Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Unzählige. Und die Herausforderungen für Betreuung und Ausbildung der Kinder sind genauso gut bekannt wie die wachsenden Belastungen für die Gebietskörperschaften. An mangelnden Lösungsansätzen liegt es also ebensowenig wie an fehlendem Problembewusstsein, um nachhaltige Reformen durchzuführen. Was sind also die Gründe, die Johann Heuras, den amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Niederösterreich, zu dem Schluss kommen lässt: „Wir reformieren das System seit 20 Jahren und reformieren es zu Tode.“
Das Forum 2 der Kommunalen Sommergespräche 2016 hat die Kinder in den Mittelpunkt gestellt, von der Geburt bis zum Schulabschluss. Die Herausforderungen sind dabei unterschiedlich verteilt. Bei der Betreuung von Kleinkindern haben sich vor allem gesellschaftliche Veränderungen manifestiert, die bedingen, dass seit Jahren massiv in den Ausbau von Betreuungseinrichtungen investiert wird. Im Schulbereich stellen vor allem demografische Entwicklungen zahlreiche Gemeinden vor Schwierigkeiten, Bildungsstandorte langfristig abzusichern.
Was beide Bereiche eint, ist der Begriff der Flexibilität. Im Fall der Kinderbetreuung ist sie ein Anspruch, den Eltern an die Kommunen formulieren. Sie wünschen sich dann Betreuung, wenn sie spezifischen Bedarf haben. Sophie Karmasin, Bundesministerin für Familie und Jugend, stellte in ihrem Referat die Wahlfreiheit in den Vordergrund, sie will diesem Anspruch der Eltern entsprechen. Dies ist zwar einerseits administrativ nicht immer leicht zu gewährleisten und in der Regel kostenintensiver, andererseits steht eben diese gelebte Flexibilität für Familienfreundlichkeit.
Österreich bis zum Jahr 2025 zum familienfreundlichsten Land in Europa zu machen, ist die erklärte politische Zielsetzung von Ministerin Karmasin, wie sie im Forum darlegte. In jenen Gemeinden, die schon heute mittels verschiedener Indikatoren als überdurchschnittlich familienfreundlich ausgewiesen werden, liegt die Geburtenrate auch merklich höher. Auch im Bereich der Schule sollte sich das Angebot an Nachmittagsbetreuung verbessern, nachdem die Regierung 750 Millionen Euro aus der Bankenangabe in den Ausbau der Ganztagsschule stecken wird. „Die Schulerhalter sollen dabei eingebunden werden“, sagte Karmasin.
Auch im Schulbereich ist Flexibilität ein zentrales Thema, wobei sie hier vor allem eine Notwendigkeit darstellt, um auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Dieses Erfordernis trifft jedoch auf ein System, in dem Verantwortungen zwischen den Gebietskörperschaften aufgeteilt sind oder, wie im Fall der geplanten Modellregionen für die „gemeinsame Schule“, noch gar nicht definiert sind. Das ist ein Hindernis für flexible Lösungen und auch Kooperationen, wie Heuras in seinem Vortrag anhand einiger Beispiele erzählte. So scheiterte ein Projekt, vier kleinere Schulen unter die Leitung eines einzigen Direktorats zu stellen, daran, dass dies für die Gemeinde keine Ersparnis gebracht hätte, sondern für die übergeordnete Gebietskörperschaft. Die Gemeinde hätte vielmehr als Schulerhalter für die in diesem Fall benötigten Assistenzkräfte im Direktorat aufkommen müssen. Auch die flexible Nutzung von leeren Klassenräumen durch andere Schultypen ist kaum möglich, wenn es unterschiedliche Schulerhalter gibt (AHS, NMS).
Um Kooperationen zu befördern, schlug Heuras vor, für den Bereich der Neuen Mittelschulen die Sprengel zu öffnen. Dies könnte zu einem positiven Wettbewerb führen. Claudia Wieser, Teamleiterin für Soziale Infrastruktur bei der Kommunalkredit Austria brachte hier Campus-Modelle ins Spiel, bei denen an einem Standort mehrere Schultypen (oder andere öffentliche Einrichtungen) koexistieren, womit auch die soziale Durchmischung erhöht und etwa die Sportanlage gemeinsam genützt werden könnte. Auch Heuras kommentierte diese Modelle positiv. Gerade für solche größeren Infrastrukturprojekte sind die derzeitigen Rahmenbedingungen aufgrund des niedrigen Zinsniveaus auch günstig, institutionelle Investoren drängen in diese Bereiche.
Heuras appellierte daran, die Wertschätzung gegenüber Schülern, besonders auch Lehrlingen sowie dem Lehrpersonal zu erhöhen. „Wir haben eine fatale Stimmung der Bildung gegenüber“, sagte Heuras. Dies habe zur Folge, dass sich die Pädagogen zunehmend aus der Politik verabschieden würden. Ein Faktum, das eine gelungene Umsetzung von bildungspolitischen Reformen erschwert. „Die Einrichtung der Schule ist in den Gemeinden mit die Wichtigste. Dort sitzt die Zukunft.“