Ein EuGH-Urteil sorgt derzeit für Verwirrung bei Gemeinden, die Facebook-Seiten betreiben. Sie sollen für Datenschutzverletzungen von Facebook in Mitverantwortung gezogen werden können. Das heißt nun aber nicht, dass alle ihre Seiten löschen müssen, weiß Reinhard Haider, E-Government-Beauftragter des OÖ Gemeindebundes.
Für Aufregung bei den Behörden, die eine Facebook-Fanpage betreiben, sorgte kürzlich das EUGH-Urteil RS-C 210/16, welches relativ unkommentiert den Weg in die sozialen Internet-Kanäle gefunden hat. Auch Gemeinden haben daher die Anfrage an den Gemeindebund gestellt, ob die Gemeinde-Fanseiten weiterhin betrieben werden dürfen.
Worum geht’s in dem Urteil?
Im Urteil wurde festgestellt, dass Facebook UND der Seitenbetreiber die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzes haben. Jedoch: Nicht automatisch die gleiche Verantwortung (Rn 43 des EUGH-Urteils). Es ist davon auszugehen, dass Facebook hier die überwiegende Verantwortung trifft, den Fanpage-Betreiber (z.B. die Gemeinde) eine geringere Verantwortung.
Konkret geht es um den „Insights“-Button, der darüber informiert, wie viele Seitenaufrufe es gibt, die Anzahl der Interaktionen und die Reichweite. Das EUGH-Urteil ist eine Vorabentscheidung für den Deutschen Gerichtshof in einer innerstaatlichen Angelegenheit. Der Trend ist damit zwar gesetzt, das Verfahren in Deutschland ist aber noch offen.
Das Urteil lässt, wie üblich in der Internet-Rechtssprechung, viele Fragen offen. Um die möglichen Datenschutzprobleme zu klären, wenden sich nun viele Privatpersonen und Organisationen an Facebook. Verlangt wird in den Schreiben und Klagen gegen Facebook die Klärung der Frage, welche Pflichten das Unternehmen bezüglich des Datenschutzes übernimmt. Bis diese geklärt sind, solle Facebook die alleinige Verantwortung dafür übernehmen. Facebook soll exakt erklären, welche Daten von Fanpage-Besuchern wie lange erhoben, gespeichert und/oder verarbeitet werden. Das gilt es nun abzuwarten, Ende Sommer 2018 sollte dafür die Deadline sein. Außerdem muss man berücksichtigen, dass sich das Urteil auf die Gegebenheiten aus dem Jahr 2011 bezieht und mittlerweile, wie wir alle wissen, datenschutzrechtlich sich einiges geändert hat.
Für die „Fans“ unserer Seiten könnte nachstehender kleiner Hinweis für Klarheit und Transparenz sorgen:
Lieber Betrachter unserer Facebook-Fanpage!
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 05.06.2018 ausgesprochen, dass Betreiber von Facebook-Fanpages aus datenschutzrechtlicher Sicht auch „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung der Daten durch Facebook gemeinsam mit Facebook sind. Facebook-Pages arbeitet im Bereich des Reiters „Insights“ mit sogenannten Cookies, die dein Verhalten auf unserer Fanpage mitschreiben. Auf dieser Basis sind die Auswertungen, die du in „Insights“ siehst, erst möglich. Dadurch haben wir als Betreiber der Fanpage eine Mitverantwortung – zumindest laut EuGH. Allerdings haben wir auf Facebook keinen Einfluss, die Funktion „Insights“ zu deaktivieren. Dennoch hat Facebook zwischenzeitlich am Reiter „Insights“ gearbeitet. Wir wissen aber nicht, ob damit auch die zugrundeliegenden Funktionen im Hintergrund deaktiviert worden.
Aus diesem Grund hat die FH OÖ bei Facebook Ireland Ltd eine Beschwerde mit der Aufforderung, die Entscheidung über die Verwendung von „Insights“ in die Sphäre der Benutzer zu verlagern, eingebracht und unter Vorgabe einer einmonatigen Umsetzungsfrist eine weitere Beschwerde bei der österreichischen Aufsichtsbehörde gem Art 77 DSGVO angekündigt. Wenn du also ganz sicher sein willst, dass dein Surfverhalten von Facebook nicht mitgeschrieben wird, darfst du diese Seite vorerst nicht mehr einsehen.
Mit freundlichen Grüßen, dein Facebook-Pagesbetreiber
Diese Zeilen können auf der Fanpage in das Banner eingepflegt oder sehr prominent für jeden Interessenten platziert werden. Dieser Texthinweis stammt vom Datenschutzexperten Dr. Christian Schweighofer, Leiter der Abteilung Recht und Personalrecht und FH-Lektor der FH Oberösterreich. Er ist unter anderem Herausgeber des Kurzlehrbuches „Grundzüge des Datenschutzrechtes“, erschienen im Neuen Wissenschaftlichen Verlag (2018), Herausgeber der Neuen@Hochschulzeitung (N@HZ) gemeinsam mit Prof. Dr. Werner Hauser und Autor zahlreicher einschlägiger Publikationen zu arbeits-, hochschul- und datenschutzrechtlichen Fragestellungen.
Meine Meinung:
Nachdem auch das Bundeskanzleramt und das Land Oberösterreich weiterhin auf Facebook vertreten sind (Stand 19.6.2018), ist es meine Empfehlung abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt und nicht in einer überhasteten Aktion die Fanseiten vom Netz zu nehmen. Schließlich ist ja nicht nur Facebook betroffen, sondern in weiterer Folge auch andere soziale Medien. Trotzdem sollte sich jede Behörde dem Restrisiko bewusst sein. Die finale Entscheidung liegt klarerweise bei der Gemeinde.
Jedenfalls gilt diese Empfehlung vorbehaltlich einer möglichen Entscheidung der Datenschutz-Aufsichtsbehörde in Österreich. Die Empfehlung ist zwar begründet, könnte aber vor Gericht anders gesehen werden und auch eine Schadenersatzpflicht auslösen. Das ist nicht ganz auszuschliessen. Im weiteren Instanzenzug wären dann das Bundesverwaltungsgericht Wien und der schlussendliche Verwaltungsgerichtshof als letzte innerstaatliche Instanz vorgesehen.
In diesem Zusammenhang könnte man auch die angebliche „Macht der Konsumenten“ diskutieren. Würden nun aufgrund der Unsicherheiten alle Fanpage-Betreiber ihre Seiten abmelden, wären Facebook und andere Internet-Giganten zu einer wirklich maßgeblichen Reaktion gezwungen. Stattdessen versuchen wir uns anzupassen und abzusichern. Und da nehme ich mich selbst nicht aus.