Jeder EU-Mitgliedsstaat hatte bis spätestens Ende April des jeweiligen Jahres ein Nationales Reformprogramm und ein Stabilitäts- oder Konvergenzprogramm an die Europäische Kommission zu übermitteln. 2021 steht die Aufbau- und Resilienzfazilität im Mittelpunkt, die den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der EU festigen und die tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abfedern soll. Die Fazilität soll aber auch ein Instrument für Reformen und Investitionen in die Zukunft Europas sein und den grünen und digitalen Wandel vorantreiben. Und was heißt das jetzt für die Gemeinden?
Nationales Reformprogramm greift auf EU-Mittel zurück
Damit die Mitgliedstaaten die Mittel der Aufbau- und Resilienzfazilität abrufen konnten, mussten sie bekanntlich nationale Aufbau- und Resilienzpläne erstellen und ihre Reform- und Investitionspläne darlegen. Österreich kann in dem Zusammenhang Zuschüsse in Höhe von gut 3,5 Milliarden Euro beanspruchen. Diese Mittel werden gemäß den Anforderungen der EU-Verordnung 2021/241 für die Aufbau- und Resilienzpläne verwendet.
Die Maßnahmen des Nationalen Reformprogramms sind Teil der nationalen Reform- und Investitionsagenda und ergeben gemeinsam mit dem nationalen Aufbau- und Resilienzplan ein Gesamtbild. Der Aufbau- und Resilienzplan ist mit dem Nationalen Reformprogramm konsistent. Während das Nationale Reformprogramm einen breiten Einblick in die Reform- und Investitionsvorhaben gibt, fokussiert der Aufbau- und Resilienzplan auf ausgewählten Reform- und Investitionsschwerpunkten.
Welche Maßnahmen sind geplant und wer setzt sie um?
Das Nationale Reformprogramm versteht sich als Dokumentation der Leistungen des Gesamtstaates, die auf den unterschiedlichen Regierungsebenen vom Bund, den Ländern und den Gemeinden erbracht werden.
Darüber hinaus wurden viele Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik in Abstimmung mit den Sozialpartnern ausgearbeitet und umgesetzt. Insbesondere das Corona Kurzarbeitsmodell und das Home-Office Maßnahmenpaket wurden unter maßgeblicher Mitwirkung der Sozialpartner realisiert und zählen zu den erfolgreichsten Instrumenten zur Bewältigung der pandemiebedingten Verwerfungen des Arbeitsmarktes. Aber auch auf regionaler Ebene werden viele Maßnahmen gemeinsam mit den Ländern verwirklicht. Einige diese Maßnahmen werden direkt die Gemeinden betreffen – aber welche das sind, ist noch offen.
Vorzeigeregion Energie
Die Klimaschutzinitiative „klimaaktiv“ setzt Anreize und Marktimpulse zum Einsatz Erneuerbarer Energieträger, für Energieeffizienzmaßnahmen im Bereich Bauen und Sanieren sowie für Mobilität. Mit klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen in hoher Qualität soll die Senkung von Treibhausgasemissionen erreicht werden.
So soll etwa eine zunehmende Anzahl von Gebäuden nach dem klimaaktiv-Gebäudestandard gebaut bzw. saniert werden. Angeführte Leuchtturmprojekte finden fast durchgehend auf Länderebene statt. Es finden sich aber auch kommunale Maßnahmen: Beispielsweise im Burgenland die „Bewusstseinsbildung für Klimaschutz, Klimawandel, Energiewende“ oder in Kärnten der „Ausbau der Programme e5, KEM, KLAR! und Klimabündnis“.
Demnach sollen bis 2025 alle Gemeinden an einem der genannten Programme teilnehmen. „Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden“ wird zumindest in Kärnten auch Gemeindeaufgabe sein.
Klimaneutrale Smart Cities
Für Städte wurde im Programm „Stadt der Zukunft“ der Themenschwerpunkt „Mission: Klimaneutrale Stadt“ gestartet. Ein wesentlicher Teil davon ist die F&E-Dienstleistung „Fit4UrbanMission – Vorbereitung auf die EU Mission ,100 Klimaneutrale Städte‘“, die über die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) abgewickelt wird. Für die Mission Klimaneutrale Stadt wurde das Programm Stadt der Zukunft für die Jahre 2021 und 2022 um jeweils 15 Millionen Euro aufgestockt.
Für 2021 sind rund 50 Millionen Euro budgetiert, wobei auf lange Frist bis zum Jahr 2026 Investitionen in der Höhe von mindestens 200 Millionen in 300 Projekten in weiteren Städten bzw. (Stadt)Regionen klimafreundlich umgesetzt werden sollen.
Sanierungsoffensive mit Rekordbudget
Für den Umstieg von umweltschädlichen fossilen Heizungen auf neue, saubere Alternativen im Rahmen der Sanierungsoffensive setzt die Bundesregierung Impulse. Im Rahmen der Wärmestrategie wird mit den Bundesländern der ordnungsrechtliche Stufenplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern in der Raumwärme ausgearbeitet, bei Erdöl bis 2035, bei Erdgas bis 2040. Zur Förderung des Kesseltausches stellt die Bundesregierung für die Jahre 2021 und 2022 ein Rekordbudget von über 650 Millionen Euro zur Verfügung.
