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Bürgermeisterumfrage: Verantwortung steigt, soziale Absicherung fehlt

Der Österreichische Gemeindebund sieht Handlungsbedarf bei Grundsteuer und fordert Planungs- und Finanzierungssicherheit für Kinderbetreuung, Schule und Pflege.

Die Welt wird komplexer. Die Ansprüche und Herausforderungen nehmen zu. Dank für den Einsatz gibt es selten – das sind Ergebnisse einer großen Bürgermeisterumfrage, die der Gemeindebund in Kooperation mit dem Meinungs- und Marktforschungsinstitut Demox durchgeführt hat. 530 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus ganz Österreich wurden befragt. „Das ist mehr als ein Viertel aller Gemeinden, die sich beteiligt haben“, so Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. Die Befragung zeigt dabei sehr klar: „Die Bürgermeister sollen gleichzeitig Finanz- und Raumordnungsexperten sein, die infrastrukturellen und gesundheitspolitischen Hürden nehmen und zusätzlich noch die Rolle der Mediatoren oder Psychologen bei Konflikten einnehmen. Das geht sich auf Dauer nur schwer aus“, weiß Alfred Riedl.

Verantwortung der Bürgermeister steigt

Einige Auszüge aus der Befragung: 73 Prozent der Befragten geben an, dass die Verantwortung der Ortschefs stark zugenommen hat, 56 Prozent empfinden eine große Belastung im Zusammenhang mit dem Amt und 60 Prozent meinen, dass die Notwendigkeit, zwischen Gruppen in der Bevölkerung (zum Beispiel bei Interessenskonflikten, Generationen etc.) zu vermitteln, im Vergleich zu den vergangenen Jahren zugenommen hat.

Bürgermeister werden öfter an den „Pranger“ gestellt

Darüber hinaus sehen sich Bürgermeister immer öfter in der Zwangslage Rede und Antwort stehen zu müssen für politische Entscheidungen, die auf Gemeindeebene nicht beeinflussbar sind. In der Folge werden Bürgermeister immer öfter in den sozialen Medien an den „Pranger“ gestellt. Auffallend ist, dass sowohl bei der Frage der Belastung, als auch bei den Anfeindungen und Angriffen in den sozialen Medien, Bürgermeisterinnen diese Probleme stärker empfinden als ihre männlichen Amtskollegen.

Breite Kritik gibt es von den Bürgermeistern hinsichtlich der unverhältnismäßig schlechten Bezahlung im Zusammenhang mit der Verantwortung und dem Stundenausmaß des Amtes sowie der fehlenden sozialen Absicherung für ausscheidende Bürgermeister.

Die Folgerungen aus der Umfrage für den Gemeindebund

„Die Umfrage zeigt ganz deutlich, dass wir die richtigen Maßnahmen hinsichtlich der künftigen Herausforderungen in den Gemeinden setzen, die richtigen Themen ansprechen und die Sorgen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ernst nehmen“, sagt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl.

Haftung und soziale Absicherung

„Wir spüren, dass der Druck auf die Bürgermeister in Haftungsfragen verbunden mit hohem Klagsrisiko enorm steigt – von den persönlichen und psychischen Belastungen ganz abgesehen. Hier muss der Druck von den Bürgermeistern genommen werden, weil sich in letzter Konsequenz die Bürgermeister diese Arbeit in Zukunft nicht mehr antun werden“, fürchtet Riedl.
Auf der persönlichen Ebene der Bürgermeister stellt das strukturelle Defizit in der sozialen Absicherung der Bürgermeister nach wie vor ein großes Problem da. „Es kann nicht sein, dass ein Bürgermeister, der sein Amt engagiert ausführt, nach seiner Abwahl keine Versorgungssicherheit hat. Hier brauchen wir endlich eine sozialrechtliche Absicherung! Immerhin führen 31 Prozent der Befragten das Bürgermeisteramt hauptberuflich aus“, moniert Riedl.

Reform der Grundsteuer gefordert

Hinsichtlich der Herausforderungen in den Gemeinden werden die Finanzen nach wie vor als das größte kommunale Sorgenthema von den Bürgermeistern genannt. „Hier haben wir dringenden Handlungsbedarf und werden auch nicht lockerlassen. Es kann nicht sein, dass die Gemeinden ständig neue Aufgaben und Kosten übernehmen müssen, für die sie eigentlich nicht zuständig sind. Gleichzeitig wird bei der Reform der Grundsteuer – einer reinen Gemeindeabgabe – gebremst“, ärgert sich Alfred Riedl.

Bei Ausbau der Kleinkinderbetreuung Luft nach oben

„Das Thema Kinderbetreuung steht für unsere Dorfbevölkerung ganz oben auf der Prioritätenliste. Wir sind bei den Betreuungsmöglichkeiten für 2,5 bis 6-jährige Kinder sehr gut aufgestellt. Bei der Kleinkinderbetreuung hingegen haben wir da und dort noch Ausbaubedarf“, so Präsident Riedl. Der Investitionsbedarf wird in den nächsten Jahren in diesem Bereich allerdings sehr hoch sein. Schon jetzt wendet eine Gemeinde durchschnittlich 6.000 Euro pro Jahr und betreutem Kind auf.

Schule – alles Personal muss in eine Hand

Neben dem Kindergarten spielen auch die Schulen für die Bevölkerung eine immer gewichtigere Rolle – nicht zuletzt auch bei der Wohnortauswahl. Klar ist, dass die Gemeinden seit Jahren Aufgaben in der Schule übernehmen, für die sie gar nicht zuständig sind. „Ich spreche da von Stützkräften, Sozialarbeitern, Freizeitpädagogen, administrativen Kräften“, so der Gemeindebund-Chef.
Deshalb ist die Forderung des Gemeindebundes ganz klar: „Wir brauchen dringend eine Neuorganisation des Bildungsbereichs, in der alles Personal in eine Hand gehört und nicht drei verschiedene Dienstgeber zuständig sind“, so Riedl.

Brauchen Finanzierungssicherheit in der Pflege

Auch eine bestmögliche Pflegeversorgung wird von den Bürgermeistern in den Gemeinden als zukünftige Herausforderung gesehen: „Einen beträchtlichen Teil der Pflegekosten von 4,5 Milliarden Euro finanzieren die Gemeinden mit einer knappen Milliarde Euro. Deswegen müssen die Gemeinden nicht nur in die Reformpläne der Pflege eingebunden werden. Wir brauchen auch dringend eine Finanzierungssicherheit in dieser Frage“, sagt Alfred Riedl.

Abschließend bleibt festzuhalten: „Die Verantwortung für Bürgermeister steigt enorm, die Belastungen werden mehr, die Herausforderungen in den Gemeinden sind groß. Da braucht es Halt und Orientierung. Da braucht es aber vor allem Menschen, die Verantwortung übernehmen. Die Bürgermeister beweisen sich tagtäglich als ‚Helden des Alltags‘. An uns liegt es, sie zu bestärken und für diese Aufgabe zu ermutigen – heute mehr denn je“, so der Gemeindebund-Präsident.

Redaktion – 16.12.2019