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Einspruch, Oida! – Zur Auslegung von Parteierklärungen durch die Behörden

27.4.2016 – Die Gemeinden als Behörden sind verpflichtet, Anbringen (Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen) für die sie zuständig sind, zu behandeln.
Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können diese bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen (§ 13 Abs. 1 AVG).

Parteierklärungen

Damit ein „Anbringen“, d.h. eine Erklärung mit der jemand etwas von der Gemeinde möchte, auch behandelt werden kann, muss natürlich erkennbar sein was die Person überhaupt haben will. Dazu muss die Eingabe leserlich sein (vor allem bei handschriftlichen Eingaben – ja, die gibt es immer noch!), inhaltlich verständlich sein und allenfalls den Formalkriterien entsprechen. Formalkriterien sind bei einer Berufung z.B. die Schriftlichkeit und dass sie mit einer Begründung versehen sein muss. Hilfreich ist auch, wenn sie tatsächlich als „Berufung“ bezeichnet ist.
Was zwar logisch und völlig klar klingt, ist in der Praxis längst keine Selbstverständlichkeit. Jedenfalls handelt es sich bei Eingaben, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, um mangelhafte Eingaben.

Vorgehen bei mangelhaften Eingaben

Darf die Behörde eine mangelhafte Eingabe sofort im „Rundordner“ (Mistkübel) ablegen?  – Natürlich nicht!
Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht, die Eingabe zu ignorieren oder zurückzuweisen. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht (§ 13 Abs. 3 AVG).
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erst jüngst wieder festgehalten, dass dem Geist des AVG ein übertriebener Formalismus fremd ist. Deshalb ist auch bei der Auslegung von Parteianbringen kein streng formalistischer Maßstab anzulegen (VwGH 09.09.2015, 2013/03/0120).

Ein Fall aus der Praxis

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft wurde dem Marko B. eine Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,- verhängt. In der Rechtsmittelbelehrung dieses Einspruchs heißt es auszugsweise: „Sie haben das Recht, gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben. Der Einspruch muss binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung, in jeder anderen technisch möglichen Weise oder mündlich (während der Parteienverkehrszeiten) bei uns eingebracht werden und diese Strafverfügung bezeichnen (Bitte das Bescheidkennzeichen angeben).“ 
Daraufhin langte bei der Bezirkshauptmannschaft ein E-Mail des Beschwerdeführers mit folgendem Wortlaut ein:

„Betreff: Einspruch oida
So ned, bei mir sicha ned. Ich mache Einspruch gegen Papier was sein im anhang. Das korrekt von Gesetz und so.
Mfg und Hanga tschanga.“

Diesem E-Mail war eine Ablichtung der Strafverfügung beigefügt.
Nachdem sein Einspruch – wie sich bei der Prüfung der Eingabe herausgestellt hatte – verspätet war, wurde er als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid lautete wie folgt: „Ich lege hiermit beschwerde, wiederspruch ein. Ich konnte krankheitsbedingt nicht frher antworten. Bin seit einem Unfall schon fast ein Jahr im krankenstand und immer NOCH oft nicht bei sinnen.“

Das Landesverwaltungsgericht (LVwG 28.01.2016, LVwG-S-127/001-2016) hielt dazu fest, dass das mit „Einspruch oida“ betitelte E-Mail des Beschwerdeführers zweifellos als Einspruch im Sinne des § 49 VStG zu werten war.

Dies steht im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 04.09.2008, 2007/17/0105 mwN): Gemäß § 63 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Berufung in Verwaltungsstrafsachen den Bescheid zu bezeichnen hat, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat; hiebei darf wohl bei der Auslegung des Begriffes „begründeter Berufungsantrag“ kein übertriebener Formalismus angewendet werden. Aus der Eingabe muss jedoch ersichtlich sein, aus welchen konkreten Erwägungen die Partei die in Berufung gezogene Entscheidung bekämpft. § 63 Abs. 3 AVG verlangt somit eine Darstellung der Partei, ob und aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes oder hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage bekämpft. Das Fehlen eines derartigen begründeten Berufungsantrags stellt im Übrigen (nach der Fassung des AVG seit BGBl. I Nr. 158/1998) einen verbesserungsfähigen Mangel dar.
Wenngleich die Eingabe ihrer Wortwahl nach etwas „ungewohnt“ erscheint, so ging daraus unzweifelhaft hervor, dass der Einschreiter sich gegen die verhängte Verwaltungsstrafe zur Wehr setzten wollte, weil er – nach seiner Auffassung – die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe.

Zu einer inhaltlichen Prüfung seines Einspruches kam es aber trotzdem nicht – dazu hätte er den Einspruch rechtzeitig einbringen müssen.

Schlüsselsätze:
Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd

(Quelle: NÖ Gemeindebund)

Welche Formalismen braucht es, damit ein Einspruch gültig ist?