Mit dem bereits im Jahr 2020 gestarteten „Schulentwicklungsprogramm 2020“ werden Schwerpunkte im Bereich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bundesschulbau realisiert. In den nächsten zehn Jahren sollen um die 270 Sanierungsprojekte nach den klimaaktiv-Gebäudestandards durchgeführt werden.
Im Hinblick auf die Stärkung der Resilienz der Gemeinden sollen ebenfalls Vorhaben im Bereich der thermischen Sanierung gesetzt werden, die durch raum- und energieplanerische Maßnahmen, etwa im Bereich des Bodenschutzes ergänzt werden.
E-Mobilität und Digitalisierung in der Praxis
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die E-Mobilitätsoffensive der Bundesregierung, die das Phasing-Out fossiler Energieträger im Straßenverkehr durch Ankaufsförderung von Elektro- und Wasserstoffbrennstoffzellenfahrzeugen und der zugehörigen Lade- bzw. Betankungsinfrastruktur beschleunigen soll. Gleichzeitig sieht die Offensive eine erstmalige Förderung multimodaler Mobilitätsknoten, also Orte des Wechsels von einem Verkehrsmittel zum anderen vor.
Fahrrad- und Gehweginfrastruktur
Um die Klimabilanz zu verbessern, setzt die Bundesregierung mit dem Förderprogramm „klimaaktiv mobil“ beim Individualverkehr an und stellt Ländern, Gemeinden und Unternehmen für die Umsetzung klimafreundlicher Mobilitätslösungen für die Jahre 2021 bis 2026 jeweils 35 Millionen Euro zur Verfügung.
Nachhaltige öffentliche Beschaffung
Mit einer volkswirtschaftlichen Leistung von etwa 12 Prozent des BIP pro Jahr kommt der öffentlichen Hand ein beachtliches Gewicht im Bereich des nachhaltigen Konsums zu. Um spürbare Marktimpulse zu setzen, wurden der „Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ sowie die Klimaschutzinitiative „klimaaktiv“ ins Leben gerufen.
Kerngedanke dieser beiden Instrumente ist, dass die öffentliche Hand bei ohnehin zu tätigenden Beschaffungen ihre Kaufkraft nutzt, um gezielt Produkte und Dienstleistungen auf Basis von Nachhaltigkeitsstandards zu erwerben. Ohne zusätzlichen finanziellen Förderaufwand werden damit wirtschaftliche Anreize gesetzt. Konkret sieht der Aktionsplan vor, dass bei der Vergabe von Hoch- und Tiefbauprojekten, bei der Beschaffung von Lebensmitteln, der Nutzung von Energie etc. ein besonderer Fokus auf die Langlebigkeit und die Nachhaltigkeit der Produkte gelegt werden muss.
Um die Implementierung des Aktionsplans bestmöglich zu erfüllen, sollen bestehende Partnerschaften auf allen Ebenen genutzt werden, unter anderem zwischen der Bundesbeschaffung GmbH, der Bundesimmobiliengesellschaft, dem Bund, den Ländern, Städten und Gemeinden, dem Umweltbundesamt, wissenschaftlichen Einrichtungen und NGOs.
Ausbau elementarer Bildungseinrichtungen
Durch die Ausweitung des Angebots an elementaren Bildungsangeboten und die Verlängerung der Öffnungszeiten wird beiden Elternteilen die Aufnahme einer Berufstätigkeit bzw. die Anhebung von Teilzeit auf Vollzeiterwerbstätigkeit ermöglicht und die soziale Absicherung von Frauen gestärkt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung die Weiterführung der Kostenbeteiligung des Bundes am Ausbau elementarer Bildungsangebote und der Verlängerung von Öffnungszeiten beschlossen. Für die Kindergartenjahre 2020/21 und 2021/22 stehen dafür jährlich mindestens 47,125 Mio. Euro zur Verfügung.
Public Management
Um auch weiterhin den stetig wachsenden Anforderungen des technologischen und gesellschaftlichen Wandels sowie knapper werdender Ressourcen gerecht zu werden, soll die Verwaltung sukzessive weiterentwickelt werden.
Hierzu setzt das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Förderung von Innovation in der Verwaltung. Die Rahmenbedingungen (Strukturen und Prozesse), die Kommunikation und die Vernetzung sollen verbessert werden. Bei der Skalierung bzw. Implementierung innovativer Projekte soll es mehr Unterstützung geben.
Transparenz und offenes Regierungshandeln (Open Government) sollen gefördert werden. Dazu sollen Leitlinien und Unterstützungsangeboten für digitale und analoge öffentliche Beteiligung entwickelt werden. Durch konsequentes Qualitätsmanagement und die Weiterentwicklung der entsprechenden Instrumente sollen Leistungen und Abläufe in der öffentlichen Verwaltung verbessert werden.
e-Government
Die zentrale Plattform für Bürgerinnen und Bürger, www.oesterreich.gv.at und die zugehörige App „Digitales Amt“, sollen stark ausgebaut werden. Wesentliche neue Funktionen sind dabei ein Digitaler Führerschein, die elektronische Signatur von PDF-Dokumenten in der App sowie die E-ID als EIDAS-konforme Weiterentwicklung der Bürgerkarte bzw. Handy-Signatur. Dafür sind für die Jahre 2021 und 2022 jeweils 6 Millionen Euro eingeplant. Damit soll e-Government auch in Städten und Gemeinden verbessert werden und die öffentliche Verwaltung näher an die Bürgerin und den Bürger gebracht werden.
