7.11.2017 – Würde man in Österreich fragen, welche Einrichtung in Gemeinden das soziale Leben am meisten prägt, so wäre das Wirtshaus wahrscheinlich ganz weit vorne. Was aber, wenn das Wirtshaus zusperrt?
Vorarlberg gilt als eine der wirtschaftlich und touristisch stärksten Regionen Österreichs. Dennoch haben auch hier Gemeinden mit den Problemen zu kämpfen, die in ganz Österreich Thema sind. Als 2011 das Café Grabherr aufgrund des viel zu frühen Ablebens des Betreibers seine Pforten schloss, fehlte mit einem Schlag ein wichtiger sozialer Treffpunkt in der Vorderwälder Gemeinde Riefensberg. „Es gibt zwar noch ein Wirtshaus in der Gemeinde, das hat aber nicht immer offen. Es fehlte zum Beispiel der Mittagstisch, oder ein Ort, an dem sich die Jugend treffen kann“, erinnert sich der 37-jährige Bürgermeister Ulrich Schmelzenbach. Daher dauerte es nicht lange, bis der Wunsch nach einem stärkeren Engagement der Gemeinde laut wurde. „Manche wollten, dass die Gemeinde das Gebäude kauft. Aber wir alle wissen, dass kaufen nicht das Problem ist, sondern jemanden zu finden, der das betreibt“, betont der Ortschef, der 2015 ins Amt gewählt worden ist.
„Kaufen ist nicht das Problem“
Es folgten viele Sitzungen, in denen über mögliche Lösungen diskutiert wurde. „Es lag auch schon eine Kaufsumme am Tisch. Auf Initiative unseres jetzigen Genossenschaftsobmanns Richard Bilgeri wurde ein Ausschuss gegründet, um sich näher mit dem Modell der Genossenschaft auseinanderzusetzen.“ Die Gruppe schaute sich Projekte im Schwarzwald an, erkundigte sich nach möglichen Förderungen bei der Regionalentwicklung und bei LEADER. Auch mit der Raiffeisen-Bank trat man in Gespräche.
„Noch vor Ende der Verhandlungen wurden 130 Anteilsscheine zu 1.000 Euro für Erwachsene und zu 500 Euro für Jugendliche ausgegeben. Das war mit der Absichtserklärung verbunden, dass, wenn wir die benötigte Summe zusammenbekommen, die Leute das Geld tatsächlich bereitstellen.“ Diese Aktion war so erfolgreich, dass selbst die von der Gemeinde zugesicherten 40 Anteile verkauft hätten werden können. „Es war uns wichtig, dass auch die Gemeinde ein Zeichen setzt und das Projekt unterstützt“, erzählt Schmelzenbach. Die Beteiligten erhielten dafür weder Zinsen noch die Aussicht, das Geld je wieder zurück zu bekommen. „Sie erhielten dafür ein Gasthaus“, meint Bilgeri lapidar.
Beinahe wäre Projekt gescheitert
Als man die 300.000 Euro für den Kauf des Kaffeehaus-Gebäudes beisammen hatte, wäre das Projekt beinahe gescheitert: „Bei der entscheidenden Sitzung war die Stimmung schon fast so, dass alle der Mut verlassen hat, dieses Projekt auch wirklich umzusetzen. Diese Zweifel waren durchaus berechtigt, denn es gibt ja viele Gemeinden, in denen so ein Genossenschaftsprojekt gescheitert ist. Mein Vorvorgänger Leopold Willi hat aber dann das Wort ergriffen und sehr für das Projekt gesprochen. Ich glaube, nur durch seinen Einsatz ist das Votum am Ende für das Projekt ausgegangen.“
3.000 freiwillige Stunden für Innenrenovierung
Fragt man den jungen Ortschef, was das Besondere an seiner Gemeinde ist, so antwortet er ohne Zögern, dass es der einzigartige Zusammenhalt in der 1.100-Einwohner-Gemeinde ist. Dieser Zusammenhalt wurde auch bei der Sanierung des Hauses sichtbar: „Für den Umbau musste zwar ein Kredit aufgenommen werden, die umliegenden Firmen haben das benötigte Material aber eins zu eins, also ohne Gewinnspanne, weitergegeben. Die Arbeit haben viele Handwerker sogar ehrenamtlich erledigt. Der Richard war sicher ein halbes Jahr jeden Samstag um 6 Uhr vor Ort und hat gearbeitet. Also da haben wirklich viele ihren Idealismus und ihren Ehrgeiz investiert.“ Seit der Eröffnung von „Bartle – üser Wirtshus“ im Sommer 2014 ist das Projekt auch wirtschaftlich erfolgreich.
