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Audit familienfreundlichegemeinde : Was im Kleinen alles geht

9.5.2016 – Das Schilcherland in der südlichen Weststeiermark, genauer St. Peter im Sulmtal, ist Ziel der zweiten Audit-Reportage. Die Gemeinde erhält heuer das Vollzertifikat und hat damit den dreijährigen Prozess abgeschlossen.

Der seltsam weiß-graue Himmel, für den an diesen Tagen angeblich der Saharastaub sorgt, taucht das zarte Grün der Wiesen und die weißen Blüten der Bäume in ein Licht wie kurz nach einem Sommergewitter. Die Haltestelle St. Peter im Sulmtal steht signifikant für die Größe der Gemeinde. 1.300 Einwohner, eine Bürgermeisterin und ein bis nach Wien bekanntes vorbildliches Projekt, das die Gemeinde familienfreundlicher macht. Es braucht vier Stunden Anfahrt und drei Umstiege.

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©Gemeindebund
Sandra Taucher und ihre Kollegen schaffen mit ihren oft selbst gebastelten Kreationen die Blumendeko für die ganze Gemeinde.

Familienfreundlich – sogar im Gemeindeamt

Fünf Minuten mit dem Auto durch die Wohnsiedlung dauert es bis ins Zentrum. Am Ortsplatz präsentiert Bürgermeisterin Maria Skazel die Besonderheit von St. Peter: den freistehenden Kirchturm. Heute weiß niemand mehr so genau, wie es dazu kam. Möglicherweise wollte man an diesen Turm Richtung Osten, den Kirchenneubau anfügen, was aus unerfindlichen Gründen nicht geschah. Die Kirche steht heute nur wenige Meter daneben. Gegenüber der Kirche befindet sich das Gemeindeamt, dazwischen der Pfarrhof, auf der anderen Seite der Nahversorger und das Wirtshaus. In St. Peter ist vieles familienfreundlich – so auch das Gemeindeamt, das beim Wettbewerb „Familienfreundlichster Betrieb“ eine Anerkennungsurkunde erhalten hat. Flexible Arbeitszeiten und die Pflege einer guten Arbeitsatmosphäre sind der Bürgermeisterin, die auch noch das Standesamt und den Bereich Steuern und Abgaben betreut, besonders wichtig. Eine Mitarbeiterin geht demnächst in Karenz. „Frau Sommer ist sehr wichtig für uns. Ich bin froh, dass sie selbst in der Karenz stundenweise für die Gemeinde tätig sein wird. Wir überlegen sogar, den freien Raum neben ihrem Büro soweit herzurichten, dass sie ihr Kind später auch mitnehmen kann, solange es noch nicht in den Kindergarten geht.“

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©Gemeindebund
In St. Peter im Sulmtal wird auch Nachmittagsbetreuung angeboten. Gleich an der Garderobe darf sich jedes Kind willkommen fühlen.

Die Teilnahme an Wettbewerben hat in der Schilcherland-Gemeinde Tradition. St. Peter ist Europadorf, schönstes Dorf Österreichs und zweitschönstes Dorf Europas. Nahversorger, Arzt, Sportplatz, Kindergarten, Volksschule, Pflegeheim, eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, Gastronomie, 400 Arbeitsplätze – in St. Peter gibt es viel. Das hat die Gemeinde auch davor bewahrt, zwangsfusioniert zu werden. Dass die bestehende Infrastruktur mit Leben gefüllt wird, ist den Bürgern selbst zu verdanken. Im Zuge des Audit familienfreundlichegemeinde bewiesen die 1.300 Bürger einmal mehr, dass sie gemeinsam viel auf die Beine stellen können. Für Maria Skazel, die seit Oktober 2013 Bürgermeisterin ist, war das Audit eine geeignete Maßnahme, um in ihre neue politische Funktion zu starten: „Zu Beginn war es mir wichtig, die Gehwege in Moos-Wieden und in Sonnenfeld barrierefrei zu gestalten. Das ist uns sehr gut gelungen.“ Weitere Maßnahmen, die im Zuge der Workshops von der Bevölkerung gewünscht wurden, waren ein Trinkwasserbrunnen am Areal der Sportanlage sowie eine Kletterwand am Spielplatz. Es wurden eine Kindervolkstanzgruppe und die Theatergruppe der Landjugend gegründet.

