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Gemeinde rettet Dorfwirt

16.4.2015 – Das Dorfwirtshaus als geselliger Mittelpunkt der Gemeinschaft ist nach wie vor gefragt. Wie aktuell das Thema Wirtshauskultur und das Bedürfnis nach der Bewahrung dieser Tradition ist, zeigt nicht zuletzt die Puls 4 Sendung „Dorf braucht Wirt“. Ab 17. Mai 2015 kann man im Fernsehen verfolgen, welche Strategien Dorfwirte verfolgen, um ihren Gaststätten wieder mehr Leben einzuhauchen. Rund 150 Dorfwirtshäuser haben sich beworben – diese Zahl lässt vermuten, wie viele Wirtshäuser wirklich in ihrer Existenz bedroht sind. Viele Gemeinden wollen ihre Wirte nicht verlieren und suchen nach Lösungen. Im Salzburger Göming schaffte man es mit gemeinsamer Anstrengung aller, wieder ein Wirtshaus anzusiedeln. Auch Projekte der Bürgerfinanzierung finden den Weg in die Gastronomie.

Gemeindezentrum zuerst als Ersatz für Wirt

In der 700-Einwohner-Gemeinde Göming in Salzburg wurde im Jahr 2006 ein Gemeindezentrum errichtet. Es sollte ein Wirtshaus mit Veranstaltungssaal ersetzen. Seither können die Göminger Taufen, Hochzeiten und Geburtstage auch im großen Rahmen im Heimatort feiern und müssen nicht mehr für die Geburtstagsfeier des Nachbarn ins Auto steigen. Dennoch wollte der Bürgermeister Werner Fritz einen Wirt: „Die Menschen brauchen einen Ort der Geselligkeit. Ein Ort ohne Gasthaus stirbt.“ In Göming gab es über 30 Jahre keinen Wirt mehr. Doch dann fasste die Gemeinde 2009 einen Entschluss diesen Umstand zu ändern: Das 300 Jahre alte Hellbauerhaus sollte wiedererrichtet und als Gasthaus verpachtet werden. Die Idee, das ehemalige Bauernhaus dazu umzufunktionieren, entstand in einem Prozess. Es ist nicht nur Wirtshaus, sondern auch ein Museum und Kulturtreff.

Kosten durch Pacht in 20 Jahren amortisiert

„2009 erzählte mir der Besitzer des Hauses davon, dass er das Hellbauerhaus abreißen lassen will. Ich habe mir gedacht, dass man das verhindern muss. Das Haus ist über 300 Jahre alt und das letzte in der Region Flachgau-Nord, das vollständig aus Holz erbaut wurde. In der Gemeindevertretung wurde fast einstimmig entschieden, das Bauernhaus zu erwerben und zu renovieren. Wir haben es kostenlos bekommen“, erzählt der Bürgermeister im Gespräch mit Kommunalnet. Das Bauernhaus wurde 2011 abgetragen und im Ortskern wieder aufgebaut. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 730.000 Euro. 150.000 Euro erhielt die Gemeinde aus einer Leader-Förderung des Landes Salzburg.

Die Gemeindevertreter beschlossen, Obergeschoß und Dachgeschoß möglichst originalgetreu zu belassen und darin ein Museum sowie einen kulturellen Treffpunkt einzurichten. Im Untergeschoss, sollte ein Wirtshausbetrieb entstehen. Die Kosten für den Gastronomie-Ausbau, sollen sich durch die Verpachtung amortisieren: „In zirka 20 Jahren werden wir durch die Einnahmen aus der Pacht für den Gaststättenbereich alle finanziellen Aufwände für den Ausbau hereingeholt haben. Der Dorfwirt ist ein voller Erfolg. Es zeigt sich hier, dass Göming einen eigenen Wirt gebraucht hat“, so Fritz. Durch die Revitalisierung des Hellbauerhauses ist ein neuer Treffpunkt in Göming entstanden, der das regionale Kulturleben fördert und belebt. 

Einwohner als Eigentümer des Wirtshauses

Ein anderes Konzept, um das Dorfwirtshaus wiederzubeleben und vor dem Aus zu bewahren, ist das der Gemeinschaftsbeteiligung. Die Einwohner einer Gemeinde können Anteile des Gasthauses kaufen oder Miteigentümer durch eine Genossenschaft werden. Jeder kann sich mit kleinen oder größeren Beträgen beteiligen. Das so gewonnene Kapital kann zur Renovierung genutzt werden. Anschließend wird das Wirtshaus verpachtet. Die Investition der Dorfbewohner bleibt nicht unvergütet. Der Betrag wird in Konsumationsgutscheinen des Gasthauses rückerstattet – so bleibt nicht nur das Geld beim Wirt, das Finanzierungsmodell bleibt auch legal. Dieses Konzept ist nicht neu. Viele österreichische Gemeinden setzen bei der Erhaltung von Nahversorgern auf Bürgerbeteiligung. Auch im Energiesektor werden immer häufiger Projekte durch gemeinschaftliche Bürgerfinanzierung realisiert.

Eine Exkursion der Gemeindeentwicklung Salzburg führt am 29. Mai 2015 nach Bayern, um sich die gelebte Praxis „Dorf als Wirt“ genauer anzusehen. In Übersee in Bayern wird ein Wirtshaus besucht, das durch den Verkauf von Aktien an die Bürger renoviert und so vor dem Aus bewahrt wurde. In Tittmoning wurde eine Genossenschaft gegründet. Bei der Renovierung des dortigen Dorfwirtshauses beteiligten sich viele Einwohner auch handwerklich – auch das wird im Rahmen der Exkursion als Inspiration für Gemeinden besucht, die selbst eine Gaststätte wiederbeleben möchten. 

Der Aufbau des Hellbauerhauses als Dorfwirtshaus wurde von der Gemeinde Göming finanziert. (Bild: ZVG)