16.10.2017 – Nach der Nationalratswahl ist fast kein Stein auf dem anderen geblieben. Mit der ÖVP gibt es einen neuen Erstplatzierten und mit dem wahrscheinlichen Ausscheiden der Grünen aus dem Nationalrat gibt es künftig auch weniger Parteien. Das Endergebnis gibt es jedoch erst am Donnerstag.
Die ÖVP/Liste Kurz hat die Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 deutlich gewonnen. Die Volkspartei erreichte laut vorläufigem Endergebnis (ohne Briefwahlstimmen und wahlkreisfremden Wahlkarten) 31,36 Prozent. Die FPÖ kam in der Urnenwahl auf 27,35, die SPÖ auf 26,75 Prozent. Den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde geschafft haben die NEOS (4,96 %), aber auch die Liste Pilz (4,14 %). Die Grünen stehen mit 3,32 Prozent vor dem Nationalrats-Aus.
Briefwähler könnten SPÖ noch Platz zwei bringen
Das Ergebnis vom Sonntag wird (laut Hochrechnungen) durch die noch nicht ausgezählten Wahlkarten (rund 780.000) eine bedeutende Änderung erfahren. Nach den Berechnungen der ARGE Wahlen (für die APA) sowie von SORA (für den ORF) wird die SPÖ voraussichtlich die FPÖ noch von Platz zwei verdrängen. Die Liste Pilz dürfte mit den Briefwahlstimmen ihr knappes Wahl-Ergebnis von 4,1 Prozent noch um einige Zehntelprozentpunkte verbessern. Die Grünen werden trotz prognostiziertem besseren Abschneiden bei den Briefwählern den Einzug aller Voraussicht nach nicht schaffen.
Folgt man der ORF-Hochrechnung, so würde die SPÖ auf 52 Mandate kommen und damit ihre bisherige Mandatszahl im Nationalrat behalten. Die Liste Kurz würde 15 Mandate gewinnen und damit künftig 62 Abgeordnete im Nationalrat haben. Die FPÖ würde elf Abgeordnete dazu gewinnen und damit auf 51 kommen. Die NEOS könnten noch ein Mandat dazugewinnen und hätten damit erstmals zehn Abgeordnete in der Bundeskammer. Die Liste Pilz hätte auf Anhieb acht Vertreter im Nationalrat.
Wahlbeteiligung dürfte deutlich höher als 2013 ausfallen
Die vorläufige Wahlbeteiligung lag laut den Zahlen des Innenministeriums bei 67,6 Prozent, allerdings ohne wahlkreisfremden Wahlkarten und Briefwählern. Die Beteiligung wird mit den Briefwahlstimmen also noch deutlich steigen. Laut ORF-Prognose könnte sie am Ende bei 79,5 Prozent liegen. 2013 lag die Wahlbeteiligung inklusive dieser Stimmen bei 74,91 Prozent.
Den größten Teil der noch offenen Stimmen werten am Montag die Bezirkswahlbehörden aus – nämlich jene, die per Post geschickt wurden. Dies dürften mehr als 700.000 sein. Heuer könnte sich die Auszählung etwas in die Länge ziehen, da sich alle Wahlbehörden nach der Anfechtung der Bundespräsidentenwahl strikt an die gesetzlichen Vorgaben halten werden. Das bedeutet, dass sie z.B. die Briefwahlkuverts erst am Montag ab 9 Uhr aufschlitzen dürfen – und nicht schon am Sonntag oder früher am Montag damit beginnen dürfen.
Am Donnerstag sind die Landesbehörden dran: Sie zählen die Wahlkarten aus, die am Sonntag in „fremden“ Wahlkreisen abgegeben wurden – und zwar nicht klassisch als „Wahlkarte“, sondern heuer erstmals auch als Briefwahl (also ausgefüllt und unterschrieben). Letzteres war bei früheren Wahlen nicht möglich, und so lässt sich noch nicht präzise sagen, wie viele Stimmen am Donnerstag noch anfallen. 889.193 Wahlkarten wurden ausgestellt. Ein Teil von ihnen wurde am Sonntag im eigenen Wahlkreis verwendet und somit bereits mit der Urnenwahl ausgezählt. Etwas mehr als 80 Prozent fallen nach den Erfahrungen der letzten Wahlen für die Auszählungen am Montag und Donnerstag an.
Österreich ist türkis
Auf Ebene der Bundesländer wird das Wahlergebnis noch dramatischer: Als letzte Hochburg der SPÖ dürfte Wien übrigbleiben, denn im Burgenland lag die SPÖ bei den Urnenwählern nur ganz knapp vor der ÖVP. Mit der Briefwahl dürfte sie dort laut den Hochrechnern erstmals seit 1966 hinter die ÖVP fallen – obwohl sich Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil mit einem Vorzugsstimmenwahlkampf intensiv bemüht hat, sein Heimatland rot zu halten. Kärnten hat die SPÖ schon in der Urnenwahl an die FPÖ verloren und Oberösterreich ist türkis.
In Vorarlberg und Salzburg konnte kein einziger Bezirk von einer anderen Partei als der ÖVP erobert werden. In Tirol ist nur Innsbruck rot, der Rest in einheitliches Türkis gefärbt. In Niederösterreich wählten nur drei Bezirke (St. Pölten, Baden und Wiener Neustadt) rot, und Bruck an der Leitha ist der einzig blaue Bezirk. Alle anderen Bezirke haben teils deutliche Mehrheiten für die Liste Kurz gebracht.
Kärnten mehrheitlich blau
In Kärnten ist die Lage umgekehrt. Hier haben alle Bezirke FPÖ-Mehrheit bis auf Hermagor, das türkis ist, und Villach, Klagenfurt und Völkermarkt, wo sich die Mehrheit der Wähler für die SPÖ entschieden hat. In Wien ist im Vergleich zu 2013 kein einziger Bezirk mehr grün. Nur in Hietzing, der Inneren Stadt und Döbling konnte die ÖVP die Mehrheit erringen. Alle anderen Bezirke sind rot. Die Steiermark zeigt sich dreigeteilt. Der Osten und der Westen sind türkis. Die Stadt Graz und die Bezirke Murtal, Leoben und Bruck-Mürzzuschlag sind rot und das Grazer Umland sowie die Bezirke Voitsberg, Deutschlandsberg und Leibnitz wurden blau gefärbt.
Weniger stark ist die Aufteilung in Oberösterreich. Hier wählten die meisten türkis. Überraschend ist, dass die Stadt Wels nach dem blauen Umschwung bei der Gemeinderatswahl diesmal bei der NR-Wahl wieder rot gefärbt wurde. Dafür ist das Umland von Wels der einzig blaue Bezirk in OÖ. Mit SPÖ Mehrheiten ausgestattet sind künftig Linz und Linz-Land, die Stadt Steyr und Gmunden. Ein recht bunter Fleckerlteppich zeigt sich im Burgenland: Der Süden ist blau, türkis Güssing, Oberpullendorf, Eisenstadt und Neusiedl am See und die restlichen Bezirke sind rot.