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Maria Skazel ist seit 2013 mit vollem Einsatz Bürgermeisterin.

Vorzeigeprojekt Volksschulsanierung

Die Gemeinde scheut sich aber auch nicht vor großen Investitionen und komplexen Projekten. Seit 2014 werden etappenweise thermische Sanierungen, Heizungsumstellungen und Innenausbauten in Volksschule und dem alten Kindergarten, der auch für die Nachmittagsbetreuung genutzt wird, durchgeführt. Der Turnsaal des alten Kindergartens dient als Mehrzweckhalle. „Dieses Projekt hat noch unter meinem Vorgänger begonnen, kam aber aufgrund der Komplexität und der Wirtschaftskrise nicht zur Umsetzung. Wir hatten in der Schule 20.000 Euro an Strom- und Heizungskosten. Es war also ganz wichtig, diese Maßnahmen umzusetzen. Aus diesem Grund haben wir das große Konzept in mehrere Etappen geteilt. Alleine schon durch diese Maßnahmen haben wir uns 25 Prozent an Energiekosten erspart“, erzählt Skazel. 2016 soll es mit einem Fluchtweg und dem barrierefreien Zugang die Mehrzweckhalle weiter gehen. „Da werden wir auch 2016 260.000 Euro investieren“, rechnet sie vor.

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©Gemeindebund
Die frisch sanierte Volksschule ist der ganze Stolz von Direktorin Ingrid Kügerl. Schwierig war die Umsetzung, die in Etappen schließlich doch geglückt ist.

Mehr als 2,3 Prozent der Bevölkerung sind Asylwerber

Die Bürgermeisterin, die alle Gemeindebürger/innen persönlich kennt, bemüht sich auch um jene, die neu in die Gemeinde ziehen. Seit einigen Jahren gibt es wieder Zuzug und auch die Geburtenzahlen sind leicht im Steigen. „Neu zugezogene Bürger besuche ich persönlich und begrüße sie mit einer Bürgerinformationsmappe. Mir liegt sehr viel daran auch die Bürger dafür zu sensibilisieren, offen auf die neuen Bewohner zuzugehen.“ Umso wichtiger wurde diese Auffassung in der Flüchtlingskrise. „Wir haben schon jahrelang einen Schwarzafrikaner und eine Kosovo-Albanerin im Ort. Beide warten seit vielen Jahren auf einen Asylbescheid. Wir als Gemeinde haben keine Gebäude, die wir als eigene Quartiere zur Verfügung stellen können. Im September 2015 kam ein Bürger auf mich zu und kündigte mir an, zwei syrische Familien aufzunehmen.“ Das Ganze hat sich aber im Endeffekt als nicht so einfach herausgestellt und wurde quasi über Nacht zu einer Aufgabe für die Audit-Gemeinschaft.

„Die ersten neuen Flüchtlinge sind im September 2015 über Nacht gekommen. Am nächsten Tag haben wir die Zettel für die Grundversorgung von der Abteilung 11 des Landes bekommen. Dabei fehlten jegliche erklärenden Worte, was dabei die Aufgabe der Gemeinde ist. Die Informationspolitik des Landes war sehr schlecht. Beim Land hat man mir geraten, mich in einer anderen Gemeinde zu erkundigen, die schon Flüchtlinge aufgenommen hat. Es gab keinen Leitfaden, welche Aufgaben für die Gemeinde daraus entstehen, gar nichts. Die BH Deutschlandsberg hat daraufhin einen Leitfaden mit den Pflichten des Unterkunftsgebers erarbeitet, was sehr hilfreich war“, berichtet die Bürgermeisterin. Heute leben 30 Asylwerber in der Gemeinde (2,3 Prozent der Bevölkerung). Demnächst wird die Gemeinschaft aber noch wachsen, da vier Frauen der Flüchtlingsfamilien schwanger sind.

