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Was bedeutet das Paket für Gemeinden?

12.1.2017 – Im Dezember 2016 wurde das Bildungsinvestitionsgesetz beschlossen. 750 Millionen Euro stellt der Bund für den Ausbau ganztägiger Schulangebote bereit. Die Intention ist durchwegs positiv. Ein näherer Blick auf die Details verrät dann aber doch, dass dieses Gesetz nicht als Meilenstein in die Geschichte eingehen wird. Eine kritische Auseinandersetzung.

Das Bildungsinvestitionsgesetz sieht vor, dass von den Abschlagszahlungen der Banken in Höhe von einer Milliarde Euro (für die Abschaffung bzw. Verringerung der Bankenabgabe) 750 Mio. Euro für den Ausbau ganztägiger Schulangebote in den Jahren 2017 bis 2025 aufgewendet werden. Wenngleich es eigenartig anmutet, dass gerade von jenen Bedenken geäußert wurden, die in erster Linie „Nutznießer“ dieser doch beträchtlichen Geldmittel sind, ist es dennoch angebracht, sich die Neben- und Folgewirkungen dieses Gesetzes vor Augen zu führen.

Eines lässt sich bereits festhalten bzw. prognostizieren: Allein durch die Befristung dieses Gesetzes ist die Nachhaltigkeit der Finanzierung vor allem hinsichtlich des Betreuungspersonals nicht gewährleistet. Die mangelnde (Rechts-)Sicherheit, die fehlende langfristige Plan- und Finanzierbarkeit aber auch die neue Komplexität in der Abwicklung werden letztlich darauf hinauslaufen, dass die bereitgestellten Mittel nicht abgerufen werden (können) und der von allen Seiten geforderte flächendeckende Ausbau ganztägiger Schulangebote schlicht nicht stattfinden wird.

Bildungsinvestitionsgesetz_Kurzbeschreibung

(Grafik: Kommunanet, Quelle: Bildungsinvestitionsgesetz, Bild: ©virtua73 – Fotolia.com)
Das bedeutet das Bildungsinvestitionsgesetz für die Gemeinden.

Bisherige Finanzierung

Bislang erfolgten die Ko-Finanzierungsbeiträge des Bundes für den Ausbau ganztägiger Angebote auf Grundlage von Art. 15a B-VG Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern. Die letzte Vereinbarung hat einen Gültigkeitszeitraum von 2015 bis 2018 und legte alleine für die allg. Pflichtschulen einen Ko-Finanzierungsbetrag des Bundes von insgesamt 425,6 Mio. Euro fest und zusätzlich für das Jahr 2014 28,3 Mio. Euro. Durchschnittlich werden/wurden daher etwas mehr als 100 Mio. Euro pro Jahr in den Jahren 2015 bis einschließlich 2018 aufgrund dieser Vereinbarung für allg. Pflichtschulen (inklusive Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht) aufgewendet.

Mit den bereitgestellten Mittel werden (wurden) infrastrukturelle Maßnahmen mit bis zu 55.000 Euro pro Gruppe ko-finanziert. Zudem werden (wurden) Personalkostenzuschüsse von bis zu 9.000 Euro pro Gruppe und Jahr für neues aber auch für bereits bestehendes Personal gewährt.

Höhe der neuen Mittel

Das vorliegende Gesetz sieht die Bereitstellung von 750 Mio. Euro für den Ausbau ganztägiger Schul- und Betreuungsangebote im Zeitraum 2017 bis einschließlich 2025 vor. Hinzuweisen ist darauf, dass sich der Bund von diesen Mitteln 248 Mio. Euro zwecks Finanzierung von Lehrpersonal in den Lernzeiten ganztägiger Schulangebote einbehält. Es handelt sich hierbei um Personalkosten, die der Bund schon in der Vergangenheit auch im Bereich der Pflichtschulen getragen hat, sowohl hinsichtlich der gegenstandsbezogenen wie auch der individuellen Lernzeiten.

Individuelle Zeit: Kosten vom Schulerhalter zu tragen

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass infolge des neuen Lehrerdienstrechts zukünftig nur mehr in der gegenstandsbezogenen Lernzeit Lehrpersonal eingesetzt werden darf. Diesbezüglich hat das Bildungsministerium bestätigt, dass infolgedessen die Personalkosten im Bereich der individuellen Lernzeit nicht mehr im Wege des Stellenplans vom Bund sondern von den Schulerhaltern zu tragen sein werden.

