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IMPULS: Politik mit Verantwortung – Mut zu Entscheidungen

Sigmar GABRIEL
Vorsitzender „Atlantik-Brücke e. V.“,
Bundesaußenminister a. D. Deutschland

Der ehemalige deutsche Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel trat als Eröffnungsredner bei den diesjährigen Kommunalen Sommergesprächen auf. In seinem Impuls erläuterte er seine Sicht der Dinge zur Welt zwischen Solidarität und Resilienz. Die großen Menschheitsherausforderungen unserer Zeit sorgen aktuell für das Gegenteil von Solidarität. Überall nimmt der Nationalismus zu. Gabriel brachte ein Beispiel: Während der Finanzkrise 2008 gab es zügig ein Treffen der G8-Staaten. Zu Beginn der Corona-Pandemie hab es kein Treffen, aber um den Namen des neuen Virus gab es große Debatten.

Mit dem Blick auf die Erweiterung der BRICS-Staaten sieht Gabriel paradoxe Entwicklungen: „Themen in denen wir zusammenarbeiten müssten, nehmen zu, aber die Fähigkeit zusammenzuarbeiten nimmt ab.“ Die Nachkriegsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg (UNO, Weltbank, WTO, EU usw.) entspringt der amerikanischen Idee, dass die Welt auf Basis von Verträgen zusammenarbeiten soll und nicht auf Basis kriegerischer Konflikte. China, Indien, Afrika und Lateinamerika saßen aber bei Neuordnung der Welt nicht am Tisch. Jetzt wollen sie mitreden.

Man dürfe auch nicht vergessen: Die Globalisierung hat in China 800 Millionen Menschen aus bitterster Armut geholt. Der so genannte „Washingtoner Consensus“, die Regel, dass sich die Politik soweit wie möglich aus internationalen Handelsbeziehungen heraushalten soll, hat bisher gut funktioniert. Aber vor wenigen Wochen hat der Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jake Sullivan den Washingtoner Consensus für beendet erklärt. In Zukunft steht Außenpolitik im Interesse der amerikanischen Mittelklasse. Donald Trump sagte „America first“ – jetzt kommt „Americans first“.

Die Unsicherheit von Lieferketten bringt Volkswirtschaften in Schwierigkeiten. Allein 50 Prozent des Wohlstands Deutschlands wurzelt im Export. Im Jahr 2002 hat die EU einstimmig die Liberalisierung der Energiemärkte beschlossen. Seitdem hielt sich der Staat raus aus der Energiewirtschaft und die Mechanismen des Marktes regelten die Energiepreise.

In den BRICS-Staaten oder in der Shanghai-Gruppe sind Länder vertreten, die auch viele Konflikte untereinander haben. Was sie alle eint ist die Sorge über die Vorherrschaft des Westens in der Welt. Das Navigieren in der Weltwirtschaft wird unterdessen schwieriger. Große deutsche Unternehmen planen Headquarter in Asien, USA und Europa um Märkte zu sichern. Der Atlantik ist nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indopazifik. Dadurch erklärt sich auch die Hinwendung der USA auf diesen Raum. Russland und der Krieg in der Ukraine sind hier nur störend.

Der europäische Binnenmarkt ist für die Welt interessant. „Wir müssen daher pragmatischer werden mit dem Umgang der Welt. Wir müssen mit vielen Partnern klar kommen, auch mit China“, so Gabriel. Wesentliche außenpolitische Strategie müssen die „3 C“ sein, nämlich „Cooperation“, „Competition“ und „Confrontation“. Zum Abschluss gab Gabriel noch einen Tipp mit auf den Weg: „Wir sollten nicht ausschließlich normativ in die Welt gehen und den Ländern sagen, was sie zu tun haben, wenn wir zusammen überleben wollen.“

©Erich Marschik/Gemeindebund