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Das neue Regierungsprogramm aus kommunaler Sicht

1.2.2017 – Die Regierung hat sich ein neues Arbeitsprogramm verordnet. Darunter sind auch viele Bereiche, von denen die Gemeinden direkt betroffen sind.

Mehrere nächtliche Sitzungen haben immerhin zu einem Ergebnis geführt: Am 30. Jänner 2017 wurde das neue Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorgestellt. Es umfasst 36 Seiten. Tatsächlich neu ist, dass sich die Regierung für die nächsten 18 Monaten bei jeder Maßnahme einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung vorgenommen hat. Die Gemeinden sind von vielen der Maßnahmen betroffen. Hier ein kurzer Überblick sowie die jeweiligen Positionen des Gemeindebundes:

  • Beschäftigungsbonus gilt nicht für Gemeindebedienstete

Für jeden zusätzlich geschaffenen Arbeitsplatz (Vollzeitäquivalent) – beginnend mit Juli 2017 – werden dem Unternehmer 50 Prozent der Lohnnebenkosten für die nächsten drei Jahre erstattet. Dies gilt nur für Beschäftigte in Betrieben, die der Kommunalsteuerpflicht unterliegen, nicht also für Gemeinden selbst.

  • Abschaffung der kalten Progression

Welche Ebenen die Abschaffung der kalten Progression betreffen soll, wird im Regierungspakt noch nicht präzisiert. Die Umsetzung soll aber schon im April 2017 in den Ministerrat kommen und mit 1. Jänner 2019 starten. Die Regierung nimmt sich aber vor, rund 80 Prozent der kalten Progression automatisch auszugleichen. Mithilfe eines eigenen Progressionsberichts soll die Regierung dann über darüber hinausgehende Maßnahmen entscheiden.
Mödlhammer: „Das ist sicher eine sinnvolle Maßnahme. Die Menschen verstehen es nicht, wenn der Vorteil einer Steuerentlastung sich sich nach einigen Jahren durch die kalte Progression wieder verliert.“

  • Baulandmobilisierung

Diese Maßnahme umfasst die Schaffung von Vorbehaltsflächen für förderbaren Wohnbau; bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland sollen 25 Prozent als Vorbehaltsflächen für förderbaren Wohnraum ausgewiesen/vorbehalten werden – das verpflichtende 25 Prozent Anbot verfällt, wenn kein Bedarf dafür bestehen sollte, nach einer bestimmten Frist; es soll Gemeinden zweifelsfrei ermöglichen, Baurechte zugunsten geförderter Wohnungen bzw. förderbaren Wohnraums auch zu einem begünstigten Zins vergeben zu können. Bei Vorbehaltsflächen soll die jeweilige landeswohnbauförderrechtliche Preisobergrenze/Baurechtszinsobergrenze gelten; Bauträger (gewerbliche und gemeinnützige Bauträger) kommen bei Einhaltung der landesförderrechtlichen Vorschriften in den Genuss günstigerer Baugründe. Diese Maßnahmen betreffen nur Grundstücke der öffentlichen Hand. Alle diese Maßnahmen benötigen eine Verfassungsmehrheit. Daher ist die Umsetzung erst für November 2017 vorgesehen.
Mödlhammer: „Die Mobilisierung von Bauland ist eines der wichtigsten Anliegen der Gemeinden. Das betrifft sowohl Bestandsflächen, als auch neue Flächen. Aus Sicht der Gemeinden können viele der diesbezüglichen Vorhaben begrüßt werden. Über Details werden wir mit der Regierung in diesem Bereich noch verhandeln müssen. Dazu kommt, dass diese Maßnahmen eine Verfassungsmehrheit brauchen, also zwei Drittel des Nationalrats müssen zustimmen.“

  • Beschäftigungsaktion für ältere Arbeitnehmer/innen

Während auf der einen Seite der Kündigungsschutz 50+ gelockert wird, gibt es auf der anderen Seite eine Beschäftigungsaktion für eben diese Altersgruppe. Die Regierung möchte hier 20.000 Arbeitsplätze pro Jahr für über 50-jährige langarbeitslose Menschen in Gemeinden, über gemeinnützige Trägervereine und Unternehmen schaffen bzw. fördern. Dafür nimmt sie 200 Mio. Euro in die Hand. Die Beschäftigungsaktion startet im Juli 2017 in Form von Pilotprojekten. Die Mittel dafür werden aber auf zwei Jahre (bis Juni 2019) befristet.
Mödlhammer: „Diesen Teil sehe ich sehr kritisch. Die Gemeinden haben insgesamt nur 73.000 Mitarbeiter/innen. Es wird schwierig, dass wir für weitere 20.000 Menschen Beschäftigung anbieten können. Außerdem: Was ist nach den zwei Jahren, auf die diese Aktion der Regierung begrenzt ist? Sollen wir die Leute dann wieder rausschmeissen? 200 Mio. Euro können wir uns nicht leisten.“