Des Weiteren werden von den 750 Mio. Euro 74 Mio. Euro zwecks Ausbaus der ganztägigen Angebote in Praxisschulen und allgemein bildenden höheren Schulen (AHS) abgezogen. Auch diese Mittel stehen daher nicht für den Ausbau ganztägiger Schulen im Pflichtschulbereich zur Verfügung.

Für die allgemeinen Pflichtschulen stehen daher in Summe nur 428 Mio. Euro bereit. Diese teilen sich auf in einen sogenannten fixen Anteil (63 %), der für den tatsächlichen Ausbau ganztägiger Schulangebote zur Verfügung steht (Infrastrukturkosten, Personalkosten) und in einen flexiblen Anteil (37 %), der auch für bestimmte andere Zwecke ( z.B. Betreuung in der Ferienzeit, Schließung der Horte etc.) eingesetzt werden kann.

Einsatz der Mittel

Im Bildungsinvestitionsgesetz ist vorgesehen, dass die Mittel nicht wie bislang auch für bereits bestehende Betreuungsangebote bereitgestellt werden, sondern ausschließlich für neue, zusätzlich geschaffene Betreuungsplätze. Die derzeit geltende Art. 15a Vereinbarung über den weiteren Ausbau ganztägiger Schulangebote, die bis einschließlich des Schuljahres 2018/19 in Geltung steht, fördert auch bereits bestehende ganztägige Schulangebote im Personalbereich mit 9.000 Euro pro Gruppe und Jahr.

Daraus folgt, dass ab 2019 nach Auslaufen der Vereinbarung für bereits bestehendes Betreuungspersonal keine Mittel mehr bereitstehen. All jene, die bereits Ausbaumaßnahmen ergriffen haben und bislang bis zu 9.000 Euro pro Gruppe und Jahr erhalten haben, gehen ab 2019 leer aus bzw. müssen für die Finanzierung des bestehenden Personals alleine Sorge tragen.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass es sich bei Personalkosten anders als bei Infrastrukturkosten nicht um Einmalinvestitionen sondern um fortwährende, dauerhafte Kosten handelt, die mit jedem weiteren Ausbau des Betreuungsangebotes stetig ansteigen.

Folgekosten nicht unterschätzen

Den Darstellungen der finanziellen Auswirkungen des Bildungsinvestitionsgesetzes ist zu entnehmen, dass den Gemeinden ab dem Jahr 2025 (Vollausbau auf Grundlage dieses Gesetzes) jährlich Kosten in Höhe von 58 Mio. Euro entstehen werden. Es handelt sich hierbei nur um jene (Personal-)Kosten, die infolge dieses Ausbauprogramms, das zusätzliche Betreuungsplätze in Höhe von 88.000 vorsieht, den Gemeinden entstehen. Zählt man die derzeit bereits bestehenden Plätze (rund 110.000) und die infolge der noch in Geltung stehenden Art. 15a B-VG Vereinbarung entstehenden Plätze im Ausmaß von 30.000 hinzu, so ergeben sich für die Gemeinden spätestens ab dem Jahr 2025 Personalkosten von jährlich weit mehr als 100 Mio. Euro. Eine Ko-Finanzierung durch den Bund über das Jahr 2025 hinaus ist zuweilen nicht geplant.

Neuer Indikator für Mittelverteilung

Die derzeitige Art. 15a Vereinbarung sieht Maximalbeträge bei Infrastrukturvorhaben inklusive Qualitätsverbesserungen von bis zu 55.000 Euro pro Gruppe vor. Der Gesetzesentwurf geht nunmehr von den Gruppen ab und setzt als Indikator für die Verteilung der Zweckzuschüsse die Zahl der zusätzlichen Schüler, die durch Umsetzung eines Projektes ganztägig betreut werden (können). Demnach zahlt der Bund den Gemeinden pro zusätzlichen Schüler einmalig 3.700 Euro.

Sollte eine Schule ganztägig anbieten wollen und daher etwa einen Speisesaal einrichten, so bekommt sie nicht mehr bis zu 55.000 Euro pro eingerichteter Gruppe sondern 3.700 Euro mal der Anzahl der Schüler, die der Kapazität des zusätzlich geschaffenen Raums entspricht. Ob diese Regelung im Vergleich zur (noch bestehenden) Regelung der Art. 15a Vereinbarung vorteilhafter ist, hängt daher vom konkreten Ausbauvorhaben und von der Anzahl der dann in Betreuung befindlichen Schüler bzw. der Kapazität ab. Ebenso wird das Finanzierungsschema bei der Ko-Finanzierung der Personalkosten im Freizeitteil umgestellt. Vorgesehen ist, dass die Mittel pro Schüler und nicht mehr (wie bislang bis zu 9.000 Euro) pro Gruppe ausbezahlt werden. Problematisch ist, dass diese Mittel deutlich degressiv bis zum Jahr 2025 ausbezahlt werden. So soll es pro zusätzlichem in Betreuung befindlichen Schüler und wöchentlichen Betreuungstag bis zum Schuljahr 2021/22 einen Beitrag in Höhe von 140 Euro geben, im Schuljahr 2022/23 105 Euro, im Jahr 2023/24 nur mehr 70 Euro und im Jahr 2024/25 gar nur mehr 35 Euro. Fraglich ist, ob diese Regelung, insbesondere die degressive Mittelvergabe für kleinere Schulstandorte mit wenigen Schülern Anreiz bietet, ganztägig auszubauen.