Strategie gegen Armut
Auf Basis einer wissenschaftlichen Analyse der sozialen Auswirkungen der Pandemie wird seit dem Herbst 2020 die nationale Strategie „Chancen gegen Armut“ erarbeitet und im Laufe der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt werden.
Armutsbekämpfung ist eine Querschnittsmaterie und Armut kann nur nachhaltig reduziert und vermieden werden, wenn alle relevanten Akteurinnen und Akteure gleichermaßen daran mitwirken. Aus diesem Grund sollen die entsprechenden Bundesministerien, die Bundesländer, soweit möglich und sinnvollerweise auch die Städte und Gemeinden, die Sozialpartner und NGOs in den Prozess einbezogen werden.
Taskforce Pflege
Die Taskforce Pflege soll in Anlehnung an die Zielsteuerung-Gesundheit in einer Zielsteuerungskommission zur Abstimmung und Koordination des Bundes mit den Ländern, Gemeinden und Städten münden. Es ist vorgesehen, die Grundzüge einer Zielvereinbarung bis zum Sommer 2021 zu erarbeiten.
Ausbau von Primärversorgungseinheiten
Zur Entlastung des kostenintensiven akutstationären Spitalssektors setzt Österreich auf eine Verlagerung der Versorgung in den ambulanten Bereich, wobei der Fokus auf dem Ausbau und der Verbesserung der Primärversorgung liegt.
In den kommenden Jahren sollen 75 multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten eingerichtet werden.
Community Nurses
„Community Nurses“ haben eine zentrale Bedeutung im Präventionsbereich, also noch vor dem Eintreten der Pflegebedürftigkeit. Im Rahmen des Projekts „Community Nurses“ erhalten pflegende Angehörige professionelle Unterstützung. Die Koordination von mobilen Pflege- und Betreuungsdiensten sowie von medizinischen und sozialen Leistungen soll unterstützt werden.
Ziel der Maßnahme ist es, die Selbsthilfe von Betroffenen und deren An- und Zugehörigen zu stärken und den Verbleib älterer Menschen im eigenen Zuhause so lange wie möglich zu gewährleisten. Mit der Umsetzung soll Mitte 2021 begonnen werden.
Kommunale Investitionsförderung
Die Covid-Krise hat enormen Einfluss auf die Finanzen der österreichischen Gemeinden. Gemäß aktuellen Prognosen werden Einnahmenrückgänge von 1,5 bis 1,9 Milliarden Euro erwartet. Da die Ausgaben kurzfristig aber nicht im selben Ausmaß reduziert werden können, steigt der Druck auf die Gemeindefinanzen. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Situation und der Bedeutung der regionalen Wertschöpfungskette soll durch die zusätzlichen Fördermöglichkeiten für ökologische Maßnahmen im Rahmen der „Umweltförderung im Inland“ (UFI) der grüne Wandel forciert und der Wiederaufbau nach der Krise unterstützt werden.
Mit dem Kommunalinvestitionsgesetz 2020 wurde im Sommer 2020 ein weiteres wichtiges Instrument für Investitionen auf lokaler Ebene, aber auch für Kooperationsprojekte von Gemeinden verabschiedet. Insgesamt sind Bundesmittel in Höhe von einer Milliarde Euro für 2020 und 2021 vorgesehen. Der Bund beteiligt sich mit bis zu 50 Prozent an Kosten von geplanten Investitionen, mit denen im Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 begonnen wird bzw. auch an bereits ab Juni 2019 begonnenen Projekten, deren Finanzierung aufgrund von krisenbedingten Mindereinnahmen nicht mehr möglich ist.
Zuschussfähige Investitionen sind unter anderem in Kindertageseinrichtungen und Schulen, Einrichtungen für die Betreuung von Seniorinnen und Senioren und Menschen mit Behinderungen, Sportstätten, Ortskern-Attraktivierung, in den öffentlichen Verkehr und die Schaffung von öffentlichem Wohnraum und Gemeinschaftsbüros. Wesentliche Förderzwecke sind darüber hinaus die Sanierung von Gebäuden der Gemeinden sowie der Breitbandausbau.
Viele Pläne noch wenig konkret
Alles in allem ein ehrgeiziges Programm, das allerdings zumindest bis Redaktionsschluss teils auf Überschriften beruht. Es wird viel davon abhängen, wie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – die „Kraft vor Ort“- die Punkte umsetzen.
Die einzelnen Programme sind auf der Website des Bundeskanzleramtes nachzulesen.
Zum Autor: Hans Braun ist Chefredakteur der Fachzeitschrift KOMMUNAL.