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Italien: Fördersystem für kommunale Asyl-Unterkünfte

2.12.2015 – Auch auf europäischer Ebene sind die kommunalen Interessensverbände intensiv mit der Unterbringung von Asylwerbern befasst. Bei einem vom Brüssel-Büro des Österreichischen Gemeindebundes organisierten Netzwerktreffen der europäischen Gemeindeverbände tauschten sich die Vertreter über die unterschiedlichen Ansätze und Lösungen aus.

Asyl-Verteilsystem statt täglichem Krisenmanagement

Italien, das durch seine Grenze zum Mittelmeer bereits seit vielen Jahren mit den Flüchtlingsströmen konfrontiert ist, hat vor über zehn Jahren einen Paradigmenwechsel eingeleitet: Anstatt Migrationsmanagement im Krisenmodus zu betreiben, wurde im Jahr 2002 ein System etabliert, das in enger Kooperation zwischen Zentralregierung, Regionen, Kommunen und NGOs eine gerechte Aufteilung von Asylwerbern zum Ziel hat. Die Vertreter des italienischen Kommunalverbandes (ANCI) räumten aber auch ein, dass die bekannten Bilder aus den staatlichen Erstaufnahmezentren durchaus der Realität entsprechen, denn erst nach der Einleitung eines Asylverfahrens werden die Asylwerber in möglichst kleinen Einheiten untergebracht.

Förderanreize für gute Integration

SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) finanziert maßgeschneiderte Projekte von Gemeinden, Gemeindeverbänden und Provinzen. SPRAR ist ein von der Zentralregierung finanzierter Fördertopf, der 95 Prozent der kommunalen Projektkosten für die Aufnahme und Integration von Asylwerbern finanziert. Der italienische Gemeindeverband ANCI (Associazione Nazionale Comuni Italiani) ist stark involviert und sorgt für die nötige Information der Kommunen. Außerdem erfolgt die Evaluierung der kommunalen Integrationsprojekte durch ANCI, der damit auch über einen aktuellen Überblick über die Best Practice Beispiele verfügt.

Mehr als „nur“ Unterbringung

Ziel der Förderung ist es, dass Gemeinden also nicht nur für die Unterbringung sorgen, sondern sie müssen, um die Förderung zu erhalten, auch Integrationskonzepte vorlegen. Daher umfassen die kommunalen Projekte auch soziale und rechtliche Unterstützung, Sprachkurse und Bildungsangebote, Praktika, multikulturelle Aktivitäten und vieles mehr. Das führt dazu, dass viele ländliche Kommunen die Aufnahme von Flüchtlingen als Chance begreifen, um vorhandene Infrastruktur wie Dorfschulen oder Postämter zu erhalten. Und es gibt auch Beispiele von Gemeinden, die einen Teil des Taschengeldes für Asylwerber in Gemeindewährung auszahlen, die nur von der lokalen Wirtschaft akzeptiert wird – auch das eine Möglichkeit zur Belebung. Weitere Gemeinden haben Projekte entwickelt, die besonders unbegleitete Minderjährige, Schutzsuchende mit psychischen Problemen oder körperlichen Behinderungen unterstützen.

Durch die finanziellen Anreize konnten bis 1. Juli 2015 bereits 21.817 Flüchtlinge in den Kommunen unterbracht werden. In Anbetracht des jüngsten Anstiegs der Flüchtlingszahlen, wurde der Fördertopf für die Jahre 2014-2016 deutlich aufgestockt. Dennoch ist die Zuwanderung auch in Italien stärker, als die neu geschaffenen Quartier-Kapazitäten, womit das System derzeit für ungefähr 26 Prozent der Asylwerber angewandt wird. Da das Innenministerium auch eigenmächtig Plätze schaffen kann, versucht ANCI nun weitere Gemeinden von den Vorteilen einer freiwilligen Beteiligung zu überzeugen, denn derzeit beteiligen sich erst 338 von insgesamt 8.094 italienischen Gemeinden, 30 Provinzen und acht Gemeindeverbände mit 430 Projekten. Um alle Ebenen zu koordinieren, gibt es auch in Italien regelmäßig stattfindende Gespräche, die einen partnerschaftlichen Umgang ermöglichen.

SPRAR_2003-2014_Plaetze_

©SPRAR/ANCI

Fakten_SPRAR

Schweden für europäische Umverteilung

Schweden, wo bereits 2014 81.000 Personen um Asyl ansuchten, rechnet 2015 mit 160.000 Asylanträgen. Da auch hier die Asylunterkünfte langsam knapp werden, obwohl die Regierung den Kommunen eine Milliarde Euro bereit gestellt hat, setzt sich auch hier die Politik für einen europäischen Umverteilungsmechanismus ein. Der schwedische Kommunalverband richtete für Gemeinden bereits eine Krisenmanagement-Informationshotline ein und übermittelte der Regierung 50 Änderungsvorschläge zur Verbesserung der geltenden Rechtslage.

Baltikum: Langsame Vorbereitung auf Flüchtlingsaufnahme

Anders die Lage in den baltischen Staaten, die sich zwar auf die Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen der EU-Umverteilung vorbereiten, besondere Anstrengung jedoch noch nicht vornehmen. Potenziell betroffene Kommunen erhielten bis dato keine Information/Unterstützung von staatlicher Seite.

Frankreich: zahnloses Bekenntnis zu kleinen Einheiten

In Frankreich stellt sich die Situation ähnlich dar wie in Österreich: Obwohl es ein grundsätzliches Bekenntnis zu kleinen Einheiten gibt, reichen die Kapazitäten von NGOs und Sozialdiensten nicht aus, um eine flächendeckende Versorgung in kleineren Einheiten zu ermöglichen. NGOs warnen zwar selbst zunehmend vor der Gefahr einer Ghettoisierung, können aber andererseits die notwendigen Dienstleistungen nur in großen Quartieren zur Verfügung stellen.

Die Zusammenkunft zeigt jedenfalls, dass noch kein europäisches Land die Patentlösung gefunden hat und deswegen weitere Anstrengungen zur gemeinsamen Bewältigung der Flüchtlingsströme unternommen werden müssen.

Autoren: Daniela Fraiß/Carina Rumpold

In Italien basiert die Unterbringung auf kommunaler Ebene auf einer gut ausgearbeiteten Förderlandschaft. Das Foto ist bei einer Messe für den guten Zweck in Santorso entstanden. Bildquelle: sprar.it