Was macht Bartle erfolgreich?
Was lässt dieses Projekt strahlen, während andere scheitern? Zum einen ermöglicht eine vermietbare Wohnung über dem Kaffeehaus regelmäßige Einnahmen, die wirtschaftliche Schwankungen ausgleichen. Außerdem sind immer noch viele ehrenamtlich dabei. Am Samstag zwischen 14 und 17 Uhr helfen immer Ehrenamtliche beim Servieren. Diese 15 bis 20 Personen wechseln sich in ihrem Einsatz ab. Es gibt aber auch fünf Angestellte. Schmelzenbach berichtet über Überlegungen, dem Genossenschaftsobmann ein Gehalt zu zahlen: „Richard sagte aber, dass er kein Geld will, solange man noch die Bank bedienen muss.“
Ein weiterer Faktor für das Gelingen ist, dass Bartle in das touristische Angebot eingebunden wird. „Früher war es so, dass wir die Busse, die die Juppenwerkstatt besucht haben, zum Einkehren immer in Nachbarorte schicken mussten. Nun wird der Besuch gerne mit einem kleinen Zwischenstopp im Bartle verbunden“, so Schmelzenbach. Dieses Angebot wird auch aktiv auf der Homepage der Juppenwerkstatt angeboten.
Hauptkunden sind die Einheimischen
Damit im Bartle was los ist, wird aber nicht nur auf die Touristen geschaut. Der Hauptkundenstamm sind die Einheimischen. „Es ist uns schon wichtig, dass sich auch am Wochenende im Ort was tut. Bartle leistet hier einen großen Beitrag. Die Mitglieder der Genossenschaft sind sehr aktiv und kreativ. So gibt es einen Mittagstisch, ein Abo-Menü, Dämmerschoppen, Frühschoppen, Salatbuffets, Steakabende.“ Gleichzeitig wird aber auch darauf geschaut, dass die Sitzungen der Vereine nicht nur im Vereinslokal stattfinden. „Wir sagen schon, dass sie zumindest nach einer Vereinssitzung noch ins Wirtshaus gehen sollen. Auch wir von der Gemeindevertretung machen das so“, betont Schmelzenbach, der hier auf eine gleiche Aufteilung zwischen dem örtlichen Wirtshaus und dem Bartle achtet. „Auch in den Öffnungszeiten achtet man darauf, dass sich das Wirtshaus und unser Bartle nicht gegenseitig Konkurrenz machen.“
Probleme in der Gemeinschaft anzugehen, hat sich nicht nur beim Wirtshaus-Projekt bewährt. So wurde der Spielplatz, der mitten im Ort steht, erst wieder genutzt, als er gemeinsam mit Eltern, Kindergarten- und Schulvertretern neu konzipiert wurde. „Vorher hatten wir einen schicken Spielplatz, der von einem Architekten entworfen wurde. Da sind die Mütter mit ihrem Kindern aber extra zu den Spielplätzen der Nachbarorte gefahren. Heute ist in Riefensberg am Samstag viel los, denn nun können die Kinder spielen, während die Mütter zum benachbarten ADEG einkaufen gehen“, freut sich Schmelzenbach.