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Bürgermeistertag: Schelling: “Probleme lösen, die man allein nicht hätte”

10.3.2015 – Der Finanzminister ist ein geschickter Redner. Er ist einerseits unterhaltsam und baut in jede seiner Reden einige Witze und Anekdoten ein. Man sei in einer Koalition mit der SPÖ, sagt er oft. Das sei wie in einer Ehe. Man löse Probleme, die man alleine gar nicht hätte. So hat man die Lacher und damit oft auch das Publikum auf seine Seite. Schelling beherrscht das perfekt. Und er argumentiert exzellent. „Wir gehen die Probleme oft von der falschen Seite an“, klagt er beim 27. Bürgermeistertag in Wieselburg (NÖ). „Bei der Bildungsreform diskutieren wir monatelang das Lehrerdienstrecht, bevor wir darüber reden, was für die Kinder gut wäre. Das Dienstrecht ist wichtig, gar keine Frage. Es sollte aber am Ende der Debatte stehen, wenn man weiß, wo man überhaupt hin will.“ Beim Bundesheer sei es das Gleiche gewesen. „Wir haben abgestimmt, ob wir ein Bundesheer wollen oder nicht. Kein Mensch hat darüber geredet, was ein Bundesheer überhaupt leisten soll.“

Das Auditorium nickt zustimmend und ist nun bereit für härtere Kost. „Wir müssen natürlich auch über den Finanzausgleich reden“, sagt Schelling. Hier sei Aufgabenorientierung der entscheidende Punkt. „Bei uns in Österreich ist jeder zuständig, aber niemand verantwortlich“, weiß Schelling. „Wir müssen daran arbeiten, dass die Ebene, die etwas macht, auch die finanzielle Verantwortung dafür übernimmt. Das bedeutet, dass das Hin- und Herschieben von Geld zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufhören muss. Die hunderttausenden Transfers machen alles nur intransparent und unübersichtlich.“

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©Gemeindebund
Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer im Gespräch mit der Scheibbser Bürgermeisterin Christine Dünwald.

Das sei auch der Weg, auf der sich Schelling der Steuerreform annähere. „Ich kann es nicht oft genug sagen: Österreich hat kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. In einem vergleichbaren Zeitraum ist die Inflation um 23 Prozent gestiegen, die Staatseinnahmen aber um 40 Prozent. Aus meiner Sicht müssen wir 75 Prozent der Steuerentlastung über Einsparungen gegenfinanzieren. Ich halte nicht viel davon, dass wir im Hochsteuerland Österreich noch einmal die Steuern erhöhen.“

Immer noch hat der Finanzminister den Großteil des Publikums auf seiner Seite und mischt nun Anekdoten mit Weisheiten. „Ich habe einmal gelesen, dass es drei Hauptgründe für Reformstillstand gibt. Angst vor Machtverlust, Angst davor, unpopuläre Wahrheiten auszusprechen und Angst davor, nicht mehr geliebt zu werden.“ Vor dem letzten Grund müsse man sich als Bundespolitiker nicht mehr fürchten, denn das sei ohnehin schon Realität. „Darüber hinaus sollten wir mehr daran arbeiten, dass wir das Richtige tun und es dann populär machen, anstatt schon im vorhinein Dinge nicht zu machen, weil man die nächste Meinungsumfrage fürchtet“, so Schelling. Die Menschen seien für die Wahrheit empfänglich, auch wenn sie nicht immer angenehm wäre, glaubt Schelling.

Nach Ende seines Referats stellt sich der Minister noch den Fragen der rund 200 Bürgermeister/innen, die nach Wieselburg gekommen sind, um ihn zu hören. „Ja, auch über den Missbrauch von Sozialleistungen müsse man reden“, sagt er dann und nennt eine plakative Zahl: „Europa stellt 7 Prozent der Weltbevölkerung, erwirtschaftet 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, aber leistet 50 Prozent aller Sozialleistungen, die es auf diesem Planeten gibt. Darüber muss man schon auch einmal nachdenken. Das ist eine schwierige Diskussion, aber wir werden sie führen müssen, wenn wir uns das weiterhin leisten wollen.“

Publikum

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Volles Haus im Schloss Weinzierl in Wieselburg.

Sprichts, erzählt noch einen Witz und verlässt Wieselburg in Richtung Brüssel, „wo wir beim Ecofin ein, zwei oder drei Probleme mit Griechenland zu lösen haben“. Die Bürgermeister/innen dankens ihm mit großem Applaus.

Der zweite Redner des Vormittags hats danach schwer. Und das obwohl Christoph Leitl, immerhin Präsident der Wirtschaftskammer, kein Nobody ist. Auch er kann reden. Der Esprit von Schelling fehlt ihm aber manchmal ein wenig. Die Leistungen der Gemeinden weiß er aber zu würdigen. „Ihr seid die wichtigsten öffentlichen Investoren, eure Entscheidungen sichern tausende Arbeitsplätze in der regionalen Wirtschaft“, sagt Leitl und klagt über überbordende Bürokratie. „Ihr kriegt das ja leider in den Gemeinden auch zu spüren, dass es für jeden Unsinn dutzende Vorschriften gibt“, so Leitl.

Beiden Referaten lauscht auch Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer aufmerksam. „Man darf keine Gelegenheit auslassen, um zu hören, welche Pläne der Finanzminister hat“, schmunzelt Mödlhammer. „Ich habe großen Respekt vor Sixtus Lanner, der diesen Bürgermeistertag seit Jahrzehnten organisiert und einen hochkarätigen Redner nach dem anderen nach Wieselburg holt. Er ist ein Schutzherr und ein Kämpfer für den ländlichen Raum.“

Schelling

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Finanzminister Hansjörg Schelling. Nach einer launigen Rede reiste er direkt nach Brüssel zum Ecofin.
Organisator Sixtus Lanner mit Minister Schelling und dem Gast mit der längsten Anreise, dem Bürgermeister von Mayrhofen im Zillertal, Günther Fankhauser. ©Gemeindebund