Fokus auf verschränkte Form

Entgegen der seit jeher von kommunaler Seite vertretenen Auffassung, dass beide Formen der ganztägigen Schulform (offen und verschränkt) gleichwertig zu behandeln sind, zielt das Gesetz in mehrerlei Hinsicht auf den Ausbau der verschränkten Form ab. So ist als Ziel und Zweck dieses Gesetzes unter anderem festgelegt, dass ein flächendeckendes Angebot an schulischer Tagesbetreuung in verschränkter Form in einem Umkreis von maximal 20 km zum Wohnort zur Verfügung stehen soll. Neben einer sogenannten Umwandlungsprämie (von der offenen zur verschränkten Form) ist außerdem vorgesehen, dass in den ersten beiden Jahren (2017/18 und 2018/19) Mittel ausschließlich für den Ausbau in der verschränkten Form bereitgestellt werden.

Völlig übersehen wird dabei, dass die verschränkte Form (ganztägig wechselnde Abfolge von Unterricht und Freizeit) im Vergleich zur offenen Form (der reinen Nachmittagsbetreuung) gerade im ländlichen Raum Nachteile mit sich bringt. Neben der Anwesenheitspflicht, die sich nur schwer mit dem örtlichen Vereinswesen vereinbaren lässt, sind vor allem die Administration und die Bereitstellung des Freizeitpersonals zu nennen, die in der verschränkten Form ungleich schwieriger sind als in der offenen Form.

Kostenloses Angebot?

Wenngleich in der Beschlussfassung des Gesetzes nicht mehr – wie noch im Gesetzesentwurf – die Unterstützung eines kostenlosen Betreuungsangebots enthalten ist, sondern die Entlastung der Eltern durch die Einführung einer sozialen Staffelung der Beiträge, geht die Entwicklung der ganztägigen Schulform in Richtung eines kostenlosen Angebots.

Im Gesetz ist als Bedingung für einen Zweckzuschuss formuliert, dass bei der Festsetzung der Beiträge für die Betreuung im Betreuungsteil ganztägiger Schulformen auf eine mögliche Entlastung der Erziehungsberechtigten insbesondere durch eine soziale Staffelung Bedacht zu nehmen ist. In den Erläuterungen wird hierzu bekräftigend ausgeführt, dass eine weitere Bedingung für die Zuweisung eines Zweckzuschusses auf eine möglichst weitreichende Entlastung der Erziehungsberechtigten abzielt.

Kritisch zu beurteilen sind auch die Ausführungen in den Erläuterungen, wonach für eine nachhaltige Entlastung nach Ende der Laufzeit dieses Bundesgesetzes die gesetzlichen Schulerhalter Sorge zu tragen haben.

Betreuung in der Ferienzeit und Frühaufsicht

Das Gesetz sieht eigene Zuschüsse für die Betreuung in der Ferienzeit und an für schulfrei erklärten Tagen vor. Die Höhe des Zweckzuschusses zu den Personalkosten für außerschulische Betreuungsangebote an ganztägigen Schulformen in den Ferienzeiten (einschließlich schulfreier Tage) beträgt pro erstmalig eingerichteter Gruppe jährlich 6.500 Euro. Unklar ist, ob die Mittel unabhängig davon bereitgestellt werden, ob am Schulstandort zuvor bereits Betreuungsgruppen unterjährig und damit nicht in der Ferienzeit bestanden haben.

Förderbedingung: Frühaufsicht

Im Gesetz ist als weitere Bedingung für Zweckzuschüsse die fälschlicherweise als „Frühbetreuung“ bezeichnete Frühaufsicht aufgenommen worden. Sohin sind Gemeinden bei Bedarf (der wohl in nahezu allen Fällen gegeben sein wird) verpflichtet, Betreuungspersonal in der Zeit von 7.00 Uhr bis Unterrichtsbeginn bereitzustellen. Informationen nach ist selbst im städtischen Gebiet die Administration bzw. Bereitstellung von (Freizeit-)Personal in der Frühaufsicht kaum möglich. In ländlichen Regionen ist dies praktisch unmöglich.

