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Mutter-Kind-Pass wird digital

Mit dem neuen „eEltern-Kind-Pass-Gesetz“ wird der gelbe Mutter-Kind-Pass in Papierform bald Geschichte sein. Damit endet aber nicht die nunmehr 50-jährige Erfolgsgeschichte dieses Gesundheits- und Entwicklungspasses. Vielmehr wird sie digital fortgesetzt und ausgebaut: Erreichbarkeit der Eltern, Erinnerung anstehender Untersuchungen, Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten sind dann ebenso gewährleistet wie der Schutz vor Verlust, die rasche Verfügbarkeit medizinischer Informationen zum einzelnen Individuum, gesamthafte und valide Daten und damit einhergehend gesundheitspolitische Steuerungsmöglichkeiten.

ABER: Weiterhin Lücke zwischen 5. und 18. Lebensjahr.

Nachdem der Eltern-Kind-Pass weiterhin nur bis zur Vollendung des 62. Lebensmonats gelten soll und damit die bestehende Lücke der Gesundheitsvorsorge in der Zeit zwischen dem vollendeten 5. Lebensjahr und dem vollendeten 18. Lebensjahr bestehen bleibt, sollte der Eltern-Kind-Pass zügig in einem weiteren Schritt – wie an sich im Regierungsprogramm angekündigt – bis zum 14. bzw. 18. Lebensjahr weiterentwickelt werden.

Eine Weiterentwicklung des Eltern-Kind-Passes muss aber unabdingbar mit einer umfassenden Reform des Schulgesundheitswesens einhergehen. Bedauerlicherweise trägt der vorliegende Gesetzesentwurf diesem Umstand gerade nicht Rechnung.

Vielmehr ist in dem Gesetzespaket geplant (siehe § 12 Abs. 1 Z 3 Gesundheitstelematikgesetz), dass die vom Bundesminister zur Verfügung zu stellende „Plattform zur Datenerfassung“ nicht nur für Eltern-Kind-Pass-Untersuchungen, sondern auch für die „Gesundheitsvorsorge der schulbesuchenden Jugend“ gemäß § 66a Schulunterrichtsgesetz (SchUG) Verwendung finden soll. Mit der Hereinnahme schulärztlicher Untersuchungen sollte aber allen klar sein, dass damit das untaugliche Schularztsystem „einzementiert“ wird.

Zwar sind die Gemeinden als Schulerhalter für diese Untersuchungen gar nicht zuständig (Gemeinden sind nur für die „jährliche“ schulärztliche Untersuchung nach § 66 Abs. 2 SchUG zuständig). Es ist aber davon auszugehen, dass die „periodischen“ schulärztlichen Untersuchungen nach § 66a Abs. 1 Z 3 SchUG (wohl) ebenso vom Schularzt durchgeführt werden, der die Daten digital einzupflegen haben wird. Allein infolge des Kompetenzwirrwarrs in diesem Bereich ist ein organisatorisch-administratives Chaos vorprogrammiert.

Der Österreichische Gemeindebund hat schon im Jahr 2018 die Sinnhaftigkeit der damals neu aufgenommenen Bestimmung des § 66a Abs. 1 Z 3 SchUG hinterfragt und kritisiert, dass mit der neuen Bestimmung anstatt einer notwendigen Reform des Schulgesundheitswesens eine Doppelgleisigkeit geschaffen wird. Im Übrigen ist nach wie vor gar nicht klar, worin sich diese beiden Untersuchungen unterscheiden. Das ist insofern problematisch, als schon die derzeit (nicht flächendeckend!) stattfindenden jährlichen Untersuchungen weder für das Individuum selbst noch für die Volksgesundheit insgesamt einen Mehrwert bieten.

