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Abfallwirtschaft 2030: Kämpfen auf europäischer Ebene

5.7.2016 – Auf europäischer Ebene werden gerade die Weichen für die Abfallwirtschaft der nächsten 20 bis 30 Jahre gestellt. Bei einem Treffen mit unseren Europa-Abgeordneten betonten die Vertreter des Gemeindebundes, Carmen Kiefer und Hanspeter Wagner, dass es in diesem wichtigen Bereich unumgänglich ist, den einzelnen Mitgliedstaaten Handlungsspielräume zu lassen.

Derzeit wird auf europäischer Ebene das Kreislaufwirtschaftspaket verhandelt. Hinter diesem sperrigen Begriff verbergen sich unter anderem die Weichenstellungen für die Abfallwirtschaft für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Klar, dass sich unsere Vertreter in Brüssel Dr. Carmen Kiefer, Vizebürgermeisterin in Kuchl, und Bürgermeister Hanspeter Wagner stark einbringen. Bei einem Treffen im Rahmen des Plenums des Ausschusses der Regionen trafen sich die beiden mit den österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament Elisabeth Köstinger und Karin Kadenbach.

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©Gemeindebund
… Elisabeth Köstinger, um über die aus kommunaler Sicht wichtigsten Punkte des Kreislaufwirtschaftspakets zu sprechen.

Siedlungsabfalls-Definition den Mitgliedstaaten überlassen

„Es ist wichtig, sich hier früh genug einzubringen. So kann man Fehlentwicklungen von vornherein entgegenwirken“, betont Carmen Kiefer. Das Paket, das dem Europäischen Parlament Ende Mai vorgelegt wurde, beinhaltet tatsächlich einige aus österreichischer Sicht kritische Punkte. „Unter anderem wird Siedlungsabfall in diesem Paket anhand der Mengen definiert (Mengenkriterium), was aus unserer Sicht kritisch ist, denn in Österreich wird auch Abfall aus Gewerbe (haushaltsähnlicher Siedlungsabfall) zum Siedlungsabfall gezählt. Aufgrund des Mengenkriteriums würden beachtliche Mengen nicht mehr in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen, wodurch der damit einhergehende Gebührenausfall zu Gebührenerhöhungen führen würde“, erklärt Wagner. In anderen europäischen Mitgliedstaaten ist die Müllentsorgung wieder anders aufgebaut. „Wir möchten erreichen, dass das Mengenkriterium wieder herausgestrichen wird, damit die Definition weiterhin Angelegenheit der Mitgliedstaaten bleibt“, betonen beide.

Die italienische Berichterstatterin im Umweltausschuss Simona Bonafé hat nun einen aus österreichischer Sicht sehr positiven Entwurf für ihren Bericht vorgelegt, denn sie lehnt das umstrittene Mengenkriterium zur Definition haushaltsähnlicher Siedlungsabfälle ab. Positiv ist auch, dass sie die durch „littering“, also von im öffentlichen Raum weggeworfenen Verpackungen, verursachten Kosten abgegolten haben möchte.

Die wichtigsten Punkte des Berichtsentwurfs des EU-Parlaments:

  • Kein Mengenkriterium zur Definition haushaltsähnlicher Siedlungsabfälle (Art. 3 Abs. 1a)
  • Entflechtung von Wirtschaftswachstum und Siedlungsabfall durch wirtschaftliche Instrumente  und Bewusstseinsbildungskampagnen. (EG 10, Art. 29 Abs. 1)
  • Verpflichtende Biomüllsammlung bis 2020 und Einführung von Biomüll-Recyclingziel von 65 Prozent bis 2025 (EG 20, Art. 22 Abs. 1).
  • Reduktion von Lebensmittelabfällen, Zielvorgabe -50 Prozent bis 2030 (Art. 9 Abs. 1 Z 5, Art. 29 Abs. 1)
  • Vorgehen gegen littering, auch im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung (EG 25, 25a, Art. 9 Abs. 1 Z 8ff, Art. 29 Abs. 1).
  • Delegierte Rechtsakte werden nicht hinterfragt
  • Interinstitutionelle Vereinbarung zur besseren Rechtsetzung soll bei der Verabschiedung delegegierter Rechtsakte beachtet werden (EG 29, Art. 38a Abs. 2ff).
  • Erhöhung der Wiederverwendungs- und Recyclingquote für Siedlungsabfälle auf 70 Prozent bis 2030 (Art. 11 Abs. 2d).

Aus Sicht des Österreichischen Gemeindebundes wäre es an der Zeit auch die delegierten Rechtsakte zu hinterfragen. Damit wird nämlich die Europäische Kommission befähigt, gesetzliche Regelungen in diesem Bereich zu erlassen, um beispielsweise den Europäischen Abfallkatalog oder die Methodologie der Berechnung von Lebensmittelabfällen vorzuschreiben. Diese Rechtsakte sind für Mitgliedstaaten verpflichtend und gelten unmittelbar. Damit kann die Kommission ohne große Verhandlungsakte die wesentliche Form der Abfallwirtschaft beeinflussen, was aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich ist. Die Erhöhung der Wiederverwendungs- und Recyclingquote für Siedlungsabfälle auf 70 Prozent bis 2030 wird ebenso kritisch gesehen. Vor allem deshalb, weil die neue einheitliche Berechnungsmethode die derzeitigen österreichischen Werte drücken und damit neue Kosten für die Gemeinden bedeuten würde.

Paket muss auch noch durch den Europäischen Rat

Mit einem Verhandlungserfolg auf Ebene des Europäischen Parlaments ist es aber noch nicht getan. Auch Europäischer Rat (sprich: die Vertretung der Mitgliedstaaten) muss eine endgültige Position finden. Die vorläufige Positionierung der beiden Ko-Gesetzgeber gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass unter dem Schlagwort „bessere Rechtsetzung“ tatsächlich Regelungen herauskommen, die einerseits die Wirtschaft ankurbeln und Europa als Vorreiter einer Kreislaufwirtschaft positionieren, andererseits aber auch die Umsetzung auf lokaler Ebene und die Bedeutung einer funktionierenden und leistbaren Abfallentsorgung für die Allgemeinheit im Auge behalten.

Die beiden Vertreter der österreichischen Gemeinden in Brüssel, Carmen Kiefer und Hanspeter Wagner, trafen EU-Abgeordnete Karin Kadenbach und … ©Gemeindebund