28.8.2014 – Vor gut einem Jahr hat der Österreichische Gemeindebund infolge der Verletzung des Konsultationsmechanismus bei Erlassung der Eisenbahnkreuzungsverordnung den Verfassungsgerichtshof angerufen und damit juristisches Neuland betreten. In einem bis heute einzigartigen Verfahren fand dieser deutliche Worte und gab dem Gemeindebund Recht. Nun wurde mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) ein Einvernehmen über die daraus abzuleitende Kostenersatzpflicht erzielt.
Der Verfassungsgerichtshof hat in Spruchpunkt II. seines Erkenntnisses vom 12. März 2014, Zl. F 1/2013-20, ausgesprochen, dass der Bund die Verpflichtung zur Konstituierung des Konsultationsgremiums und Aufnahme von Verhandlungen über die zusätzlich verursachten finanziellen Auswirkungen des Verordnungsentwurfs zur EisbKrV 2012 nicht eingehalten hat.
Das bmvit ist daher angehalten, den betroffenen Gemeinden bis zum Ende der laufenden Finanzausgleichs-Periode die durch die Eisenbahnkreuzungsverordnung (EisbKrV) 2012 zusätzlich verursachten finanziellen Auswirkungen zu ersetzen. Die Kostenersatzpflicht setzt daher voraus, dass die von den Gemeinden zu tragenden Kosten tatsächlich durch die EisbKrV 2012 verursacht wurden. Sollten daher Kosten entstehen, die auch ohne EisbKrV 2012 entstanden wären, so gibt es keinen Kostenersatz.
Der Kostenersatz ist außerdem nur insoweit zu gewähren, als die Ausgaben einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Vollziehung entsprechen. Das bmvit geht dabei davon aus, dass keine Kostenersatzpflicht besteht, wenn der zu sichernde Bahnübergang aufzulassen wäre. Hierzu wurde ein Kriterienkatalog erstellt, anhand dessen ermittelt werden kann, ob eine Auflassung tunlich ist (siehe PDF rechts).
Umfang der Kostentragung
Nachdem der Verfassungsgerichtshof weder die Verordnung noch die zugrundeliegenden Bestimmungen des Eisenbahngesetzes aufgehoben hat, besteht nach wie vor die Kostentragungspflicht der Gemeinden, so sie Träger der Straßenbaulast von Eisenbahnübergängen kreuzenden Straßen sind.
Da es unterschiedliche Auffassungen über den Umfang der Kostentragungspflicht des Trägers der Straßenbaulast gibt, wurde gemeinsam mit dem bmvit herausgearbeitet, hinsichtlich welcher Maßnahmen eine Teilung der Kosten zwischen Eisenbahnunternehmen und Gemeinden zu erfolgen hat und in welcher Art und Weise sie erfolgen kann.
a) Einvernehmen
Zwischen dem Eisenbahnunternehmen und den betroffenen Gemeinden sollte in erster Linie ein Einvernehmen (vertragliche Vereinbarung) über die Regelung der Tragung der mit der Sicherung oder der Auflassung von Eisenbahnkreuzungen verbundenen Kosten erzielt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen
- welche Maßnahmen unter die Kostentragungspflicht der Gemeinden fallen (siehe nächster Punkt),
- ob es Sonderinteressen des Eisenbahnunternehmens oder der Gemeinde/n hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen (z.B. Fernsteuerung, Veränderung der Geschwindigkeit auf der Bahn) gibt.
b) Ex lege
Gemäß § 48 Abs. 2 Eisenbahngesetz (EisbG) sind vom Träger der Straßenbaulast, sofern kein Einvernehmen über die Regelung der Kostentragung mit dem Eisenbahnunternehmen hergestellt werden kann, insbesondere folgende Maßnahmen zur Hälfte zu tragen:
- die Kosten der Sicherungseinrichtungen,
- die Kosten für die bauliche Umgestaltung der bestehenden Kreuzung,
- die Kosten für Zusatzeinrichtungen zur Erhöhung der Sicherheit (Läutewerke, Drehkreuze, Tore, Umlaufsperren, Hängegitter),
- Kosten der Zusatzeinrichtungen für die barrierefreie Ausgestaltung der Sicherung der Eisenbahnkreuzung,
- die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder Durchführung sonstiger Ersatzmaßnahmen sowie
- die Kosten für die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung der umgestalteten Kreuzung, des umgestalteten Wegenetzes und der Ersatzmaßnahmen.
