemeinden ausgeglichen werden. Die Maastricht-Schulden Wiens liegen bei 5,8 Mrd. Euro (für rd. 1,7 Mio. Einwohner). Jene aller anderen Städte und Gemeinden (7 Mio. Einwohner) bei rund 7,0 Mrd. Euro. Die Maastricht-Schulden zeigen – im Unterschied zu den Finanzschulden – nur jene Verbindlichkeiten an, die nicht durch Gebührenhaushalte (Müll, Wasser, Kanal) bedient werden.

Richtig bleibt der Reformbedarf, den nicht nur Gudula Walterskirchen, sondern auch der Gemeindebund einfordert. Die Gemeinden leiden darunter, dass ihnen immer mehr Aufgaben aufgehalst werden, die sie nicht nur umsetzen, sondern auch finanzieren sollen. Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen etwa muss zum großen Teil aus den kommunalen Budgets finanziert werden. Für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssen die Kommunen Jahr für Jahr mehr an die Länder bezahlen, inzwischen überweisen die Gemeinden den Ländern um rund eine Milliarde Euro mehr pro Jahr, als von dort an sie zurückfließt.

Österreich hat in vielen Bereichen einen großen Reformstau. Es bedarf einer Aufgabenreform, die das Dickicht an Zuständigkeiten ausholzt. Für die Kinderbetreuung sind vier Ministerien und neun Bundesländer mit jeweils unterschiedlichen Regeln zuständig. Umsetzen und finanzieren sollen die Gemeinden. Ähnliche Zustände gibt es in vielen anderen Bereichen auch. Im Zuge einer Aufgabenreform müssen wir klar definieren, welche Ebene welche Aufgaben erfüllen soll und dafür dann transparente Finanzierungsströme schaffen. Nur so sind Doppelgleisigkeiten und Mehrfachzuständigkeiten verhinderbar.

Ich halte das auch für wichtiger, als jede Diskussion über die Erhöhung von Steuern. Unser Land hat kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem.  Jeder Ebene muss klar sein, dass sie nicht mehr Geld ausgeben kann, als sie einnimmt. Und die Lösung dafür liegt nicht in Steuererhöhungen. Die Gemeinden haben das verstanden. Hunderte Gemeindeverbände, in denen Aufgaben gemeinsam erledigt werden, sind wichtige Belege dafür. Ob Zwangsfusionen wie in der Steiermark finanziell einen Vorteil bringen, das werden die nächsten Jahre zeigen. Für eine offene und ernsthafte Reformdebatte stehen die Gemeinden Österreichs jederzeit bereit.

Helmut Mödlhammer

Diese Erwiderung ist auch am 14. Jänner 2015 in der Print-Ausgabe der „Presse erschienen.