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“Meine Motivation ist, Wenigzell weiterzuentwickeln”

20.4.2017 – In Wenigzell wurde etwas umgesetzt, das sich viele andere Bürgermeister für ihre Gemeinde wünschen würden: Es konnte ein Betrieb für hochqualifizierte Arbeitskräfte angesiedelt werden. Im Interview verrät Bürgermeister Herbert Berger, wie das geschafft werden konnte.

Herbert Berger ist seit ungefähr zwei Jahren Bürgermeister der oststeirischen 1.400-Einwohner-Gemeinde Wenigzell. Die Gemeindestrukturreform hat die Gemeinde nicht betroffen, die Bezirksreform schon, denn die Gemeinde liegt nun im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. Im Interview spricht er über Abwanderung, Leerstand und wie man innovative Projekte in die Gemeinde locken kann.

Herr Bürgermeister, Sie sind ja noch nicht so lange Chef von Wenigzell. Wie war die Ausgangslage?

Herbert Berger: Wenigzell stand und steht sehr gut da. Leider war die Gemeinde recht gespalten, da nicht mehr alle Wenigzeller hinter meinem Vorgänger standen. Es wurde ihm aber auch viel angelastet, wofür er nichts konnte. So beispielsweise, dass die Hauptschule zugesperrt wurde, oder dass Flüchtlinge in die Gemeinde kamen. Das hat dazu geführt, dass sich vor der letzten Wahl eine Liste gebildet hat, die auf Anhieb mit sieben Mandaten in den Gemeinderat kam.

Was hat Sie motiviert, trotz der Schwierigkeiten das Amt zu übernehmen?

Ich wollte Wenigzell weiterentwickeln, die Bevölkerung wieder einen, damit wir alle an einem Strang ziehen. Inhaltlich wollte ich Maßnahmen gegen die Abwanderung setzen, den Tourismus stärken und die Infrastruktur aufrechterhalten. Mit der Bürgerliste habe ich heute eine gute Kooperation. Das ist mir wichtig.

©Johann Zugschwert

Obwohl die Ankunft der Flüchtlinge am Anfang nicht von allen begrüßt wurde, werden diese nun in der Gemeinde gut integriert.

Wenigzell hatte bis vor wenigen Jahren Abwanderung und jetzt wieder ein leichtes Bevölkerungsplus. Wie konnte die Wende geschafft werden? 

Wir haben relativ wenig Wohnungsangebot. Um auch die Jugend weiter im Ort zu halten, müssen wir aber noch weitere Projekte umsetzen. Junge Pflänzchen müssen ja Wurzeln schlagen können. Dazu zählt auch, dass wir ab Herbst eine Nachmittagsbetreuung anbieten werden. Bis dato war hier aber der Bedarf noch nicht gegeben.

Einen Teil – und so ehrlich muss man sein – haben auch die Flüchtlinge, die wir in der Gemeinde aufgenommen haben – dazu beigetragen, dass wir nun wieder mehr Einwohner haben. Das darf man meinem Vorgänger nicht anlasten, denn die Gemeinde erfuhr als letztes von den Plänen eines Hausbesitzers. Heute haben wir 22 bis 23 Flüchtlinge in der Gemeinde und es funktioniert wunderbar. Es hat sich ein großes Netz an Ehrenamtlichen gebildet, die von Deutschkursen über Kleidung bis hin zum Skifahren oder Fahrten zum Christkindlmarkt nach Hartberg oder Graz alles organisieren. Die Flüchtlinge werden auch gemeinnützig beispielsweise beim Kindergartenumbau, beim Straßenkehren oder den Müllsammelaktionen im Frühling beschäftigt. Wichtig ist, dass man von Beginn an eindeutige Regeln dafür ausgibt. Beim Kindergartenumbau war es dann aber auch selbstverständlich, dass sie bei der Gleichenfeier dabei waren. Damit hat auch keiner mehr eine Scheu vor den Flüchtlingen, da sie vom ersten Tag an intensiv betreut und eingebunden wurden. Das hat so gut funktioniert, dass einige wenige auch nach ihrem Aufenthaltstitel noch in der Gemeinde geblieben sind.

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©Harald Klemm
Das Naturstofflabor soll Wenigzell neue wirtschaftliche Chancen eröffnen. Der Standort wurde bewusst am Land gewählt.

Sie waren in den letzten Wochen mit dem Naturstoff-Labor in den Medien. Dadurch konnten zehn Arbeitsplätze für hochausgebildete Menschen in die Gemeinde gebracht werden. Wie haben Sie das geschafft?

Mir ist es wichtig, dass unsere Bürger auch in der eigenen Gemeinde Arbeitsplätze finden können. Wir haben sehr wenig Industrie in der Region, daher gibt es auch wenige Arbeitsplätze für Hochqualifizierte. Um trotzdem attraktiv für Unternehmer zu sein, bemühen wir uns schon ganz besonders. Die leerstehenden Gebäude in der Gemeinde stellen wir den Jungunternehmern zum Beispiel kostenlos oder sehr günstig zur Verfügung. Dieses Angebot nahm Günther Holzer, der bereits ein Ingenieurbüro hat, an und baute die Räume in der alten Volksschule um 300.000 Euro zu einem hochtechnologisierten Naturstofflabor um. Hier werden künftig regionale Pflanzen wie Sanddorn, Holunder, Heidelbeeren und regionale Kräuter nach ihren Superfood-Eigenschaften untersucht. Dadurch können neue Inhaltsstoffe für die Industrie oder für Kosmetik gefunden werden. Das nützt nicht nur diesem Betrieb, sondern auch vielen landwirtschaftlichen Betrieben in der Region.

Zusätzlich hat sich eine Impulsplattform gebildet. Eine Idee ist beispielsweise eine gemeinsame Telefonstelle für alle Betriebe. Viele sind zu klein, um sich eine eigene Sekretärin leisten zu können, daher wäre die Idee, dass alle Anrufe bei einer gemeinsamen Telefonstelle gesammelt werden, durchaus sinnvoll und würde den betrieblichen Alltag erleichtern.

Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial für Wenigzell?

Wir hatten Ende der 70er Jahre 100.000 Nächtigungen – vor allem kamen viele Sommerfrischler aus Wien in unsere Gemeinde. Heute sind es nur mehr 25.000 bis 26.000 Nächtigungen. Wir wollen aber wieder mehr Gäste anlocken. Immerhin haben wir einen eigenen Skilift, der optimal für Anfänger geeignet und in die Skiregion Joglland eingebettet ist, ein schönes Hallenbad und einen einzigartigen großen Barfußpark mit 30 Stationen. Wir sind auch regional sehr gut im Tourismusverein Joglland vernetzt. Lokal werden durch den Tourismusverein die Spazierwege oder auch die Beschilderungen in Schuss gehalten. Wenigzell soll weiterhin eine lebenswerte Gemeinde bleiben, die nicht nur für die Einheimischen ein besonderes Fleckerl ist, sondern auch für Gäste wieder zur attraktiven Destination werden soll.

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©Bergmann
Mit dem Barfußpark wurden in der kleinen Joglland-Gemeinde die ersten Impulse für mehr Tourismus gesetzt.
Wenigzell: Die 1.400 Einwohner haben seit April 2015 Herbert Berger als Bürgermeister. ©Silke Almer