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Beschluss im Nationalrat: “Tägliche Turnstunde” kommt

26.2.2015 – In Österreich sind 44 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen normalgewichtig. Mehr als die Hälfte der männlichen Bevölkerung hat demnach Übergewicht (43%) oder sind als adipös (12%) zu bezeichnen. In absoluten Zahlen sind damit in Österreich 860.000 Menschen ab 15 Jahren fettleibig (Männer: 400.000, Frauen 460.000). Die Ursache ist oft zu wenig Bewegung und die falsche Ernährung. Bereits seit einigen Jahren fordern die Sportinstitutionen – auch mit einer Unterschriftenaktion mit mehr als 150.000 Beteiligten – die Einführung der „täglichen Turnstunde“ in Österreichs Schulen. Derzeit bewegen sich die Kinder zwei bis drei Stunden in der Woche im Unterrichtsfach „Bewegung und Sport“.

„Gesundheitsbewusste“ Bürger für Österreich

Hinter der sperrigen Bezeichnung „Bundesschulorganisationsgesetz“ versteckt sich die Umsetzung dieser Bemühungen. Der derzeitigen Fassung des § 2 Abs. 1, 3. und 4. Satz Schulorganisationsgesetz, mit der definiert wird, was mit der Schule erreicht werden soll, wird in der Novelle ein zusätzlicher sportlicher Schwerpunkt beigefügt:

„Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.“

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©Parlamentsdirektion/Mike Ranz
Das Parlament beschließt die Gesetzesnovelle am 25. Februar 2015, das Gesetz tritt mit 1. September 2015 in Kraft. Weitere Verordnungen der Ministerin sollen folgen.

„Tägliche Turnstunde“ nicht für alle Schüler „täglich“

In der Praxis sind einmal mehr die Gemeinden als Schulerhalter der Pflichtschulen bei der Umsetzung gefordert. Gemäß der Gesetzesnovelle sollen die Schüler/innen insgesamt fünf Mal in der Woche Sport betreiben – idealerweise natürlich jeden Tag eine Stunde. Das betrifft aber nur jene Schulen, die ganztägig geführt werden – also Schulen mit verschränktem Unterricht oder Schulen mit Nachmittagsbetreuung.

Nur Schulen mit ganztägiger Betreuung betroffen

Verpflichtend ist der Besuch der zusätzlichen Turnstunden aber nur für die Kinder in jenen 164 Schulen in ganz Österreich, die die verschränkte Form der Ganztagsschule haben, denn dort gilt aufgrund der abwechselnden Folge von Unterrichts-, Lern- und Freizeit Anwesenheitspflicht. Im Bereich der reinen Nachmittagsbetreuung – der getrennten Abfolge von Unterricht und Betreuungsteil – liegt es im Ermessen der Eltern, ihre Kinder ganztägig an der Schule anzumelden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jene Schulen, die derzeit weder Nachmittagsbetreuung noch die verschränkte Form anbieten, von dem Gesetz nicht erfasst werden.

Kostenfolgen sollen sich keine ergeben

Für die Gemeinden heißt das in Zukunft, sofern die Bewegungsstunden in der Nachmittagsbetreuung nicht durch Vereine abgedeckt werden, eine für diese Einheit befähigte Person (Freizeitpädagogen etc.) anzustellen. Der Bund hat im Gesetzgebungsverfahren keine zusätzlichen Kosten für die Gemeinden gesehen. Dass die Förderungen für den Ausbau der ganztägigen Schulformen zeitlich befristet sind, hat er dabei nicht berücksichtigt. Ob die Gemeinden dadurch wirklich keine Zusatzkosten hatten, wird 2017 evaluiert.

Österreichweit betrifft die Gesetzesnovelle rund 2.000 Schulen und ihre Schulerhalter. Insgesamt gibt es 4.576 allgemein bildende Pflichtschulen.