11.12.2015 – Es passiert in letzter Zeit nicht so oft, dass sich am Ende einer Reform wirklich etwas zum Positiven verändert. Beim Normungsgesetz ist das so. Warum die Gemeinden trotzdem immer noch nicht grenzenlos euphorisch sein können, verrät Gemeindebund-Jurist Bernhard Haubenberger in seinem Kommentar.
Schlanker, leichter zugänglich: Am 9. Dezember hat der Nationalrat mit den Stimmen aller Parteien das neue Normengesetz beschlossen. Dieses schafft einen neuen rechtlichen Rahmen für einen Teil des Normenwesens. Verfolgt werden dabei folgende Ziele:
- Kontrolle des Normungsinstituts mit konkretem Aufsichtsrecht im Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
- Normung nur mehr auf Antrag, Einspruchsrecht gegen Normungsanträge
- Schaffung einer Schlichtungsstelle
- Neuausrichtung der Finanzstruktur des Normenwesens unter gleichzeitiger Entlastung der Anwender
- Einrichtung eines Normungsbeirats als beratendes Gremium
- Erleichterter Zugang zu Normen und zur Mitarbeit im Normungsprozess für KMU
- Schaffung eines kostenlosen Zugangs zu verbindlichen Normen
Mehr Transparenz, besserer Zugang zu Normen
Die Intention des Gesetzgebers ist durchwegs positiv. Der neue Rechtsrahmen, der in Teilen bereits mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten wird, schafft die notwendige Transparenz, verschafft (zumindest) einen teilweisen kostenlosen Zugang und trifft klare Vorgaben und auch Kontrollmechanismen bei der Erarbeitung von Normen. Im Ergebnis wird dies dazu führen, dass die Zunahme neuer und die Überarbeitung bestehender Regelwerke gedämpft und damit auch ein kostentreibender Faktor im Zaum gehalten wird.
Gilt nicht für alle Normen
Was den positiven Gesamteindruck etwas beeinträchtigt ist die Tatsache, dass das Normengesetz nur für jene Normen Anwendung findet, die vom Normungsinstitut, dem heutigen Austrian Standards Institute, herausgegeben (angenommen) werden. Zu bedenken ist, dass es neben den sogenannten ÖNORMEN zahlreiche andere Regelwerke und Richtlinien gibt, die den ÖNORMEN in ihrer rechtlichen aber auch inhaltlichen Bedeutung gleichkommen, so etwa die OVE-Richtlinien des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik, die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS), die von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr herausgegeben werden oder die OIB-Richtlinien, die vom Österreichischen Institut für Bautechnik erarbeitet werden.
Nur verbindliche österreichische Normen wirklich kostenfrei
Getrübt wird die Freude auf einen kostenlosen Zugang zu Normen in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden gemäß § 9 Normengesetz nur jene Normen frei zugänglich sein, die rein österreichische Normen sind (innerstaatlich erarbeitet wurden). Da der Umfang von Normen rein österreichischen Ursprungs weniger als 10 % des österreichischen Normenwerks beträgt, bleiben 90 % aller Normen kostenpflichtig. Zum anderen werden nur jene rein österreichischen Normen kostenfrei sein, die auch für verbindlich erklärt wurden. Da dies außerdem nur für jene Normen gilt, die durch Bundesgesetz oder durch Verordnung eines Organs des Bundes für verbindlich erklärt werden, bleiben im Umkehrschluss all jene Normen, die durch Landesrecht für verbindlich erklärt werden, ebenso kostenpflichtig wie jene die nicht für verbindlich erklärt wurden.
Wie dies mit dem vor einem Jahr ergangenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofs zu vereinbaren ist, wonach für verbindlich erklärte Normen kostenfrei sein müssen, da sie das Schicksal der sie für verbindlich erklärenden Rechtsvorschrift teilen, wird noch zu klären sein. Ebenso zu hinterfragen ist, weswegen nur für verbindlich erklärte Normen kostenfrei sein sollen. Denn im Ergebnis – etwa in straf- oder zivilrechtlichen Verfahren – zählt in erster Linie der Stand der Technik und dieser drückt sich nicht unbedingt durch eine für verbindlich erklärte Norm aus.
Im Großen und Ganzen kann die Gesetzesinitiative als ein erster positiver Schritt gesehen werden, dem aber sehr wohl noch zahlreiche weitere Schritte folgen werden müssen.
Kommentar
Normen begegnen uns von früh bis spät, von jung bis alt, vom Kaffeefilter bis zum Sargnagel. Es gibt nahezu nichts, das nicht genormt ist um nicht zu sagen: „Was nicht genormt ist, gibt es nicht“. So sehr Normen unseren Alltag erleichtern, so schwer tut man (der Normunterworfene) sich damit, sie zu kennen, sie zu finden, sie zu fassen. Dabei haben Normen, gleich ob sie für verbindlich erklärt werden oder nicht, einen ungemein hohen Stellenwert, etwa bei der Eruierung des Stands der Technik. Dieser spielt bei der Frage der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit eine wesentliche, zumeist sogar die entscheidende Rolle. Wie bei Gesetzen gilt auch bei Normen: „Wer sich daran hält, hat nichts zu befürchten“. Wer hingegen gültige Normen ignoriert, muss mit verwaltungsrechtlichen, strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen rechnen.
Gemein ist Gesetzen und Normen auch ihre Fülle und die Vielfalt, die letztlich dazu führt, dass kaum noch jemand in der Lage ist, alle Regulativen im Detail nachzuvollziehen, geschweige denn sie zu vollziehen.
Das waren auch schon die Gemeinsamkeiten, gravierender sind die Unterschiede zwischen Gesetzen und Normen. So sind Gesetze frei zugänglich, Normen mit wenigen Ausnahmen kostenpflichtig. Gesetzgeber werden gewählt, Normenersteller ausgewählt. Gesetze kann man anfechten und prüfen lassen, Normen allenfalls kritisieren. Widersprechende Gesetze sind verfassungswidrig, widersprechende Normen nicht.
Ein Gebot der Stunde ist daher zurecht, dem Normenwesen selbst einen neuen rechtlichen Rahmen zu geben.