Woran liegt es, dass sich nicht mehr Frauen für die Übernahme des Bürgermeisteramtes interessieren oder es aktiv anstreben? Kommunalnet hat im Vorfeld des Weltfrauentages am 8. März einen Rundruf unter Österreichs Ortschefinnen gemacht, um zu erfahren, was die größten Stolpersteine sind.
„Fürs Familienleben nicht einfach“
Für die Antwort auf die Frage, warum die Zahl weiblicher Bürgermeister nur langsam steigt, gibt es unterschiedliche Erklärungen. „Das Zeitproblem stellt meiner Einschätzung nach, die größte Hürde dar. Sitzungen finden – vor allem in den kleinen Gemeinden – hauptsächlich abends statt“, sagt die Bürgermeisterin von Oberhofen am Irrsee (OÖ), Elisabeth Höllwarth-Kaiser. „Die Wochenenden sind mit diversen Veranstaltungen ausgebucht. Das ist für eine Familie nicht einfach. Wenn man es dann, so wie in meinem Fall, zum Amtsantritt mit drei doch noch kleineren Kindern vereinbaren soll, braucht es schon einen sehr verständnisvollen Ehemann, der voll und ganz hinter einem steht und dies bestmöglich unterstützt“, so Höllwarth-Kaiser.
Das Vereinbarkeitsproblem sieht auch Margit Göll, Bürgermeisterin der NÖ Gemeinde Moorbad-Harbach: „Ich bin überzeugt, dass in vielen Frauen dieses Potenzial vorhanden ist. Frauen haben doch Mehrbelastungen wie Beruf, Familie und Politik zu tragen, somit ist ihre Zeit für viele Jahre auch eingeschränkt.“
„Frauen wollen sich verbalen Verletzungen nicht aussetzen“
Dass Frauen das Bürgermeisteramt oft nicht aktiv anstreben, liege auch daran, dass das Berufsbild einer Politikerin schon sehr negativ besetzt sei, sagt die Bürgermeisterin von Dechantskirchen (Stmk), Waltraud Schwammer. Auch die Angreifbarkeit sei ein Grund, der Frauen davon abhalte, das höchste Amt in einer Gemeinde anzustreben, ergänzt Katharina Seebacher aus Schlierbach (OÖ): „Man wird zur öffentlichen Person wird und ist damit auch vielen persönlichen Anfeindungen, verbalen Angriffen und Unterstellungen ausgesetzt“, sagt Seebacher. „Das liegt an der politischen und medialen Kultur unserer Gesellschaft, dass man Menschen, die im öffentlichen und politischen Bereich arbeiten, recht leicht und ungestraft diskreditieren kann. Frauen neigen häufiger dazu, solche Dinge zu persönlich zu nehmen und daher wollen sie sich diesen „Verletzungen“ nicht aussetzen.“ Oder wie Phillipine Hierzer, Ortschefin in Labuch, es kurz zusammenfasst: „Manchmal fragt man sich schon, warum man sich das antut – natürlich ist man auch der Prellbock, wenn etwas nicht funktioniert oder aus gesetzlichen Gründen nicht machbar ist.“
„Müssen härter arbeiten als Männer“
„Gerade in ländlichen Regionen ist es schwieriger als Frau Bürgermeisterin, wir müssen härter arbeiten wie ein Mann“, berichtet Margit Göll aus ihrer Erfahrung. Auch die immer komplexer werdenden Rechtsmaterien erschweren das Amt – allerdings nicht nur für Frauen. „Das will sich oft schon kein Mann antun, Frauen trauen sich das manchmal noch weniger zu“, so Höllwarth-Kaiser.
Doch viele Bürgermeisterinnen sehen das Amt trotz aller Schwierigkeiten immer noch positiv, wie Phillipine Hierzer sagt: „Es ist nicht leichter oder schwerer als gedacht. Es ist jedoch eine tägliche Herausforderung – nicht immer leicht, aber es erfüllt mit Freude, wenn man wieder etwas für seine Bürger/innen durchgesetzt hat.“ Vielen Bürgermeisterinnen fehlen auch die Amtskolleginnen, so Waltraud Schwammer: „Ich hab mir keinerlei Vorstellung gemacht, weil ich auch keine Bürgermeisterin hätte fragen können. Im Bezirk war ich die erste Ortschefin in einer der 50 Gemeinden.“
„Wir sind auch keine Wunderwuzzis“
Ulrike Böker, Bürgermeisterin von Ottensheim (OÖ), sieht ein grundsätzliches Problem: „Wir sind keine Wunderwuzzis, genauso nicht wie die Chefin eines großes Konzerns und wie der Supermarktkassierer. Wir sind Menschen mit all den guten und schlechten Seiten, wir brauchen auch unsere Pausen und können nicht 100 Stunden die Woche unterwegs sein, auch wenn es noch so viel Spaß macht…aber das macht es ja auch nicht immer.“
„Frauen im Amt sind die besten Vorbilder“
Mehr Kolleginnen an der Spitze von Gemeinden wünschen sich alle Bürgermeisterinnen, auch Waltraud Schwammer aus Dechantskirchen. Frauen seien es gewohnt zu handeln und viele Dinge unter einen Hut zu bringen. Sie sollten daher „Ja“ sagen, wenn ihnen so ein Amt angeboten werde, sagt Schwammer.
Ein Weg zu mehr Motivation könnte auch ein Stopp bei der Gesetzesflut sein, wie Katharina Seebacher glaubt: „Ich wünsche mir eine „echte“ Verwaltungsreform, wo es nicht nur um Einsparung von Personal in der öffentlichen Verwaltung geht, sondern um Vereinfachung und Reduktion von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.“
Frauen können aber als Vorbilder auch andere Frauen in politische Ämter locken, wie die Gemeinde Labuch beweist: Fünf von neuen Gemeinderäte/innen dort sind Frauen, eine Reihe weiterer Spitzenfunktionen in der Gemeinde sind weiblich besetzt, darunter auch die Feuerwehrärztin. Auch in Schlierbach sind von 25 Mandaten, immerhin neun von Frauen besetzt, ein Wert, der deutlich über dem österreichischen Schnitt liegt.