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VwGH erweitert Auskunftspflicht

Die Amtsverschwiegenheit als Argument für eine Auskunftsverweigerung ist nur in einem engen Rahmen zulässig. Die Stadt Wien muss damit sogar interne Reformvorschläge an die Medien geben. Was diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nun für die restlichen Gemeinden in Österreich bedeutet, erklärt Martin Huber.

In seiner jüngsten Entscheidung vom 29. Mai 2018, Zl. Ra 2017/03/0083 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) festgehalten, dass Ausnahmen von der Auskunftspflicht insbesondere gegenüber Medien eng auszulegen sind. Er korrigierte damit die Rechtansicht des Wiener Magistrates und des Landesverwaltungsgerichtes Wien in der Frage, wie weit Journalisten Auskunft auch in verwaltungsinterne Dokumente zu erteilen ist.

Anlassfall in Wien

Im vorliegenden Fall begehrte der Auskunftswerber beim Magistrat der Stadt Wien Auskunft über dessen Aktion „Vorschläge zu Effizienzmaßnahmen“ in der Verwaltung und über das Ergebnis der Prüfung dieser Vorschläge. Der Journalist wollte den näheren Wortlaut der rund 1.200 anonymen Vorschläge aus der Magistratsverwaltung für Effizienzmaßnahmen in Erfahrung bringen. Der Magistrat der Stadt Wien stellte daraufhin pauschal fest, dass die Auskunft nicht zu erteilen sei, weil es sich unter anderem um Bereiche handle, die der besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegen würden. Zudem wäre die Auskunft mutwillig beantragt worden sein. Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Wien bestätigt, der VwGH beurteilte den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht hingegen anders.

Wiener Fall für ganz Österreich relevant

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist insofern auch für die anderen österreichischen Gemeinden relevant, da sich der Text der einzelnen Auskunftspflichtgesetze sehr ähnlich ist. Wie in den anderen Bundesländern auch räumt das Wiener Auskunftspflichtgesetz grundsätzlich jeder Person ein subjektives Recht auf Auskunftserteilung ein. Eine Behörde hat Auskunft zu geben soweit der Erteilung keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht und dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Weiters muss eine Auskunft nicht erteilt werden, wenn das Auskunftsbegehren offenkundig mutwillig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, dass das Wiener Auskunftspflichtgesetz im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 10 EMRK – verfassungskonform – auszulegen ist. Ausnahmen sind insbesondere dann eng auszulegen, wenn z.B. Anfragen als relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische Aktivitäten zu sehen sind. Eine Auskunft kann nicht pauschal mit der Begründung verweigert werden, dass hinsichtlich einzelner dieser Vorgänge Verschwiegenheitspflicht besteht.

Vielmehr hat die Behörde Auskunft über jene Vorgänge zu erteilen, für die keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht. Wird die beantragte Auskunft (teilweise) auf Grund von gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten verweigert, hat die Behörde darüber mit Bescheid abzusprechen und Feststellungen über jene Umstände zu treffen, auf die sich eine Verweigerung gründet. Dasselbe gilt auch im Hinblick des Auskunftsverweigerungsgrundes der wesentlichen Beeinträchtigung der übrigen Aufgaben: Dies kann nach Ansicht des VwGH zur Folge haben, dass Übersichtsauskünfte zu geben sind bzw. Zugang zu den relevanten Dokumenten einzuräumen ist.

©Gemeindebund
Dr. Martin Huber ist Jurist und Direktor des Salzburger Gemeindeverbandes. Er unterrichtet auch „Public Management“ an der Fachhochschule Kärnten. Für Kommunalnet analysiert Huber immer wieder juristische Themenfelder mit Gemeindebezug. ©Gemeindebund

Wien muss nun einen neuen Bescheid erlassen

Der Verwaltungsgerichtshof stellte auch klar, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach sich die Auskunftspflicht nach § 1 Wiener Auskunftspflichtgesetz „sowohl auf Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung als auch auf solche der Privatwirtschaftsverwaltung“ bezieht (vgl. zuletzt VwGH 29.3.2017, Ra 2017/10/0021), nicht dahingehend verstanden werden kann, dass davon ein dritter Bereich „verwaltungsinterner“ Akte zu unterscheiden wäre, der vom Anwendungsbereich des Wiener Auskunftspflichtgesetzes ausgenommen wäre, im Gegenteil: gerade dadurch, dass das Wiener Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers auf die unzutreffende Rechtsansicht gestützt habe, dass über „verwaltungsinterne“ Akte keine Auskunft zu erteilen sei, wäre das angefochtene Erkenntnis schon mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Magistrat der Stadt Wien hat nun – gebunden an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes – einen neuen Bescheid zu erlassen.

Spannungsfeld für Gemeinden wird größer

Naturgemäß bedeutet die Entscheidung nicht, dass generell über alle „verwaltungsinternen Akte“ Auskunft zu erteilen ist. Wenn eine besondere Verschwiegenheitspflicht vorliegt, ist diese seitens der Behörde wahrzunehmen. Seit der jüngsten Entscheidung des VwGH aber ist eine Verweigerung der Auskunft durch eine Behörde noch genauer zu prüfen und zu begründen. Das Spannungsfeld zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Auskunftspflicht auf der anderen Seite spitzt sich damit weiter zu. Dass die Gemeinden immer mehr den Eindruck bekommen, dass von ihnen mit der Forderung nach maximalem Datenschutz (s. Datenschutzgrundverordnung) und gleichzeitig möglichst weitgehender Auskunftspflicht gegenüber Dritten die Kunst des Unmöglichen verlangt wird, ist mehr als nur nachvollziehbar.

Gemeinden werden derzeit mit Medienanfragen zu den unterschiedlichsten Themen befragt und müssen dabei im Spannungsfeld zwischen Auskunftpflicht, Amtsverschwiegenheit und Datenschutz eine schwierige Entscheidung treffen. © BillionPhotos.com – Fotolia.com