Diese Schlussfolgerungen lassen sich zweifelsfrei aus dem Ergebnisbericht der Evaluierung der Schulgesundheit (Spending Review „Schulgesundheit“) und auch aus einer Studie der Donauuniversität Krems („Das österreichischen Schulgesundheitssystem: Eine Ist-Stand-Erhebung“) ableiten (abrufbar unter:

https://www.bmf.gv.at/themen/budget/finanzbeziehungen-laender-gemeinden/spending-reviews-studien-finanzausgleich.html bzw. https://door.donau-uni.ac.at/view/o:2555).

Hinzukommt, dass es einen massiven Schulärztemangel gibt und vielfach keine Ärzte gefunden werden, die sich für derartige Untersuchungen Zeit nehmen können und wollen, die sich darin erschöpfen, Eltern Mitteilung über Dinge zu machen, die sie entweder ohnehin selbst wissen oder aber besser beim vertrauten Hausarzt erfragen könn(t)en.

Das Vorhaben im Gesundheitstelematikgesetz, zukünftig personenbezogene Daten bei der „Gesundheitsvorsorge für die schulbesuchende Jugend“ im Wege der neu geschaffenen Plattform zu erfassen, steht zudem eklatant im Widerspruch zur eigentlich im Regierungsprogramm vorgesehenen Erweiterung des Eltern-Kind-Passes bis zum 18. Lebensjahr.

Tatsache ist, dass es zurzeit weder eine effiziente Schulgesundheit noch eine funktionierende Kinder- und Jugendgesundheitsvorsorge nach dem vollendeten 5. Lebensjahr gibt. Das bisherige Schularztsystem versucht zwar beide Bereiche abzudecken, tatsächlich ist es aber veraltet und völlig unbrauchbar.

Der Österreichische Gemeindebund hat schon vor einigen Jahren seine Vorschläge präsentiert (siehe etwa Kommunal 12/2019 oder: https://kommunal.at/bei-der-schuelergesundheit-sind-sach-und-hausverstand-gefragt).

  • So sollte der in der Verantwortung der Eltern und deren Vertrauensärzte liegende Eltern-Kind-Pass bis zum 18. Lebensjahr erweitert werden.
  • Periodische Vorsorgeuntersuchungen, die alle Angelegenheiten, die für die Kinder- und Jugendgesundheit erforderlich sind, würden beim vertrauten Hausarzt oder Kinderarzt stattfinden (und nicht in einem „Schularztkammerl“).
  • Bundesweite Vorgaben würden standardisierte Untersuchungen sicherstellen. Ein bundesweites Erfassungsprogramm (sinnvollerweise ELGA) würde Gewähr bieten, dass epidemiologisch relevante Daten tatsächlich erhoben, bundesweit standardisiert, einheitlich dokumentiert und statistisch (anonymisiert!) ausgewertet werden können.
  • Wie bisher würde es Aufgabe der Schule sein, die von den Eltern an die Schule im Rahmen der Fürsorge- und Obsorgepflicht zu gebenden Informationen über Krankheiten und Defizite des Kindes in der Organisation und Unterrichtsarbeit zu berücksichtigen.
  • Auf Grundlage von anonymen (!) Auswertungen der Daten des Eltern-Kind-Passes könnten gezielt bundesweite, aber auch spezifisch angepasste regionale Initiativen und Schwerpunkte (auch an Schulen) gesetzt und Aufklärungs- und Informationskampagnen sowie Präventionsprogramme durchgeführt werden.
  • Um dem tatsächlichen und speziellen Bedarf an den Schulen Rechnung zu tragen, wäre die Möglichkeit des Einsatzes interdisziplinärer Teams unter der Leitung und Koordinierung der Bildungsdirektion (die für alle Schulen eines Bundeslandes zuständig ist) zu prüfen. Diesen Teams, die aus Schulpsychologen, Sozialarbeitern, Therapeuten, Pflegepersonal aber auch aus Ärzten bestehen können, käme die Aufgabe zu, bedarfsorientiert für einzelne Schulstandorte beratend und unterstützend zur Seite zu stehen.

bernhard haubenberger rund

 

Über den Autor: Bernhard Haubenberger ist Fachreferent in der Abteilung Recht und Internationales des Österreichischen Gemeindebundes.

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