Abschaffung des Hortwesens wird gefördert

Das Gesetz sieht auch eine eigene Förderung für die „Auflassung bestehender außerschulischer Betreuungseinrichtungen zugunsten ganztägiger Schulformen“ vor. Das bedeutet nichts anderes, als dass die bestehenden Horte durch eine ganztägige Betreuung in den Schulen ersetzt werden sollen. Abgesehen davon, dass das nie Ziel und Zweck des Ausbaus ganztägiger Schulangebote war, ist zu hinterfragen, weswegen das Hortwesen abgeschafft werden soll – auch dort, wo es reibungslos funktioniert und gut angenommen wird.

Komplexität hindert Abrufbarkeit der Mittel

Sollte eine Gemeinde nicht schon aufgrund der vorgenannten Punkte mit Ausbauplänen zurückhaltend sein, so ist sie das spätestens wenn es um die Antragseinreichung und die Abwicklung der Kostenzuschüsse geht.

Vom Schulerhalter sind Anträge hinsichtlich des fixen Anteils (bspw. Einrichtung eines Speisesaals) an die zuständige Ministerin, hinsichtlich des flexiblen Anteils (Betreuung in der Ferienzeit) an die zuständige Landesregierung zu richten. Einzureichen sind jedoch alle Anträge bis zum Ende des betreffenden Schuljahres bei der zuständigen Behörde in dem Bundesland, in dem der Standort der ganztägigen Schulform gelegen ist. Die Anträge haben alle für die Beurteilung der Zuerkennung eines Zweckzuschusses erforderlichen Angaben samt Nachweisen zu enthalten (für die Anträge wird es Formblätter geben).

Nach Prüfung der Anträge durch die Behörde werden die Anträge hinsichtlich des fixen Anteils an die zuständige Ministerin und hinsichtlich des flexiblen Anteils an die Landesregierung weitergeleitet. Den geprüften Anträgen ist jeweils eine Empfehlung hinsichtlich der Vergabe des Zweckzuschusses anzuschließen.

Die Genehmigung der beantragten Zweckzuschüsse hinsichtlich des fixen Anteils erfolgt dann durch die zuständige Ministerin, jene hinsichtlich des flexiblen Anteils erfolgt durch die zuständige Landesregierung.

Die Auszahlung an den Schulerhalter, gleich ob es sich um Mittel des fixen oder flexiblen Anteils handelt, erfolgt jedoch (jährlich im Dezember) durch das Bundesministerium für Bildung.

Sollte manch einer den Überblick gewahrt haben – so ist eines noch zu bedenken: Bis 2019 gilt parallel die Art. 15a Vereinbarung über den weiteren Ausbau ganztägiger Schulangebote, die wiederum eine andere Abwicklung (nämlich die bisherige) vorsieht. Da sich die Fördergegenstände dieser drei „Töpfe“ teilweise überschneiden (können) – so können etwa für gleiche Projekte Mittel aus dem flexiblen Anteil oder aus dem fixen Anteil beantragt werden („stehen auch…zur Verfügung“), werden die Übersicht aber auch die notwendige (Rechts-)Sicherheit und Planbarkeit für den Förderwerber bzw. Zuschussempfänger de facto unmöglich.

Resümee

Es ist zu befürchten, dass der vor allem in den letzten Monaten immer wieder in den Blickpunkt medialen Interesses gerückte Ausbau ganztägiger Schulangebote zu einem Ladenhüter wird und die hochgesteckten Ziele – so etwa eine Erhöhung der Betreuungsquote von derzeit 22 Prozent auf 40 Prozent bis zum Jahr 2025 – unerreichbar bleiben. Damit ein Ausbau vonstatten geht bedarf es tatsächlicher Anreize für die Schulerhalter. Mit dem Bildungsinvestitionsgesetz werden derartige Anreize nicht geboten. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Rechnung ohne den Wirten gemacht und ein Gesetz beschlossen, ohne die Kritikpunkte zu berücksichtigen, die von kommunaler Seite geäußert wurden. Einmal mehr zeigt sich: Es muss sich viel ändern, damit alles so bleibt wie es ist.

Wie werden die 750 Millionen Euro im Zeitraum von 2017 bis 2025 aufgeteilt? (Grafik: Kommunanet, Quelle: Bildungsinvestitionsgesetz, Hintergrundbild: ©Marco2811 – Fotolia.com)