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Umdenken bei Baumhaftung gefordert

Die bisherigen Fälle bei Baumhaftung führen dazu, dass Bäume immer öfter vorsichtshalber gefällt werden. Wie man solche Fälle vermeiden und auch in der Bevölkerung wieder für mehr Bewusstsein im Umgang mit der Natur sorgen kann, wurde bei einer Veranstaltung der Baumkonvention diskutiert.

Die Rechtsunsicherheit ist groß – und das führt zu massiven „Sicherheitsschnitten“ und Rodungen entlang von öffentlich zugänglichen Waldbeständen. Ursache dafür ist, dass sich die Rechtsprechung zur Haftung der Baum- und Wege-Erhalter im Zusammenhang mit herabfallenden Ästen und umstürzenden Bäumen in den letzten Jahren deutlich verschärft hat. Dazu kommt, dass den ausführenden Mitarbeiter/innen im Schadensfall nicht nur schadenersatzrechtliche sondern auch strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Die „Plattform Baumkonvention“ will hier gegensteuern und mehr Rechtssicherheit und Klarheit für Baumbesitzer und –Pfleger schaffen. Ihr gehören bereits mehr als 35 Institutionen, die sich zu diesem  Ziel bekennen. Am 21. März 2019 kamen sie auf dem Linzer Schlossberg zusammen, um die nächsten Schritte für eine Baumkonvention beziehungsweise für einen Leitfaden zu erarbeiten, der helfen soll, die Situation zu entschärfen und unnötige „Sicherheitsschnitte“ zu vermeiden.

Bei Fachvorträgen wurden darüber diskutiert, wie man das Haftungsrisiko für Gemeinden und Städte reduzieren kann. ©Roman David-Freihsl
Bei Fachvorträgen wurden darüber diskutiert, wie man das Haftungsrisiko für Gemeinden und Städte reduzieren kann. ©Roman David-Freihsl

„Achtsamkeit und Eigenverantwortung“

„Unser Ziel ist es, Bäume – vor allem auch ältere Bäume – in all ihrer Schönheit und mit ihren wichtigen Funktionen zu erhalten“, betont Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22, die die Plattform Baumkonvention initiiert hatte. „Es gilt, gemeinsam in Richtung mehr Achtsamkeit, aber auch Bewusstseinsbildung und Eigenverantwortung zu gehen.“

Die aktuelle Entwicklung gehe laut Büchl-Krammerstätter allerdings auch mit einer Entfremdung von der Natur einher: „Viele Menschen leben inzwischen derart von der Natur entfernt, dass es ihnen nicht mehr bewusst ist, welche Gewalten in der Natur wirksam sind. Sie gehen von einem „Nullrisiko“ aus. Ein solches gibt es allerdings nicht – wir müssen uns aber von der Illusion verabschieden, dass Natur beherrschbar wäre“.

Beim Thema Lawinen sei dies noch durchaus der Fall: „Da kommt auch niemand auf die Idee zu sagen: Warum denn der Lawinenhang nicht sicher gemacht worden sei. Im Gegenteil – wenn jemand trotz Warnung mit einer Gruppe in einen Lawinenhang hineinfährt, riskiert er sogar eine Anzeige wegen fahrlässiger Gefährdung.“ Im Grunde sei die Situation genau die gleiche, wenn jemand bei Sturm in den Wald geht und genau dafür gelte es, ein Bewusstsein – aber auch Rechtssicherheit zu schaffen. „Derzeit werden Bäume rechtlich wie Bauwerke behandelt, tatsächlich sind sie aber Naturgebilde, wie ein Berg, ein See oder eine Wiese.“

Die Fachtagung

An folgenden inhaltlichen Schwerpunkten wurde während der Fachtagung gearbeitet:

  • Welche Herausforderungen für Österreichs Waldbestände entstehen durch den Klimawandel – und welche Bedeutung / Auswirkungen haben Wälder im Klimawandel; eine Studie des Umweltbundesamts (UBA)soll aufzeigen, was die derzeitigen Eingriffe für das Ökosystem bedeuten und wieviel Waldflächen in Österreich betroffen sind.
  • Erarbeitung eines Leitfadens, der den Baumverantwortlichen wesentliche Informationen vermitteln und einen achtsamen, nachhaltigen Umgang mit Baumbeständen ermöglichen und Rechtsicherheit bieten soll und
  • Eine Konvention, die das gemeinsame Bekenntnis zu einem achtsamen, nachhaltigen Umgang mit Baumbeständen enthalten soll.

Bei der Tagung selbst wurde am Vormittag ein Überblick über den Stand der Dinge und die anstehenden Herausforderungen und Ziele geboten. Mario Winkler von der Österreichischen Hagelversicherung referierte über „Risikogovernance und Risikokommunikation“. Anschließend berichtete Bernhard Schwarzl vom Umweltbundesamt und der deutsche Baumsachverständige Gernot Fischer über „Individuelle und kollektive Risiken rund um den Baum“.

