Romana Leitner ist 21 Jahre alt, hat die Matura und absolviert – anders als viele ihrer ehemaligen Schulkolleginnen und Kollegen – nun eine Lehre. Die Ausbildung zur Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistentin macht sie bei der Stadt Innsbruck. Warum sie sich dafür entschieden hat und was ihr daran gefällt, erzählt sie im Interview:
„Der Job ist extrem vielseitig mit sehr vielen verschiedenen Aufgabenbereichen“, schwärmt Romana. Auch im Team fühlt sie sich sehr wohl. Zur Stadtbibliothek ist Romana durch einen Ferialjob gekommen. Der habe ihr so gut gefallen, dass sie sich direkt entschieden hat, dort zu bleiben und eine Ausbildung zur Bibliothekarin zu machen, als gerade eine Lehrstelle freiwurde. Weil sie bereits die Matura hat, hat Romana eine verkürzte Lehrzeit – sie kann schon nach zwei Jahren die Lehrabschlussprüfung machen.
Stadt punktet mit sinnstiftender Tätigkeit
Aber ist es für junge Menschen überhaupt attraktiv, bei einer Stadt zu arbeiten, statt in einem hippen Start-Up? Ja, wenn es nach Romana geht: „Es ist so spannend zu sehen, wie viele verschiedene Leute für die Stadt arbeiten und wie all diese Abteilungen zusammenhängen. Sie alle erfüllen wichtige Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger.“ Das einzige, was ihr anfangs schwergefallen ist, war die Magistratsordnung zu lernen – bei einer Stadt wie Innsbruck mit rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das kein Wunder.
Sabine Floßmann ist Lehrlingsbeauftragte der Stadt. Sie ist – wie sie selbst sagt – „die Verbindungsstelle zwischen den Lehrlingen, Ausbildern, Eltern und Abteilungen“. Die Stadt Innsbruck beschäftigt aktuell 14 Lehrlinge – normalerweise sind es zwischen 15 und 25. Insgesamt bildet die Stadt ganze zwölf Lehrberufe aus: von der Bürokaufkraft über das Finanz- und Rechnungswesen und IT-Systemadministration bis hin zu Landschaftsgärtnerei und Vermessungstechnik. Das besondere an der Stadt: „Bei uns hat jeder Lehrling eine eigenen Ausbildner bzw. Ausbildnerin und eine eigene Ausbildungsmappe. Wir achten sehr darauf, die Lehrlinge je nach individuellen Fähigkeiten zu fördern. Bei uns geht jeder seinen eigenen Weg und wir unterstützen sie dabei!“ Nicht ohne Grund ist die Stadt Innsbruck „Ausgezeichneter Tiroler Lehrbetrieb“.
Neben den fachspezifischen Weiterbildungen kommen die Lehrlinge in den Genuss von zusätzlichen Seminaren zu Persönlichkeitsentwicklung, Gesprächsführung und Resilienz. Floßmann ist es ein großes Anliegen, dass sich die Lehrlinge auch gegenseitig vernetzen. Bei einem so großen Verwaltungsapparat und eine Vielzahl an verschiedenen Dienststellen läuft man sich schließlich nicht unbedingt über den Weg. Daher werden regelmäßig auch Austauschtreffen speziell für die Lehrlinge organisiert. Zuletzt hat der Bürgermeister den Lehrlingen etwa Karten für einen gemeinsamen Theaterbesuch gesponsert.
Gemeinde-Lehre gegen Arbeitskräftemangel
Aber hat die Lehre in der Gemeinde wirklich das Potenzial, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten? „Die Lehre gewinnt gerade allgemein wieder mehr an Wert“, meint Floßmann. Sie betont: „Unsere Lehrlinge sind nach der Lehrzeit vollständig ausgebildete Fachkräfte. Die Fachkräfte, die wir in den Städten und Gemeinden nicht mehr finden, weil wir vielleicht kein so attraktives Gehalt wie der Privatsektor zahlen können, müssen wir also selbst ausbilden und sie danach im Betrieb halten.“
Innsbruck ist dabei recht erfolgreich: Etwa 90 Prozent der Lehrlinge in der Verwaltung bleiben nach der Ausbildung im Betrieb. Und auch in anderen Bereichen zeigt sich, dass die Stadt durchaus ein attraktiver Arbeitgeber ist. „Wir sehen, dass die Ausgebildeten in den technischen Berufen nach der Lehre oft weggehen, später aber häufig wieder zurückkehren“, erzählt die Lehrlingsbeauftragte. „Bis jetzt hat auch jeder bei uns ausgebildete Lehrling, der wollte, eine Stelle bei der Stadt bekommen.
Sinn geht über Gehalt
Der öffentliche Dienst kann also doch noch ein paar Goodies bieten – einen sicheren Arbeitsplatz und die sinnstiftende Tätigkeit für die Bürgerinnen und Bürger. „Viele junge Leute suchen bei der Jobwahl in erster Linie das Sinnstiftende, erst danach kommt das Gehalt“, ist sich Floßmann sicher. Das bestätigen auch zahlreiche Umfragen unter der Gen Z.
Natürlich ist die Ausbildung von Lehrlingen mit Aufwand verbunden. Wer Lehrlinge ausbilden möchte, muss eine eigene Ausbildung machen. Man bekommt als Ausbildner eine kleine Mehrleistungsvergütung. „Die Aufgabe ist nicht immer eitle Wonne“, gibt Floßmann zu. Doch: „Es kann auch unglaublich schön sein, wenn man die Entwicklung der Lehrlinge miterlebt, ihnen den Wind unter den Flügeln verleihen und die Freude am eigenen Beruf mitgeben kann.“
Ausbildungsverbünde zwischen Gemeinden denkbar?
Viele Gemeinden suchen händeringend nach fachlich ausgebildeten Mitarbeitern. Die Lehre in der Gemeinde wäre ein sinnvolles Modell, um dem entgegenzuwirken. Leider ist sie aber in der Praxis nur wenig verbreitet. Für kleinere Gemeinden ist sie auch mit großem Aufwand verbunden. Sabine Floßmann könnte sich vorstellen, dass mehrere kleinere Gemeinden davon profitieren würden, in Ausbildungsverbünden Lehrlinge auszubilden und sich dadurch den Aufwand zu teilen. Die Stadt Innsbruck zeigt jedenfalls mit Vorbildwirkung vor, welche Vorteile die Lehre in der Gemeinde hat.