Hierzu ist festzuhalten, dass
- die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung erforderlichen Abtragungen und Absperrungen beiderseits der Eisenbahn zur Gänze vom Eisenbahnunternehmen zu tragen sind,
- die Kosten der Sicherungseinrichtungen für Materialbahnen, ausgenommen solche mit beschränkt-öffentlichem Verkehr, vom Eisenbahnunternehmen alleine zu tragen sind (§ 49 Abs. 2 EisbG).
c) Kostenentscheidungsantrag
Unabhängig von der Kostentragungsregelung (ex lege) können das Eisenbahnunternehmen oder die Gemeinde binnen drei Jahren ab der Entscheidung über die Art der Sicherung bzw. Auflassung einen Antrag auf Kostenentscheidung bei der Behörde stellen.
Im Rahmen des Kostenentscheidungsverfahrens ist zu prüfen,
- welche Änderungen des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs seit Erteilung der Baugenehmigung der Eisenbahnkreuzung eingetreten sind,
- welche Verbesserung durch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, durch die nach Auflassung verbleibenden oder im Zusammenhang mit der Auflassung baulich umgestalteten Kreuzungen, des umgestalteten Wegenetzes und der durchgeführten Ersatzmaßnahmen erzielt werden,
- welche Ersparnisse hierdurch erzielt werden,
- und welche Maßnahmen im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers liegen.
Hierzu ist festzuhalten, dass
- die behördliche Festlegung des Umfangs der Kostentragung (das Verhältnis der Kostenteilung zwischen Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast) von den obigen Parametern abhängt,
- es nicht ausgeschlossen ist, dass die Kosten der zu setzenden Maßnahmen, sollten sie im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse eines Verkehrsträgers liegen, von diesem alleine zu tragen sind (100%).
Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ausständig
In einem Beschluss zu einem Kostenentscheidungsantrag eines Eisenbahnunternehmens hat ein Landesverwaltungsgericht sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass nur neue Anordnungen (die erstmalige technische Sicherung, eine andere Art der technischen Sicherung) einer Kostentragungsregelung bedürfen und – so es kein Einvernehmen zwischen Eisenbahnunternehmen und Gemeinde gibt – einem Kostenentscheidungsverfahren gemäß § 48 Abs. 3 leg.zit. zugänglich sind. Die Kosten lediglich der Erneuerung bestehender Anlagen (Reinvestitionen) können laut Landesverwaltungsgericht daher nicht Gegenstand eines Kostenentscheidungsverfahrens sein. Hier geht das Gericht davon aus, dass zu der zu erneuernden (alten) Anlage entweder bereits
- eine Vereinbarung (Einvernehmen) zwischen Eisenbahnunternehmen und Gemeinde gemäß § 48 Abs. 2 leg.zit. besteht,
- eine Kostenentscheidung einer Behörde aufgrund eines Antrages nach § 48 Abs. 3 leg.zit. vorliegt oder aber
- aufgrund der älteren Rechtslage, die bis 31. März 2002 in Kraft war (§ 48 Abs. 2 idF. BGBl. 60/1957), eine Entscheidung über die Kostenaufteilung, die im Rahmen der Anordnungen zu erfolgen hatte, vorliegt.
Sollte keine dieser Kostentragungsregelung vorliegen, so geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass sich dieser Umstand nicht mittels eines Kostenentscheidungsverfahrens ändern lässt. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass eine Gemeinde, die bislang weder Errichtungskosten noch Erhaltungs- und Inbetriebhaltungskosten gezahlt hat, auch weiterhin keine Kosten zu tragen hat, selbst im Falle der Erneuerung einer Anlage. Die Gemeinde hätte demnach nur insoweit Kosten zu tragen, als neue Anordnungen seitens der Behörde getroffen werden.
Da gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, entfaltet dieser mangels Rechtskraft keinerlei präjudizielle Wirkung und ist daher abzuwarten, wie der Verwaltungsgerichtshof letzten Endes entscheidet.
Umfang des Kostenersatzes
Der den Gemeinden zu gewährende Kostenersatz umfasst grundsätzlich sowohl die Kosten im Zusammenhang mit der Sicherung von Eisenbahnkreuzungen (Art und Ausgestaltung der Sicherung, Zusatzeinrichtungen) als auch Instandhaltungs- und Betriebskosten – jedoch nur insoweit, als die Kosten durch die EisbKrV 2012 zusätzlich verursacht wurden.