  • Primärversorgungszentren

Nicht neu, aber hier wieder explizit erwähnt, ist der Ausbau der Primärversorgungseinheiten. Im ersten Halbjahr 2017 sollen die gesetzlichen Maßnahmen geschaffen und bis 2020 schrittweise zumindest 75 Standorte von Primärversorgungseinheiten umgesetzt werden.
Mödlhammer: „Uns ist der Erhalt und die Stärkung der Hausärzte wichtig. Primärversorgungseinheiten, wo mehrere Ärzte in einer Vernetzung zusammenarbeiten sind eine gute Idee. Den klassischen Haus- und Landarzt darf das nicht gefährden.“

  • Zweites Gratis-Kindergartenjahr

Im Rahmen des Pilotprojekts im ersten Halbjahr 2017 zum aufgabenorientierten Finanzausgleich sollen unter Einbindung der Länder sowie des Städte- und Gemeindebundes das zweite verpflichtende Gratiskindergartenjahr, der weitere Ausbau und ein bundesweit einheitlicher Bildungsrahmenplan mit pädagogischen Qualitätskriterien sowie der ebenfalls im Rahmen der Bildungsreform beschlossene Bildungskompass (Pilotierung Herbst 2017, Vollausbau Herbst 2018) zur Dokumentierung der Talente
und Förderpotenziale der Kinder umgesetzt werden.
Mödlhammer: „Schon jetzt besuchen österreichweit rund 95 Prozent der vierjährigen Kinder einen Kindergarten. Wenn man das vorletzte Kindergartenjahr auch verpflichtend machen will, um die restlichen 5 % zu erreichen, dann können wir das erledigen. Das kostet aber zwischen 50 und 70 Mio. Euro, die der Bund bereitstellen muss. Wir können das aus eigener Kraft nicht finanzieren.“

  • Schule 4.0

Sogar noch erweitert wurde der kürzlich vorgestellte Digitalisierungsplan: Ab 2017 werden schrittweise nicht nur die Schüler/innen, sondern auch die Lehrer/innen mit Tablets bzw. Laptops ausgestattet. Erstmals verliert die Regierung – wenn auch recht vage – Worte zur Finanzierung dieser Maßnahme: Das konkrete Finanzierungsmodell (PPP-Modelle, BBG, Kooperationen mit der Industrie werden im Regierungsprogramm erwähnt) wird bis Sommer 2017 erarbeitet.

Ein zweiter Punkt dieses Vorhabens ist der Ausbau des schnellen Internets an Schulen. Hier ist das Ziel, alle Schulen bis 2020/21 an das Breitbandinternet und ein leistungsstarkes WLAN anzuschließen. Unter dem nächsten Punkt „Digitalisierung“ wird auch über die Finanzierung gesprochen: Hier sollen 2017 30 Millionen Euro aus der Breitbandmilliarde verwendet werden. Beide Maßnahmen sollen mit September 2017 starten.
Mödlhammer: „Ich habe nichts gegen Tablets und Laptops in den Schulen. Wenn die Experten meinen, dass das notwendig ist, dann kann man das machen. Allerdings können auch in diesem Fall nicht wir als Schulerhalter die Kosten dafür tragen. Das ist ja mit dem Ankauf (ca. 10-15 Mio. nur für die Plfichtschulen) nicht getan. Es braucht eine Infrastruktur rundherum, Serverlandschaften, Glasfaser, Sicherheit, usw.. Das kostet viel Geld.“

  • Verbesserung bei Breitbandförderung in Aussicht gestellt

Die Breitbandmilliarde wird im ersten Halbjahr evaluiert und entsprechende Optimierungen vorgenommen. Die Hoffnung der Gemeinden nach einer Vereinfachung der Förderabwicklung darf insofern aufrecht erhalten werden, da die Regierung auch davon spricht, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert und Prozesse vereinfacht werden sollen. Die Umsetzung ist für das Frühjahr 2017 vorgesehen.
Mödlhammer: „Es ist ein großes Problem, dass die Fördermaßnahmen für viele Gemeinden viel zu kompliziert sind. Hier brauchen wir eine deutliche Vereinfachung, damit der Ausbau schneller vorangeht.“

  • Masterplan Land auch im neuen Regierungsprogramm enthalten

Relativ unkonkret bleibt es bei der Zukunftsstrategie für den ländlichen Raum. Minister Andrä Rupprechter tourt gerade durch die Bundesländer um die Ideen aus den Regionen einzusammeln. Ein konkreter Plan soll dem Ministerrat im Oktober 2017 vorgelegt werden.
Mödlhammer: „Ich fordere diesen Plan seit vielen Jahren, endlich könnte er nun Realität werden. Es geht hier um Festlegungen, was Regionen verpflichtend an Infrastruktur brauchen. Es gibt ein Recht auf Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in einem minimalen Ausmaß. Das sollte dieser Plan beinhalten.“

  • Zuständigkeitsklärung im Katastrophenfall

Schon im März in Begutachtung soll ein Sicherheits- und Krisenmanagementgesetz gehen, das die erforderlichen organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen sowie klare Strukturen und Zuständigkeiten auf Ebene des Bundes und der Länder zur Bewältigung von Krisen und Katastrophen schafft. Genauere Details verrät man noch nicht, es ist wahrscheinlich, dass hier am Ende der Kette auch die Gemeinden betroffen sind.

