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Griechische Gemeinden wollen von Österreich lernen

„Wenn man die Vielfalt und die Menge der Probleme in Griechenland betrachtet, dann weiß man erst, wie gut es uns in Österreich geht“, resümierte Gemeindebund-Präsident Mödlhammer die Reise. Doch der Reihe nach. Rund 11,5 Millionen Einwohner hat Griechenland. Bis 1997 gab es eine kommunale Struktur mit mehr als 6.000 Gemeinden. Mit einem ersten Reformschritt wurde auf rund 1.000 Kommunen reduziert, heute gibt es nur noch 325 Gemeinden, die im Durchschnitt 33.000 Einwohner haben. Die Probleme haben sich dadurch aber kaum reduziert, wie die österreichischen Gemeindevertreter bei ihrem Besuch feststellten.

Daseinsvorsorge funktioniert vielfach nicht

„Die Zustände hier sind zum Teil wirklich katastrophal“, berichtet Mödlhammer. „Von funktionierender Müllabfuhr, kommunalen Wasser- oder Abwassersystemen oder auch Gebühreneinhebungsssystemen kann hier teilweise keine Rede sein. Hier müsste man oft wirklich bei Null anfangen, um die Dinge einigermaßen sinnvoll aufzusetzen.“

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©Gemeindebund
Der griechische Gemeindebund-Chef Kostas Askounis beim Gedankenaustausch mit den heimischen Gemeindevertretern.

„Umwidmung dauert zehn Jahre“

Bei einem Treffen mit Kostas Askounis, dem Chef des griechischen Gemeindebundes (KEDE) und Bürgermeister von Kallithea hatten die heimischen Bürgermeister Gelegenheit, sich über die griechischen Probleme aus erster Hand zu informieren. „De facto sind die Gemeinden in Griechenland nur ausführende Organe der Zentralregierung in Athen“, klagte Askounis. „Unsere Spielräume sind nicht nur finanziell, sondern auch gesetzlich sehr, sehr eng. Viele kleine Dinge des Alltags bedürfen in Griechenland der Unterschrift von bis zu drei Ministern. Eine Umwidmung dauert daher im Durchschnitt so um die neun bis zehn Jahre“, erzählt der griechische Bürgermeister.

Abhängig von Zahlungen aus Athen

Formell haben die griechischen Gemeinden ähnliche Kompetenzen, wie die österreichischen Kommunen. Wasser, Abwasser und Müll sind ebenso in kommunaler Zuständigkeit wie Kindergärten, Pflege, Schulbauten oder soziale Aufgaben. „Der Unterschied ist aber, dass wir kaum über eigene Einnahmen verfügen, wir sind abhängig von den Zahlungen aus Athen und die sind in den letzten Jahren aufgrund der Krise natürlich drastisch gesunken.“

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Die heimische Bürgermeisterdelegation fand auch Zeit, um die Akropolis zu besuchen.

Taskforce der EU hilft bei Aufbauarbeit

Johannes Luchner, Chef der EU-Task-Force in Griechenland weiß genau, wovon Askounis spricht. Der gebürtige Tiroler hilft mit seinem Team im Auftrag der EU den Griechen bei Pilotprojekten für Verwaltungsreform oder den technischen Aufbau der Infrastruktur. „Wir arbeiten derzeit mit fünf Modellgemeinden sehr unterschiedlicher Größe zusammen“, erzählt Luchner. „Da ist eine Großstadt dabei, genauso wie ein Bergdorf oder eine Inselgemeinde. Die Probleme sind aber überall ähnlich. Nicht existente oder nicht funktionierende Verwaltungsabläufe, Korruption wohin man schaut und die fehlende Einsicht der Griechen zur Notwendigkeit von Steuern. Die  Menschen hier sind über Jahrzehnte gewohnt, dass sie vom Staat ohnehin nichts zu erwarten habe, daher sehen sie den Steuerbetrug auch nicht als Fehler, sondern als logische Konsequenz für das Nicht-Funktionieren staatlicher Strukturen“, so Luchner. Mit einem Budget von rund 15 Mio. Euro pro Jahr leistet der Task-Force-Chef Pionierarbeit.

„Man darf gar nicht daran denken, dass bislang mehr als 100 Milliarden Euro hierher geschickt wurden, die sehr oft bei den Menschen gar nicht angekommen sind, sondern dem Systemerhalt dienen“, so Mödlhammer. „Besser wäre konkrete Aufbauhilfe, wie Luchner und sein Team sie hier leisten. Das ist nachhaltiger.“

„Das gäbe bei uns einen Volksaufstand“

Beim Abendempfang in der österreichischen Botschaft in Athen ergänzte Botschafterin Mag. Melitta Schubert das Bild, das die Gemeindevertreter bis dahin gewonnen hatten. „Hier geht ein ganzes Volk über seine Grenzen hinaus“, so Schubert. „Die Armut ist oft nicht sichtbar, aber inzwischen ein riesiges Problem. Würde man in Österreich die Löhne und Pensionen um 30 oder 40 Prozent kürzen, dann gäbe es einen Volksaufstand. Die Griechen haben das einigermaßen ruhig hingenommen, weil die meisten ja wissen, dass an Reformen und Einschnitten kein Weg vorbei führt“, so Schubert, die seit zwei Jahren Österreich in Griechenland vertritt.

Griechen brauchen kommunales Know-how

„Insgesamt war diese Reise unglaublich lehrreich für uns“, betonte Mödlhammer. „Und unser Know-how auf der kommunalen Ebene wird hier dringend gebraucht. Wir werden überlegen, ob wir im Rahmen eines griechisch-deutschen Projekts zur konkreten Hilfe, auch unsere Erfahrungen einbringen und zur Verfügung stellen können“, so Mödlhammer. „Im Herbst gibt es eine entsprechende Tagung, wo der Grundstein für den Erfahrungsaustausch gelegt werden könnte.“

Entsprechend leidenschaftlich auch der Appell des griechischen Bürgermeisters und Gemeindebund-Chefs Askounis: „Wir brauchen nicht nur Geld, sondern vor allem Erfahrung und operative Hilfe, auch im kommunalen Bereich. Nur dort können wir auch beginnen, das Vertrauen der Menschen in politische Entscheidungen wieder zurückzugewinnen“, so Askounis, der demnächst auch nach Österreich kommen will, um von den hiesigen Abläufen und der Arbeit der Gemeinden zu lernen.

Die griechischen Gemeinden brauchen nicht nur EU-Hilfe, sondern auch Know-how aus funktionierenden kommunalen Strukturen. ©Gemeindebund