22.9.2015 – „Ja zum Durchgriffsrecht, Nein zu Zwangsmaßnahmen“
Mit einem Appell wandte sich heute, Dienstag, Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer an die Abgeordneten des Nationalrates. „Ich warne eindringlich davor, den vorliegenden Vorschlag für ein Verfassungsgesetz in dieser Form zu beschließen“, so Mödlhammer. „Das wäre eine Zwangsmaßnahme im Verfassungsrang, die der Sache nicht dient und die viele Probleme aufwirft“, so der Gemeindebund-Chef.
Das Durchgriffsrecht des Bundes auf eigene oder angemietete Liegenschaften sei völlig unbestritten, so Mödlhammer. „Diesen Teil können wir vorbehaltlos unterstützen, auch wenn er geltende Rechtslagen im Bereich der Raumordnung oder dem Widmungsrecht aushebelt. In einer Notsituation wie dieser, ist das aber in Ordnung, das Durchgriffsrecht ist ja vorerst auch zeitlich begrenzt.“
„In der öffentlichen Diskussion ist aber der zweite Teil dieses geplanten Gesetzes bislang völlig untergegangen“, so Mödlhammer. „Hier ist vorgesehen, dass jede Gemeinde 1,5 Prozent der Bevölkerungszahl an Quartieren zwingend zur Verfügung zu stellen hat. Das würde bedeuten, dass Gemeinden, die über keine eigenen Gebäude verfügen oder keine privaten Quartiere mobilisieren können, auf eigene Kosten Quartiere errichten müssen“, so Mödlhammer. „Das wäre eine Zwangsmaßnahme des Bundes, die in dieser Form bislang beispiellos ist.“
Darüber hinaus werfe eine solche Vorgangsweise jede Menge neue Fragen auf. „Wer bezahlt das? Was passiert, wenn die Errichtung neuer Quartiere in einer Gemeinde schlichtweg nicht möglich ist? Was soll mit derartigen Gebäuden oder Containerdörfern in einigen Jahren passieren? Ich würde mir wünschen, dass man solche Fragen zuerst beantwortet, bevor man die Verfassung ändert“, so Mödlhammer. „Es dient der Sache auch nicht, wenn man Bürgermeister/innen durch diese Verfassungsänderung zu Gesetzesbrechern macht. Diese Herausforderung ist nur in Partnerschaft MIT den Gemeinden bewältigbar, nicht mit Zwangsmaßnahmen gegen die Gemeinden.“
Die Gemeinden haben seit Juni rund 6.000 zusätzliche Quartiere geschaffen. Bis Oktober kommen weitere 3.000 bis 4.000 dauerhafte Quartiere dazu. „Das ist eine gewaltige Leistung, die vor allem deshalb möglich wurde, weil wir die Gemeinden und Bürgermeister/innen ermuntert und um Mithilfe gebeten haben“, so der Gemeindebund-Chef. Auch rechtlich handelt es sich schlichtweg um eine Kompetenzverschiebung vom Bund zu den Gemeinden.
„Die Gemeinden arbeiten mit großem Nachdruck und viel Engagement daran, den Quartiernotstand zu lindern“, so Mödlhammer. „Leider ist es immer noch so, dass angebotene Quartiere sehr oft nicht angenommen werden bzw. die Anbieter von Bund und Ländern nicht einmal eine Rückmeldung erhalten. Wir haben täglich solche Fälle am Tisch liegen, u.a. wurde davon heute in der Kleinen Zeitung berichtet (http://www.kleinezeitung.at/s/steiermark/chronik/4826370/Fluchtlingskrise_Land-pfeift-auf-angebotene-Asylquartiere-).“ Auch die geforderten Standards für Quartiere seien zum Teil immer noch zu hoch.
„Mein Appell richtet sich an alle Abgeordneten des Nationalrates. Bitte überdenken Sie diesen gewichtigen Gesetzesvorschlag noch einmal und setzen Sie keine Zwangsmaßnahmen gegenüber den Gemeinden und ihren Bürgermeister/innen. Gemeinsam ist die Bewältigung des Quartiernotstands bewältigbar. Zwangsmaßnahmen schüren nur Ängste und erhöhen die Verunsicherung.“
Den vollständigen Initiativantrag zur Verfassungsänderung finden Sie hier: