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Kooperation als Zukunftshoffnung für ländlichen Raum

23.7.2015 – Obwohl in den letzten Regierungsprogrammen immer das Bekenntnis zum ländlichen Raum festgeschrieben wurde, hat sich die Situation in vielen Gemeinden im ländlichen Raum immer weiter verschlechtert. Mit den Eröffnungsvorträgen der Kommunalen Sommergespräche von Harry Brunnet, Vizepräsident des Badem-Württembergsichen Gemeindetags, und der Europaabgeordneten Elisabeth Köstinger, bekamen die anwesenden Bürgermeister und Gemeindemandatare einige neue Blickwinkel und Impulse.

Europaweit ähnliche Probleme zu beobachten

Die größten Herausforderungen in der Zukunft ländlicher Räume sieht Köstinger, die auch in ihrer Funktion als Präsidentin des Ökosozialen Forums anwesend war, in der Bewältung der demografischen Entwicklung, der Eindämmung des Flächenverbrauchs und der Abwanderung. „Diese Probleme sind aber nicht nur in Österreich zu beobachten, sondern in vielen ländlichen Regionen Europas“, betont sie. Aber sie kennt auch die Lösungsansätze aus anderen europäischen Staaten: So reagierte Schottland auf die mehr als ein Drittel über-65-Jährigen, mit gesteigertem freiwilligem Engagement. „Dort arbeiten Pensionisten in höchstem Maße ehrenamtlich und das in großer Anzahl in der Kinderbetreuung. Dadurch wurde den Müttern die Erwerbsarbeit erleichtert. In weiterer Konsequenz wurden wieder mehr Kinder geboren“, so Köstinger.

Auch im eher zentralistisch regierten Rest der Insel wird offensichtlich die Bedeutung der lokalen Ebene schön langsam erkannt. Unter dem aktuellen Ministerpräsidenten David Cameron bekamen die Kommunen wieder mehr Rechte und haben auch mehr Mitspracherecht. Dass Frauen der Schlüssel zu weniger Abwanderung sind, zeigt sich auch in spanischen Regionen, wo es durch die Abwanderung der Frauen ganze Landstriche mit einem überdurchschnittlich hohen Männeranteil gibt.

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©event-fotograf/Gemeindebund
Elisabeth Köstinger setzt sich als Präsidentin des Ökosozialen Forums für eine soziale Marktwirtschaft ein. Die Gemeinden sind für sie der Motor bei der Umsetzung.

Brunnet: Kooperationen sind der Schlüssel zur Lösung der Probleme

In einem von den Bürgermeistern viel beachteten Vortrag, zeigte Harry Brunnet, selbst Bürgermeister der Gemeinde Hardthausen, wie man in seinem Bundesland mit den bekannten Herausforderungen der ländlichen Räume umgeht. In Baden-Württemberg gibt es mehr als 160.000 Unternehmen im ländlichen Raum, die gut eine Million sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigen. Das sind immerhin 28 Prozent aller Beschäftigten im Bundesland.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat das magische Dreieck: Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus geprägt. „Die ländlichen Räume sollen aus meiner Sicht aber mehr als der idyllische Erholungsraum für gestresste Städter sein“, sinniert Brunnet. Er würde dieses Dreieck in ein Viereck umwandeln und noch die Komponente mittelständische Wirtschaft hinzufügen. Diese ist aus seiner Sicht eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung auch ländlicher Gemeinden.

Dass dies in seinem Bundesland gelungen ist, beweist er in der Folge eindrucksvoll: Hugo Boss hat seine Zentrale immer noch in Metzingen am Rande der Schwäbischen Alp oder der Würth-Konzern, vom Schraubenhändler zum Montage- und Befestigungsprof,i mit Sitz in Hohenlohe, im Nordosten Baden-Württembergs, ebenso wie die Firma ebm-Pabst, ein Weltmarktführer für die Herstellung von Ventilatoren. Der Schlüssel zu diesen erfolgreichen Standorten liegt nicht nur in der Infrastruktur, sondern auch in der Kooperation, ist sich Brunnet sicher: „Gemeinden müssen für den Bürger sichtbar bleiben. Sie sind das Frontoffice und im Backoffice werden Effizienzen genutzt durch den interkommunalen Zusammenschluss. Das ist kein Selbstzweck, sondern Notwendigkeit.“

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©event-fotograf/Gemeindebund
Mit seiner zentralen Aussage, dass die Kommunen bei den anstehenden Herausforderungen selbst die Aktiven sein sollen, erntete Harry Brunnet sehr viel Zustimmung unter den anwesenden Bürgermeister/innen.

Gemeinden müssen selbst aktiv werden

Mit dieser Vorgehensweise wird auch vermieden, dass zu viele Shoppingscenter in einem zu engen Radius entstehen. „Wir Gemeinden haben für uns einen Entwicklungsplan verhandelt. An diesen halten wir uns nun. Daher kann es nicht passieren, dass es einen Wildwuchs an Einkaufstempeln gibt, denn diese Projekte müssen unter den Gemeinden abgestimmt werden“, erklärt der Vizepräsident.

Laut Brunnet müssen die Gemeinden das Heft wieder selbst in die Hand nehmen: „Bei einigen wichtigen Punkten waren wir aber längst selbst aktiv und haben notwendige Veränderungen erfolgreich angestoßen.“ Dazu gehören etwa Initiativen im Bereich der Schulverwaltung, wo eine regionale Schulkonferenz über den Ausbau oder die Schließung einer Schule entscheidet, im Bereich der Ärzteversorgung, wo durch eine freiwillige Vereinbarung mit der kassenärztlichen Vereinigung ein erster Schritt getan wurde, um Ärzte wieder in jede Gemeinde zu holen, und letztlich natürlich auch im Bereich des Breitbandausbaus, wo der Gemeindeverband wichtige Gelder vom Finanzministerium erkämpft hat.

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Über 250 Teilnehmer werden bei den Kommunalen Sommergesprächen über die Entwicklung des ländlichen Raums Gedanken und Erfahrungen austauschen, und sie neue Inputs holen.
Anschließend an die Eröffnungsvorträge gab es eine rege Diskussion darüber, ob man den Bürgermeistern bei der Räumordnung Kompetenzen lassen soll. ©event-fotograf/Gemeindebund