Praxisrundschau

Im Anschluss daran berichtete Vertreter unterschiedlicher Institutionen in einer Praxisrundschau zum Thema „Wie gehen Baumverantwortliche aktuell mit dem Thema um?“ Vertreten waren die Juristin Judith Wielander-Faustenhammer von Wiener Wohnen, der Umwelt-Gemeinderat Leopold Spitzbart von der Stadtgemeinde Klosterneuburg, Christoph Geier  von der Forstverwaltung der Dözese Linz und Karoline Zsak vom Nationalpark Donau-Auen.

Der Nachmittag war der inhaltlichen Arbeit in sechs Arbeitsgruppen gewidmet. Folgende Themen wurden bearbeitet: Vorbereitungen für eine Baumkonvention als gemeinsames Bekenntnis zu besseren Baumschutz und klaren rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Praxis in der Judikatur wurde in einer weiteren Arbeitsgruppe ebenso beleuchtet, wie parallel dazu der Status quo und Verbesserungsmöglichkeiten in der Legistik. Weitere Arbeitsgruppen widmeten sich den Themen „Risikogovernance und Risikokommunikation in der Praxis“, beleuchteten die bisherigen Ergebnisse der Umweltbundesamt-Studie beziehungsweise arbeiten am Leitfaden Baummanagement.

Hintergrund und was bisher geschah

Angesichts der immer mehr zunehmenden „Sicherheitsschnitte“, um drohende Rechtsschritte und Haftungen zu vermeiden, hatte Karin Büchl-Krammerstätter im Jahr 2016 gemeinsam mit den Dienststelen der Stadt Wien,in deren Verantwortung die Wald- und Baumpfleege liegt sowie der WUA veranlasst, dass bei der Johannes-Kepler-Universität Linz eine Projektstudie zu umweltrechtlichen Haftungsfragen in Auftrag gegeben wurde. Die Autorinnen belegten darin, dass die derzeitige Gesetzeslage in Bezug auf Baumhaftung in Österreich zu einer uneinheitlichen Judikatur führt und somit die Verantwortlichkeit und Haftung von Baum- und WaldbesitzerInnen immer weiter ausgedehnt wird.

Zitat aus der Projektstudie Umweltrechtliche Haftungsfragen:

„…auch das öffentlich rechtliche Allgemeininteresse an der Erhaltung und Wahrung des Baumbestandes als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlage, steht einer derart restriktiven Haftung entgegen. Denn diese, von einem überzogenen Sicherheitsdenken getragene, Judikatur spiegelt sich in der Praxis in einer Zunahme an Baumfällungen wieder. Dabei sind Bäume unersetzlich für unsere Umwelt und nach dem B-VG Nachhaltigkeit 2013 zu schützen. Der Baum ist eben nicht nur Gefahrenquelle und Haftungsobjekt, sondern auch Schutzgut im öffentlichen Recht.“

Aus diesem Impuls heraus wurde 2017 die Plattform „Unsere Bäume – auf dem Weg zu einer österreichischen Baumkonvention“ gegründet. Ihre zwei zentralen Ziele sind:

  • Klarheit bei den Haftungsregelungen für Baum- und Waldbesitzer schaffen.
  • ökologisch wertvolle Baumbestände erhalten.

Die derzeit üblichen „Angstschnitte“ sollen so vermieden werden. Dies hätte positive Auswirkungen auf den Erhalt älterer, wertvoller Baumbestände, auf die Artenvielfalt und ist auch im Hinblick auf den Klimawandel und Klimaschutz nicht zu unterschätzen (CO2-Bindung durch Baumbestände). Dazu kommt unter anderem auch noch die schattenspendenden, kühlenden Effekte sowie die Luftfilterfunktion und Erholungswirkung von Bäumen.

2017 fand bereits eine erste „Fachtagung Baumhaftung – der Baum und seine Wirkungen in Gefahr“ statt; die Arbeit wurde und wird in mehreren Arbeitsgruppen und Plattformtreffen fortgesetzt.

Die Plattform hat sich inzwischen zu einer breiten und repräsentativen Bewegung entwickelt. Teilnehmer und Interessenten sind unter anderem: Vertretungen großer Forstbetriebe, NGOs, öffentliche Verwaltungen, Naturschutzorganisationen, Schutzgebietsverwaltungen, Wissenschaftler/innen, Baumpfleger/innen, Umweltanwaltschaften sowie der Städte- und der Gemeindebund.

Die Plattform "Baumkonvention" hat sich inzwischen zu einer breiten und repräsentativen Bewegung entwickelt.©Roman David-Freihsl