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Talente werden von Gemeinden gefunden

„Mut ist die Devise“ – das war das Schlusswort eines inspirierenden Vortrags von Prof. Markus Hengstschläger beim Festakt 70 Jahre Gemeindebund. Im Anschluss gab er den Redakteuren Carina Rumpold und Hans Braun Zeit für tiefer gehende Fragen.

Mut ist die Devise. Aber woher nehmen, wenn er nicht da ist? In Österreich fehle es an der richtigen Fehlerkultur, wie Hengstschläger ausführt. Damit meint er, „dass Systeme fehlen, die eine Person nach einem Misserfolg oder einem „Straucheln mit der Geschäftsidee“ dazu animieren, es nochmals zu versuchen.“ Der Mut zu einem Ansatz ist meist da, aber scheitert man – besonders wenn die eigene Reputation im Spiel ist – fehlt den meisten der Mut zu einem zweiten Versuch.

©Gemeindebund/Jürg Christandl
Gemeinden können eine Menge dazu beitragen, um die Gesellschaft dahingehend zu verändern. ©Gemeindebund/Jürg Christandl

„Brauchen eine Fehlerkultur“

„Wenn wir die Jugend zu einem Wagnis animieren wollen“, so Hengstschläger, „brauchen wir ein flächendeckendes Konzept für die richtige Fehlerkultur. Das gilt für die Politik, aber auch in allen anderen Bereichen wie beispielsweise der Wirtschaft.“

Dass wir Bewährtes dabei nicht über Bord werfen sollen, mache das Ganze aber zu einer Gratwanderung. Das Wissen und die Fertigkeiten, um die vorhersehbare Zukunft zu bewältigen, sollte unbedingt bewahrt bleiben. Aber für den Anteil der unvorhersehbaren Zukunft muss man neue und vor allem flexible Wege beschreiten, um Antworten auf die neuen Fragen zu finden.

„Nach vorne schauen“

„Das Problem ist Österreich ist oft, dass wir uns zu viel über bekannte Probleme den Kopf zerbrechen und sie immer wieder diskutieren. Eins plus Eins bleibt Zwei, darüber brauchen wir nicht mehr zu reden, das wissen wir. Wir wissen auch viel, was nicht funktioniert, weil wir es in der Vergangenheit schon versucht haben. Aber zu versuchen, Antworten auf das Neue zu finden, die Innovationen der Jugend nutzen, das ist die Zukunft.“

Um zu einer Gesellschaft zu kommen, die flexibel auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren kann, ist Bildung einer der wichtigsten Ansätze, wenngleich Hengstschläger sofort einschränkt: „Wenn ich in einer Region schon einen bestimmten Rohstoff, eine tolle Infrastruktur habe, muss ich unbedingt darauf schauen, dass ich diesen Vorteil, dieses bewährte Wissen, diese Kompetenz, auch nutze. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.“

Rückschläge als Chance für Neues begreifen

Aber Flexibilität ist wichtig, um neue Herausforderungen zu bewältigen. Und das geht nur über die Bildung. Hengstschläger: „Wir müssen dahin kommen, dass wir den Verlust einer Arbeit nicht nur als Katastrophe wahrnehmen, sondern auch als Chance, neue Dinge, neue Konzepte zu kreieren als Antwort auf die Fragen, die wir vielleicht noch gar nicht kennen. Und das wird nur über die Bildung funktionieren.“

Bildung als Kernherausforderung unserer Zeit

Bildung ist also die Kernherausforderung unserer Zeit. Auch hier hat Hengstschläger zwei Ansätze, einerseits, wie er es nennt, die „gerichtete Bildung“. Darunter versteht er all jene Dinge, die „man können muss“. Schreiben, Rechnen, Lesen fallen darunter. Flexibilität und Individualität sind Eigenschaften, die unter die „ungerichtete Bildung“ fallen. Und meist haben wir keine Ahnung, wohin uns diese Fertigkeiten führen werden … aber sie sind unverzichtbar.

Das sei auch eine Kompetenz der Gemeinde. „Die außerschulische Bildung vor Ort hat sich schon immer und wird auch künftig mit der Kompetenzfindung beschäftigt sein. Viele unserer herausragenden Fertigkeiten lernt man nicht in der Schule, sondern außerhalb. Denken sie an die Blasmusik oder an Fußball … auch das politische Geschäft lernt man vor Ort und nicht in der Schule.“

Was die Gemeinde beitragen kann

Aufgabe der Gemeinde wird es sein, Antwort auf die Fragen, wie das Kind beispielweise in die Musikschule kommt zu finden. Besonderes Augenmerk muss aber – so Hengstschläger – darauf liegen, dass Bildung keine Frage des Geldes sein darf. Das Talent sollte zählen! Woher das Geld für das Instrument kommt, wenn sich die Eltern das nicht leisten können, das könnte die Gemeinde ermöglichen, das wäre auch ein Feld für Gemeindekooperationen.

Aber alles zusammen – traditionelle Fertigkeiten und flexible Individualität – kumuliert zu einem zusammengedröselten Seil, an dem wir alle ziehen. Selbst wenn ein kleiner Strang reißt, bleibt der Karren deswegen nicht stecken.

In Österreich fehlt es an einer Fehlerkultur, denn man müsse Scheitern viel mehr als Chance für Neues begreifen. ©Gemeindebund/Jürg Christandl