Gramais liegt im Bezirk Reutte in Tirol und wird häufig als die „Perle des Lechtals“ bezeichnet. Die Gemeinde zeichnet sich gleich durch zwei einzigartige Eigenschaften aus – Gramais ist bundesweit die Gemeinde mit den wenigsten Einwohnern und gleichzeitig auch die pro Kopf am höchsten verschuldetste. 37.327 Euro Schulden hätte jeder der 47 Einwohner.
Investition in notwendige Projekte
Es mag am ersten Blick paradox erscheinen, dass sich eine Gemeinde mit 18 Haushalten und einer Fläche von rund 34 Quadratkilometern verschuldet, deshalb klärt Bürgermeister Michael Fasser auf: „Wir hatten in den letzten Jahren hohe Ausgaben, das stimmt schon. Aber es ist unsinnig, kleine Gemeinden mit großen zu vergleichen. Das rückt kleine Gemeinden zu Unrecht in ein schlechtes Licht. Es wurden ein Kleinwasserkraftwerk und eine Abwasserentsorgung errichtet. Die Investition in diese Projekte war nicht billig, aber notwendig für die Gemeinde.“
Fasser erklärt, dass es relativ gut um den derzeitigen Schuldenstand der Gemeinde steht: „Die Kraftwerke werfen Profit ab, sie rentieren sich auf jeden Fall. Und durch Förderungen sind die Darlehnen gedeckt.“ Demnach steht es nicht so schlimm um den Tiroler Ort, wie die Bezeichnung „meist verschuldetste Gemeinde“ vermuten lässt.
Grasige Gegend, saftige Wiesen
In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde Gramais erstmals erwähnt. Die Leute kamen dazumal vom Inntal und siedelten sich in der Region im Seitental des Lechtals an, um Landwirtschaft zu betreiben. Aufgrund der begrenzten Fläche, die zur landwirtschaftlichen Nutzung taugt, hielt sich aber auch die Anzahl der Zuwanderer in Grenzen.
Woher der Name Gramais nun stammt und was er eigentlich bedeutet, darüber ist man sich bis heute noch uneinig. „Der Ursprung kommt wahrscheinlich aus der Landwirtschaft“, erzählt Bürgermeister Fasser. Aber auch das ist nicht sicher. Es gibt zwei mögliche Bedeutungen für Gramais: „Der Name stammt vermutlich aus dem Murtal und bedeutet entweder so viel wie Steine. Wahrscheinlicher ist aber die Benennung wegen der Grünflächen.“ Demnach bedeutet Gramais soviel wie „grasige Gegend“ oder „saftige Wiesen“.
Abwanderung sorgt für Probleme
Im Jahr 2009 verzeichnete Gramais noch 67 Einwohner, aktuell sind es nur mehr 46. Somit liegt Gramais österreichweit auf Platz drei der Top-Abwanderungsgemeinden, was für einen so kleinen Ort durchaus problematisch ist. Früher wanderten die Menschen wegen der fehlenden Fläche für landwirtschaftliche Zwecke ab. Dies ist heute anders, so Fasser: „Heutzutage sind die fehlenden Arbeitsplätze an der starken Abwanderung schuld. Es gibt hier einfach keine Arbeit. Da ist es naheliegend, dass man umzieht.“ Hat man seinen Wohnsitz in Gramais, muss man mit ziemlicher Sicherheit pendeln.
Auch Bildungseinrichtungen sind in der „Perle des Lechtals“ nicht mehr vorhanden. Wegen Mangels an Schülern mussten sowohl Kindergarten als auch Volksschule 2008/2009 geschlossen werden. Die Kinder und Schüler müssen seither in Einrichtungen der Nachbargemeinden ausweichen. „Nicht nur die fehlenden Betriebe und Arbeitsplätze, sondern auch das Nichtvorhandensein von Schulen bringt die Menschen dazu, wegzuziehen“, schildert der Bürgermeister. Die Option einer Gemeindezusammenlegung beziehungsweise -kooperation kommt für den Bürgermeister trotzdem nicht infrage. Der Hauptgrund dafür ist die Abgeschiedenheit von Gramais. „Die nächste Ortschaft ist acht Kilometer entfernt. Auch wenn unsere Gemeinde klein ist, halte ich nichts davon“, erklärt Fasser.
Hohes Potential im Tourismusbereich
Man darf nicht etwa glauben, dass das Wohnen in Gramais nur Schattenseiten mit sich bringt. In der Sommersaison kann man beispielsweise Wanderungen und Bergtouren unternehmen. Im Winter wiederrum bieten sich Winterwanderungen und Langlaufloipen im „Naturpark Tiroler Lech“ an. Für jene, die gerne frische Bergluft einatmen und unberührte Naturlandschaften zu schätzen wissen, ist Gramais ein ideales Urlaubsziel. „Die Anzahl der Urlauber ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Der Tourismus im Lechtal entwickelt sich gut“, erzählt der Bürgermeister stolz.
Demnach sieht Gemeindespitze Fasser hohes Potential im Tourismusbereich. Die Gemeinde verzeichnet rund 9.000 Nächtigungen pro Jahr, „das ist durchaus positiv“, so der Bürgermeister. Der Tourismus kurbelt die wirtschaftliche und finanzielle Lage von Gramais an, da saisonal bedingte Arbeitsplätze geschaffen werden. „Es gibt mehrere Saisonarbeiter für den Tourismusbereich. Einige davon sind im Gastgewerbe tätig“, erklärt Fasser. Diese benötigen eine Unterkunft, das führt dazu, dass Einwohner Gästezimmer oder Wohnungen vermieten können. Fasser ergänzt: „Man sieht, dass Saisonarbeiter Einnahmen für die Gemeinde bringen und gleichzeitig Arbeitsplätze schafft.“
Starker Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde
Bei der Frage, was den Reiz einer so kleinen Gemeinde ausmacht, blüht der Bürgermeister regelrecht auf: „In Gramais passiert einiges, wie ich bereits erzählt habe. Außerdem herrscht hier ein überaus angenehmes Klima, die Menschen verstehen sich gut.“ Das Leben in Gramais bringt zwar einige Schwierigkeiten mit sich, dieser Umstand schweißt die Einwohner aber noch mehr zusammen. „Wegen der Größe funktioniert das Zusammenleben in Gramais sehr gut. Es gibt einen starken Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde“, schildert Fasser.
Auch in Gramais gibt es Vereine, die trotz der niedrigen Einwohnerzahl gut funktionieren wie zum Beispiel die Jungbauern, die Bergwacht oder der Museumsverein. Zudem hat die Gemeinde eine eigenständige Freiwillige Feuerwehr.
„Ich bin davon überzeugt, dass es wieder bergauf gehen wird“
Insgesamt betrachtet ist der Bürgermeister der Ansicht, dass das Leben in der kleinsten Gemeinde Österreichs wider aller Erwartungen mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt: „Der Tourismusbetrieb läuft hervorragend, wir haben einen Überblick über unsere Schulden und das mit der Einwohnerzahl ist immer so ein Auf und Ab.“ Gramais hat zwar das Problem der Abwanderung, aber davon lässt sich Fasser nicht entmutigen. „Ich schätze die Zukunft der Gemeinde durchaus positiv ein und bin davon überzeugt, dass es wieder bergauf gehen wird. Ich bin froh, hier Bürgermeister zu sein“, erzählt der Bürgermeister voller Stolz.