Wir schaffen Heimat.
Wir gestalten Zukunft.

Auch Politiker haben ein Recht auf Privatsphäre

4.3.2015 – „Auch betrunkene Politiker haben Rechte“ – So titelte die Wiener Zeitung ihren Bericht über eine Entscheidung des österreichischen Presserats, worin dieser die Berichte der online-Ableger von zwei Gratismedien (die sich weder der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher unterworfen noch im Verfahren eine Stellungnahme abgegeben haben) als Verstoß gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verurteilt hat. In beiden Artikeln ging es um eine namentlich genannte Lokalpolitikerin, die an einem Samstagmorgen auf dem Weg nach Hause offenkundig stark betrunken angetroffen und dabei per Handy-Kamera gefilmt wurde. Mit den Artikeln wurde jeweils ein Foto und ein Video veröffentlicht, die Frau war darauf hinreichend zu erkennen.

Keine Artikel zur reinen Bloßstellung

Das ging dann doch zu weit. Der Presserat bleibt gemäß der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs zwar bei seiner grundsätzlichen Auffassung, dass Politikerinnen und Politiker weniger Persönlichkeitsschutz genießen als Privatpersonen. Dies ist damit zu rechtfertigen, dass Politiker/innen bewusst die Öffentlichkeit suchen.

Das heißt aber nicht, dass sie überhaupt keinen Anspruch auf Persönlichkeitsschutz und Privatsphäre haben. Auch politisch engagierten Menschen ist ein Privatbereich zuzugestehen, in dem sie sich unbeobachtet fühlen können und den die Medien respektieren müssen. Die Artikel betreffen die Lokalpolitikerin in einer kleinen Gemeinde und setzen sich ohne weitere Sachinformationen ausschließlich mit der Tatsache des offenbar übermäßigen Alkoholkonsums auseinander. Nach Ansicht des Presserats ging es den Medien nur darum, die Politikerin bloß zu stellen und ihren angeschlagenen Zustand öffentlich zur Schau zu stellen. Legitime Informationsinteressen konnte der Presserat nicht erkennen.

Reines Bloßstellen auch zivilrechtlich nicht erlaubt

Die vom Presserat auf Basis des Ehrenkodex für die österreichische Presse gezogenen Grenzen scheinen zwanglos auch für eine zivilrechtliche Auseinandersetzung verwertbar. Durch eine derartige Veröffentlichung werden wohl „berechtigte Interessen“ im Sinne des §78 UrhG und damit das Recht aufs eigene Bild verletzt – auch bei Politikern. Solange hier kein unmittelbarer Zusammenhang mit politisch und öffentlich relevanten Themen erkennbar ist, sollten sich seriöse Medien derartiger Form der Berichterstattung enthalten. Das schließt ja nicht die wahrheitsgemäße Textberichterstattung über Vorfälle wie etwa Verkehrsunfälle eines Politikers im alkoholisierten Zustand mit Verletzungsfolge oder Führerscheinabnahmen aus. Reines Bloßstellen ohne substantiellen Inhalt kann aber vom Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt sein. 

Es bleibt spannend, wie die Gerichte entscheiden, wenn sie mit solchen Causen befasst werden.  

Ein Jurist, der es versteht, die komplizierte Materie Ein Jurist, der es versteht, die komplizierte Materie „Medienrecht“ einfach zu erklären: Mag. Werner Suppan führt seit 1994 seine eigene Kanzlei „Suppan & Spiegl“. (Bild: ZVG)

Menschen, die wie Politiker die Öffentlichkeit suchen, dürfen trotzdem nicht einfach bloßgestellt werden. Ein – zwar eingeschränkteres – Recht auf Privatsphäre genießen auch sie. © iMAGINE – Fotolia.com