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Zehn Jahre Gleichstellungscharta

Erst 20 Städte und Gemeinden haben die Europäische Gleichstellungscharta in Österreich unterschrieben. Österreichs Gemeinde-Vertreterin im RGRE Carmen Kiefer: „Gleichstellungspolitik darf nicht belächelt werden und ist angesichts der geringen Beteiligung von Frauen in der Kommunalpolitik und der starken Flüchtlingswelle wichtiger denn je.“

Selbst in einem modernen Land wie Österreich sind Frauen auf allen politischen Ebenen unterrepräsentiert. Dabei machen sie mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus. Um diese Ungleichheiten zu ändern, wurde 2006 vom Europäischen Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) Gleichstellungscharta erarbeitet. Mit ihrer Unterzeichnung haben seither 20 Städte und Gemeinden in Österreich ein wichtige Zeichen gesetzt und sich zu den Grundsätzen der Charta in ihren Gemeinden bekannt.

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Die Charta umfasst die 6 Grundprinzipien, die spezifischen Umsetzungschritte und konkrete Handlungsfelder. Am Ende des PDF finden Sie auch die Unterzeichnungsurkunde.

Wenige Fortschritte in den letzten zehn Jahren

„Angesichts der Zahlen ist die Charta politisch noch immer genauso akzeptiert wie vor zehn Jahren. Denkt man an die gesellschaftlichen Veränderungen und die Migrationswelle der letzten Jahre, sind ihre Inhalte gesellschaftspolitisch womöglich noch bedeutsamer geworden. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass sich von selbst nur wenig verbessert, daher heißt es nun handeln“, ist Vbgm. Carmen Kiefern, die Vertreterin des Gemeindebundes im RGRE, überzeugt. Daher wird sie den anwesenden Gemeindevertretern/innen diese wichtige Charta beim gemeinsamen Europatag des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Österreichischen Gemeindebundes am 14. und 15. März 2017 in Salzburg wieder in Erinnerung rufen.

Wofür steht die Charta?

  • Die Charta enthält sechs Grundprinzipien:
  • Gleichheit von Frauen und Männern ist ein Grundrecht;
  • Um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu gewährleisten, müssen mehrfache Diskriminierung und Benachteiligung berücksichtigt werden;
  • Die ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern an der Entscheidungsfindung ist eine Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft;
  • Die Beseitigung von Geschlechterstereotypen ist für die Gleichstellung von Frauen und Männern von grundlegender Bedeutung;
  • Die Einbeziehung der Geschlechterperspektive in alle Aktivitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ist notwendig, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen;
  • Richtig ausgearbeitete Aktionspläne und Programme sind notwendige Instrumente zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern;

Eine Unterzeichnung der Charta bedeutet aber nicht nur das grundsätzliche Bekenntnis zur Gleichstellung, sondern soll auch konkrete Maßnahmen für mehr Gleichstellung im eigenen Wirkungsbereich forcieren. Größere Städte haben eigene Aktionspläne entwickelt, für kleinere Gemeinden muss es aber nicht so aufwendig sein. Schon eine Bestandsaufnahme des Vorhandenen (z.B. die Gegenüberstellung der politischen Funktionsträger, der Gemeindebediensteten auch nach Besoldungsgruppen, die Darstellung familienfreundlicher/gleichstellungsfördernder Maßnahmen) kann ein erster, wichtiger Schritt sein.

„Die Gleichstellungscharta lässt sich gut in bestehende Projekte, wie beispielsweise das Audit familienfreundlichegemeinde integrieren. Und es kann wichtige Maßnahmen, wie etwa ein Reißverschlussprinzip bei der Listenerstellung für Gemeinderatswahlen bewirken“, ist Kiefer überzeugt. Weitere Maßnahmen könnten auch die Information der Bevölkerung, familienfreundliche Sitzungszeiten, ein Personalbestand, der die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Vielfalt der Bevölkerung widerspiegelt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die eigenen Mitarbeiter, Gender-Budgeting, Bürgerinformation über die Bedeutung der Gleichberechtigung und vieles mehr sein.

Für interessierte Gemeinden gibt es eine eigene Homepage, die auch mit zahlreichen Best-Practice-Beispielen aufwartet. Den Link dazu finden Sie in nebenstehender Box.

Wieso die Quote aus Kiefers Sicht wichtig ist

Die internationalen Organisationen haben auf eine Quotenregelung in ihren Gremien gesetzt. Der Kongress des Europarates führte eine 30-Prozent-Quote ein, der RGRE im Hauptausschuss eine 40-Prozent-Quote. „Damit konnte der Anteil der Frauen so stark erhöht werden, dass die österreichischen Institutionen am Ende sogar zu viele Frauen schickten und wir wieder mehr Männer nominieren mussten. Man sieht also, wenn man sich aktiv nach fähigen Frauen umsieht, werden auch Frauen für solche Positionen nominiert. Es macht aber auch deutlich, dass die Quote in jede Richtung geht – also auch für Männer gilt“, erzählt die Vizebürgermeisterin der Salzburger Gemeinde Kuchl mit einem Augenzwinkern.

Warum Kiefer sich so für Gleichberechtigung einsetzt? „Die Gleichstellung der Geschlechter ist wie Demokratie: Sie kann niemals als vollständig erreicht angesehen werden. Es erfordert kontinuierliche Arbeit. Wir müssen ständig dafür kämpfen! Ich glaube an die Demokratie und ich glaube auch, dass es keine sinnvolle Demokratie ohne Gleichheit geben kann.“ Unterstützung kommt auch von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der bei der Vorstellung der 2030-Strategie folgendes sagte: „Das ist das Jahrhundert der Frauen: Wir werden unser volles Potenzial nicht erkennen, wenn die Hälfte der Menschheit weiterhin zurückgehalten wird.“

Carmen Kiefer ist überzeugt: "Wann, wenn nicht jetzt, setzen wir uns für mehr Gleichberechtigung ein?" Und sie ruft die Gemeinden auf, die Gleichstellungscharta zu unterzeichnen. (Bild: ZVG)