  • Integration

Beim Thementeil Integration gibt es zahlreiche Vorstöße: So legt sich die Regierung österreichweit auf eine Kürzung der Sozialleistungen bei Nichtteilnahme an Deutsch- und Wertekursen fest. Sanktionen sind auch bei Verstoß gegen den neu eingeführten Integrationsvertrag und eine Werteerklärung vorgesehen. Ein „Aufreger“ ist sicher auch das Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum. Am meisten trifft die Gemeinden aber wahrscheinlich die Etablierung eines verpflichtenden Integrationsjahres für Asylwerber/innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. Bei Verweigerung drohen wieder Sanktionen in Form der Kürzung der Sozialleistungen. Welche Rolle die Gemeinden dabei einnehmen werden, hat die Bundesregierung noch nicht präzisiert. Weitere Pläne der Bundesregierung in diesem Bereich betreffen Polizeibeamt/innen, Richter/innen und Staatsanwälte. Für sie wird klargestellt, dass sie weltanschaulich und religiös neutral auftreten müssen. Gesetze sollen schon am 6. Februar 2017 in Begutachtung gehen bzw. Ende März 2017 im Ministerrat behandelt werden.
Mödlhammer: „Die gemeinnützige Arbeit ist eine wichtige Integrationsmaßnahme. Die Gemeinden verlangen seit Monaten Erleichterungen und mehr Flexibilität bei den Regeln. Die Einsatzmöglichkeiten sind kein Problem, die Qualität der Betreuung von Wegen, Parks und öffentlichen Flächen wird dadurch steigen.“

  • Regelungswut eindämmen

Sollte dieses Vorhaben wirklich umgesetzt werden, so haben hoffentlich am Ende auch die Gemeinden was davon: Es soll ein Grundsatzgesetz erlassen werden, dass die Reduzierung der Regelungswut zum Ziel hat. Das bedeutet konkret, dass wenn eine neue Regulierung oder Förderung eingeführt wird, nach Möglichkeit eine alte Regulierung oder Förderung aufgehoben wird, weiters, dass eine neue Regulierung nur für einen befristeten Zeitraum erlassen wird, und danach evaluiert wird. Außerdem möchte die Bundesregierung künftig stärker darauf achten, dass sie nicht ohne Grund strengere Regulierungen bei europäischen Vorgaben vorsieht. Darüber hinaus werden Behörden die Pflicht haben, Bürger/innen nicht mit Kleinstforderungen zu konfrontieren, die in keinem Verhältnis zum getätigten Aufwand stehen. In diesen Fällen ist auf eine Einhebung zu verzichten. In wessen Ermessen diese Kleinstforderungen stehen, wird hoffentlich noch näher definiert. Diese Maßnahmen sollen schon im Februar im Ministerrat besprochen werden.

  • Zuständigkeiten bündeln

Zentrale Maßnahme soll die Abschaffung der Doppelebene Grundsatzgesetzgebung-Ausführungsgesetzgebung sein. Anstelle von Grundsatzgesetzgebung des Bundes, denen neun Landesgesetze folgen, sollen klare und einheitliche Zuständigkeiten bestehen. Davon betroffen sind beispielsweise das Elektrizitätsrecht, das Armenwesen, das Gesundheitswesen und das Landarbeiterrecht sowie das Ziel eines einheitlichen Jugendschutzgesetzes. Zusätzlich sollen durch Fördereffizienz, Verwaltungeffizienz und Ausgabendisziplin von Bund und Ländern insgesamt eine Milliarde Euro ab 1. Jänner 2018 eingespart werden. Das erste Treffen der Arbeitsgruppe zu diesem Punkt soll im Februar/März 2017 stattfinden.

  • Wahlrecht

Die große Reform des Wahlrechts wurde nun auch im Arbeitsprogramm nochmal festgehalten. Wer hier auf Details wartet, wartet vergeblich. Der diesbezügliche Absatz ist einer der kürzesten im ganzen Programm. Die Ergebnisse des parlamentarischen Entscheidungsprozesse sollen im Juli 2017 vorliegen. Außerdem wird derzeit in einem Unterausschuss des Verfassungsausschusses über eine aktualisierte Ausgestaltung der Kompetenzen des Bundespräsidenten beraten.
Mödlhammer: „Hier sind wir für Vereinfachungen. Wir brauchen keinen vorgezogenen Wahltag, der erhöht nachweislich die Wahlbeteiligung nicht. Man sollte die Briefwahl sicherer machen, mit dieser Möglichkeit kann jeder vorher seine Stimme abgeben.“

Das vollständige Arbeitsprogramm finden sie rechts unter „Downloads“.

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner präsentierten am 30. Jänner 2017 gemeinsam das Regierungsabkommen für die nächsten Monate. ©Andy Wenzel/Bundeskanzleramt