Es werden den Gemeinden daher ausschließlich Kosten für Maßnahmen ersetzt, die unter die Kostenteilung gemäß § 48 Abs. 2 Eisenbahngesetz fallen (siehe oben) und im Zusammenhang mit der EisbKrV 2012 stehen. Die Prüfung, ob Finanzierungskosten zu ersetzen sind, erfolgt wie auch hinsichtlich der Kosten für die Auflassung von Übergängen jeweils im Einzelfall.
Es wird jedenfalls insoweit kein Kostenersatz gewährt, als die erforderlichen Maßnahmen der Sicherung (neue behördliche Anordnungen) bereits auf Grundlage der EKVO 1961 umzusetzen gewesen wären (es handelt sich dabei eben nicht um zusätzlich verursachte Kosten). Berücksichtigt wird aber, ob die Überprüfung der Eisenbahnkreuzung ausschließlich durch die EisbKrV 2012 veranlasst worden ist.
Es werden ebenso keine Kosten im Zusammenhang mit der technischen Sicherung einer Eisenbahnkreuzung ersetzt, wenn diese unter Zugrundelegung des Kriterienkatalogs aufgelassen hätte werden können.
Sollten Auflassungen von Eisenbahnkreuzungen zu einer (wenn auch nur zusätzlichen) technischen Sicherung der verbleibenden Eisenbahnkreuzungen führen, so schmälert dies nicht den Kostenersatz durch das bmvit, mag auch die EisbKrV 2012 nur mittelbar ursächlich bzw. die Grundlage für die technische Sicherung sein.
Kostenersatzleistung des bmvit
Nachdem die Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus von einem „Kostenersatz“ spricht, ist es laut bmvit nicht möglich, dass die Eisenbahnunternehmen die anfallenden Rechnungen bspw. aus der technischen Sicherung unmittelbar dem bmvit übermitteln. Daraus folgt, dass die Gemeinden jedenfalls in Vorleistung treten müssen und die von ihnen gezahlten Beträge je nach Ergebnis der Prüfung durch das bmvit rückerstattet bekommen. Folgende Vorgehensweise wurde gemeinsam mit dem bmvit vereinbart:
- Die Gemeinde übermittelt dem bmvit die vom Eisenbahnunternehmen erhaltenen (Teil-)Rechnungen bzw. Kostenvorschreibungen mitsamt jenen Unterlagen, so sie der Gemeinde vorliegen (Bescheide, Verhandlungsniederschriften, Pläne, Beschreibungen der Baumaßnahmen, Ausschreibungsunterlagen).
- Kurze Beschreibung, woraus sich die zusätzlich verursachten Kosten zusammensetzen sowie Begründung, weswegen eine Auflassung nicht möglich ist/war.
- Das bmvit prüft, ob die tatsächlich entstandenen zusätzlichen finanziellen Ausgaben einer wirtschaftlichen, zweckmäßigen und sparsamen Vollziehung entsprechen, allenfalls erfolgt die Einholung ergänzender Unterlagen und Auskünfte.
- Möglichkeit der Stellungnahme des Eisenbahnunternehmens,
- Übermittlung des Ergebnisses der Prüfung an die Gemeinde (Höhe des Kostenersatzes), Möglichkeit der Stellungnahme der Gemeinde.
- Wird das Ergebnis von der Gemeinde angenommen, so bezahlt die Gemeinde die Rechnung bzw. sorgt sich um die Finanzierung.
- Die Gemeinde legt den Nachweis der Bezahlung dem bmvit vor.
- Das bmvit ersetzt die gemäß der Prüfung eruierten zusätzlichen Ausgaben.
- Sollte die Gemeinden nicht mit dem Ergebnis der Prüfung einverstanden sein, so teilt sie das dem bmvit mit.
- Sollte keine Einigung über die Höhe des Kostenersatzes gefunden werden, so bleibt der Gemeinde die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs vorbehalten.
Die mit dem bmvit akkordierte Vorgehensweise beim Ersatz der Kosten gilt voraussichtlich bis Ende 2016. Eine Regelung für die Zeit danach ist Angelegenheit der Finanzausgleichspartner.