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Das fast hunderjährige Schulhaus wurde durch die Sanierung ins 21. Jahrhundert geholt. Hell und offen sind die Räume – jede Klasse erstrahlt in einer anderen Farbe.

Freiwillige Helfer ermöglichen Integration

Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten, baute sich innerhalb kürzester Zeit soziales Engagement auf. Mittlerweile gibt es drei Freiwillige, die Fahrtdienste erledigen, weitere drei – auch der ehemalige Bürgermeister – geben den Flüchtlingen Sprachunterricht. „Dass es so ruhig abläuft, funktioniert nur, weil die Freiwilligen sich kümmern“, betont die Bürgermeisterin. Bereits zu Beginn erarbeiteten die Freiwilligen gemeinsam mit dem Verein Zebra die Regeln für ein gemeinsames Miteinander, die auf Englisch, Arabisch und Farsi übersetzt wurden.

In der neu renovierten Volksschule und im Kindergarten tun sich die Flüchtlingskinder leichter mit der Integration, wie Direktorin Ingrid Kügerl erzählt: „Wir haben das natürlich gut vorbereitet, um auch den Eltern die Ängste zu nehmen und für mehr Verständnis zu sorgen. Umgekehrt sind wir natürlich auch auf die Eltern der Flüchtlingskinder zugegangen und haben ihnen die Schule und auch den Schulweg gezeigt. Ich habe zwei Mädchen in der Klasse, die sich aber auch miteinander nicht unterhalten können, weil das eine Arabisch und das andere Farsi spricht. Bei Mathematik machen sie teilweise den Stoff mit allen anderen mit. Aber auch dafür mussten sie vorher die Buchstaben kennenlernen. Und das war für uns auch schwer, weil ich ihnen nicht erklären konnte, dass es beispielsweise A wie Apfel ist.“ Einmal die Woche kommt für eine Stunde eine externe Sprachlehrerin, die für jedes Flüchtlingskind in der Schule eine Viertelstunde Zeit hat.

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©St. Peter im Sulmtal
Freiwilligenarbeit wird in St. Peter gelebt. Hier erbaute die Landjugend am Osterwochenende für die Kindergartenkinder einen Barfußweg.

Ehrenamt auch in anderen Bereichen stark

Wie gut der Zusammenhalt ist, sieht man auch am kürzlich erbauten Barfußwanderweg im Garten der Kinderbetreuungseinrichtung. Dieser wurde an einem Sonntag von der Landjugend, die 45 Mitglieder hat, gemeinsam mit den Kindergartenkindern erbaut. Dass der Kindergarten bereits für Kinder ab 18 Monaten offen steht und es seit zwei Jahren ein innovatives Freispielkonzept mit Öffnungszeiten von 6.30 bis 17 Uhr gibt, das den Kindern mehr Raum zur Entfaltung und den Betreuerinnen mehr Zeit für die einzelnen Kinder lässt, ist ein Grund, der den Ort noch familienfreundlicher macht.

Insgesamt merkt man: Hier kämpft eine Bürgermeisterin mit Herz darum, dass sich ihre Gemeinde gut entwickelt. Und sie ist dabei nicht alleine. Egal ob Gemeinderäte, Volksschullehrer, Kindergärtner, Vereinsmitglieder oder andere Bürger, man spürt, wie wichtig jedem einzelnen dieses Engagement ist und mit wieviel Freude hier daran gearbeitet wird.

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©Gemeindebund
Innovativ ist auch das Konzept im Kindergarten. In der Freispielzeit können Kinder das ganze Haus zum Spielen nutzen.

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©Gemeindebund
Christina Schmuck setzt das neue Konzept für den Kindergarten um. Im Hintergrund sieht man das Malzimmer, in dem Kinder sogar an den Wänden malen dürfen.
St. Peter im Sulmtal ist nicht nur für seine Familienfreundlichkeit, sondern auch für seinen Blumenschmuck ausgezeichnet worden. ©St. Peter im Sulmtal