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Bürgermeister haften trotz Schuldlosigkeit

Bürgermeister in der Haftungsfalle: In den letzten Tagen sind in Salzburg zwei Fälle bekannt geworden, in denen gegen Bürgermeister Strafverfahren durch die Aufsichtsbehörden eingeleitet wurden. Dies zeigt einmal mehr, den dringenden legistischen Handlungsbedarf auf Bundesebene. Ansonsten könnten immer weniger Menschen bereits sein, kommunalpolitische Aufgaben zu übernehmen.

Die Stimmung innerhalb der Salzburger Bürgermeisterinnen und Bürgermeister schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Zorn: innerhalb von weniger als einer Woche sind zwei Fälle bekannt geworden, in denen gegen zwei ihrer Kollegen ein Strafverfahren wegen Übertretung des Pflegegesetzes durch die Aufsichtsbehörde eingeleitet wurde, der Strafrahmen beträgt bis zu 10.000 €. Das Unbegreifliche dabei: die Bürgermeister trifft dabei nicht einmal der Hauch einer Schuld, da ihre Gemeinden den Betrieb der Einrichtungen an einen externen Betriebsführer vergeben haben. Die Bürgermeister befinden sich dabei in einer regelrechten Haftungsfalle, da die Haftung im Verwaltungsstrafverfahren unmittelbar bei der außenvertretungsbefugten Person nach § 9 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) anschließt und dies sind auf Grund der Salzburger Gemeindeordnung – wie auch nach den meisten anderen Gemeindeordnungen – die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

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Dr. Martin Huber ist Jurist und Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes. Er unterrichtet auch „Public Management“ an der Fachhochschule Kärnten. Für Kommunalnet analysiert Huber immer wieder juristische Themenfelder mit Gemeindebezug. ©Gemeindebund

Novelle zur Salzburger Gemeindeordnung soll Gemeindevertretern Rücken stärken

Dabei war die Thematik der strafrechtlichen Verantwortung in der Kommunalpolitik  auch nach dem SWAP-Urteil gegen den ehemaligen Bürgermeister der Landeshauptstadt und mehrere leitende Mitarbeiter der Stadtverwaltung bereits in den letzten Wochen beinahe täglich in der Salzburger Medienlandschaft gegenwärtig. In dem Rechtsgutachten eines renommierten Strafrechtsexperten der Universität Salzburg wurde festgestellt, dass mit der Nichtannahme von Ausgleichszahlungen durch einen Stromkonzern ein hohes strafrechtliches Risiko für die einzelnen Gemeindevertreter verbunden ist – auch dann, wenn die Gemeinde das Projekt inhaltlich eindeutig ablehnt. Die Strafbarkeit setzt gar kein unmittelbares Handeln voraus, auch ein Befugnismissbrauch durch Unterlassung eines gebotenen Tuns kann strafbare Untreue im Sinne des § 153 StGB begründen. Durch eine Novelle zur Salzburger Gemeindeordnung soll der derzeitige Widerspruch zwischen der strafrechtlichen Realität und dem freien Mandat der Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter entschärft werden, noch heuer soll im Salzburger Landtag die Beschlussfassung erfolgen.

Druck auf Bürgermeister steigt – Gesetzgeber gefordert

Diese Fälle zeigen – wie viele andere auch – deutlich den legistischen Handlungsbedarf auf Bundesebene im Bereich des Strafrechtes (vor allem bei der Untreuebestimmung des § 153 StGB und den Amtsdelikten iS der §§ 302 ff StGB) und des Verwaltungsstrafrechtes auf. Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherungen, Schulungen, Compliance Management und interne Kontrollsysteme  etc. sind sinnvolle Maßnahmen, bieten aber bei weitem keine ausreichende Sicherheit mehr. Für eine immer größere Zahl von Menschen scheitert die Entscheidung, ein politisches Amt auf Gemeindeebene zu übernehmen daran, dass sie in Relation zu anderen Politikern eine sehr hohe Haftung in Ausübung ihrer Aufgabe trifft. Die Konzentration von Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung und hoheitlichen Befugnissen in einer Person erhöht den Druck auf die Entscheidungsträger. Von den Kommunalpolitikern werden bürgernahe, rasche und menschliche Entscheidungen verlangt, die sich nicht auf eine Vielzahl von (sowohl für die Gemeinde als auch die Partei sehr teuren) Rechts- und Sachverständigengutachten stützen können. Die Frage ist dabei, wie lange es angesichts der jüngsten Entwicklung noch Menschen gibt, die bereit sind, kommunalpolitische Aufgaben zu übernehmen. Faktum ist, dass immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister immer kürzer im Amt bleiben – nicht weil sie die Tätigkeit für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht erfüllt, sondern weil ihnen mit jeder neuen Schlagzeile verdeutlicht wird, mit welchem existentiellen Risiko ihre Aufgabe verbunden ist.

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