22.7.2015 – Es gibt trotz jahrelanger Verhandlungen immer noch sehr viele unklare Punkte beim neuen Haushaltsrecht für Länder und Gemeinden (VRV). Christian Schleritzko, Konsulent des Österreichischen Gemeindebundes, und Dr. Helga Kraus vom Rechnungshof, gaben bei dem Netzwerk Bildung-Treffen, das im Vorfeld der Kommunalen Sommergespräche stattfand, ein Update zum aktuellen Stand der Verhandlungen.
Ebnet die Doppik den Weg zum Schuldenmachen?
Das einzig Fixe scheint derzeit zu sein, dass auf Gemeindeebene nur jene Gemeinden mit über 10.000 Einwohnern auf die Doppik umsteigen sollen. Die restlichen Gemeinden sollen auf ein Übergangsmodell umgestellt werden. Damit sollen alle Gemeinden die von der Europäischen Union geforderten Daten (Vermögens- und Ergebnisrechnung) liefern – aber auf unterschiedlichen Wegen.
„Es geht darum, die Übersichtlichkeit des derzeitigen Systems zu wahren. Damit konnten die verantwortlichen Mandatare sehr gut umgehen“, erklärt Christian Schleritzko, der wesentlich in die Verhandlungen eingebunden ist. Wichtig ist, dass Voranschlag und Rechnungsabschluss in der bewährten Form erhalten bleiben. Aus Sicht der Gemeinden liefern diese Instrumente schon heute alle relevanten Daten für die Meldungen nach Brüssel.
Paradigmenwechsel steht bevor
In der VRV neu wird es keine Darstellung von ordentlichem und außerordentlichem Haushalt mehr geben. Auch der Schuldendienst muss nicht mehr mit ordentliche Einnahmen bedeckt werden. Für die Gemeinden stellt dies einen Paradigmenwechsel dar, wie Schleritzko erläutert: „Bisher musste der Schuldendienst laufend erwirtschaftet werden. Deshalb haben die Gemeinden seit den Krisenjahren ihre Ausgaben zurückgefahren, um trotz gesunkener Einnahmen ordentlich wirtschaften zu können.
Durch die neue VRV können die Gemeinden Darlehen für die Schuldenabdeckung aufnehmen. Die Erfahrung auf Bundesebene zeigt eindeutig, dass dies zum Steigen der Schulden beiträgt, denn als der Bund im Jahr 1973 den ordentlichen Haushalt abgeschalfft hat und Darlehen zur Haushaltsabdeckung zugelassen hat, stiegen die Schulden sprunghaft an.
Was wird wo festgeschrieben?
Eine Einigung scheint derzeit nicht in Reichweite, wie auch das Referat von Helga Kraus vom Rechnungshof zeigt. „2013 hatten wir eigentlich eine fertig ausverhandelte Lösung und nun streiten wir, was in der Verordnung und was durch 15a-Vereinbarungen mit den Ländern festgeschrieben wird. Aus Sicht des Rechnungshofs sollte möglichst viel in der Verordnung einheitlich für alle Gebietskörperschaften Österreichs festgeschrieben werden.“ Die Sinnhaftigkeit des Überleitungsmodells für kleinere Gemeinden zieht Kraus in Zweifel.
Kosten der Umstellung noch offen
Gerade der in das Begutachtungsverfahren geschickte Gesetzesentwurf zeige, dass sich der Bund über die Auswirkungen und Umstellungskosten auf/für die Gemeinden nicht bewusst ist, kritisiert Schleritzko.
Worauf sollten die Länder achten?
- Gemeinsame Umsetzung der Art. 15a-B-VG-Vereinbarung
- Koordinierte Abstimmung für Gemeinden über 10.000 Einwohnern in bezug auf Darlehensuafnahmen und Darlehensrückzahlungen
- Zeitgerechte Änderung der materiellen Rechte (Gemeindeordnungen etc.)
- Gemeinsames Inkrafttreten (erst nach vollständig erfolgten Schulungen)
- Koordinierte Schulungsmaßnahmen für die Bediensteten in den Gemeinden
- Gemeinsames Schulungsmaterial (erst dann Beginn der ersten Schulungen)
- Kooperation mit den Softwareanbietern (diese haben die neuen Vorgaben zu erfüllen und nicht die Programme regeln die Vorgaben)
Schleritzko warnt: „Erfolgt keine Koordination, ist dies Futter und leichtverdienstes Geld für alle Berater/innen, die schon jetzt auf das „Inseldenken der Länder“ und das ab und zu erfolgte unkoordinierte Vorgehen der Länder warten!“